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Politik: Von einem Projekt Tschernobyl war keine Rede - Wie Joschka Fischer seine Informationspolitik rechtfertigt

Joschka Fischer hat ein Problem - ausnahmsweise mal nicht mit seiner Partei, sondern mit seiner Glaubwürdigkeit. Am Wochenende ist das Problem noch ein bisschen größer geworden - durch eine Zeitungsveröffentlichung und ein Dementi seines Hauses.

Joschka Fischer hat ein Problem - ausnahmsweise mal nicht mit seiner Partei, sondern mit seiner Glaubwürdigkeit. Am Wochenende ist das Problem noch ein bisschen größer geworden - durch eine Zeitungsveröffentlichung und ein Dementi seines Hauses.

"Vetraulich" prangt oben auf einem Papier, abgebildet in der "Welt am Sonntag", das unter Punkt 1.1.3 die Formulierung enthält: "Ukraine: Atomkraftwerk Tschernobyl (Schmelzanlage für Abfälle) Unterstützung im G 7-Rahmen bereits eine Zusage erteilt wurde". Dieser als "Geheimpapier aus dem Umweltministerium" bezeichnete Vermerk scheint zu bestätigen, was der Tagesspiegel schon in der vergangenen Woche gemeldet hatte: Dass Fischer Partei und öffentlichkeit nicht vollständig über das Gesamtpaket geplanter und abgelehnter Hermes-Exportbürgschaften unterrichtet hat, das ihm in seiner Partei bereits so viel Ärger eingebracht hat.

Fest steht: Von einer Bürgschaft für eine Schmelzanlage für Atommüll aus Tschernobyl ist öffentlich nicht die Rede gewesen. Halt, sagt nun Fischers Sprecher im Auswärtigen Amt, er habe bereits am 14. März "öffentlich darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer politischen Einigung über das Gesamtpaket von Großprojekten", neben den im interministeriellen Ausschuss aus Wirtschafts- Finanz- und Außenministerium postiv entschiedenen drei Projekten "noch ein viertes Projekt über Hermes-Bürgschaften abgesichert werden soll".

Außenamtssprecher Andreas Michaelis räumte im Gespräch mit dem Tagesspiegel ein, das konkrete Tschernobylprojekt öffentlich nicht erwähnt zu haben. Das sei schon deshalb nicht gegangen, weil es sich um einen vertraulichen Vorgang gehandelt habe. Informiert worden seien aber die Bundestagsfraktion und ihr zuständiger Arbeitskreis. Der Abgeordnete Christian Sterzing, außen- und sicherheitspolitisher Koordinator seiner Fraktion, bestätigte dem Tagesspiegel, dass Fischer seinen Arbeitskreis über das Projekt im Rahmen der Berichterstattung über die Hermesbürgschaften unterrichtet habe. Dass der Minister dies auch in der Fraktion getan habe - daran kann Sterzing sich nicht erinnern, will es aber nicht ausschließen. Fest steht weiterhin, dass Joschka Fischer auf dem Grünen-Parteitag in Karlsruhe die Tschernobyl-Anlage nicht erwähnt hat. Er entschuldigte sich für die Kommunikationspanne, dass er über die Frage der Hermes-Bürgschaften zu spät informiert worden sei. Der Außenminister rechtfertigte sein Ja zur Förderung von Teilen für ein Atomkraftwerk in China damit, dass er alles Gewicht darauf lege, die Förderung zweier neuer atomarer Reaktorblöcke in der Ukraine (K2/R4) zu verhindern.

Frage: Warum hat Fischer in diesem Zusammenhang die "Schmelzanlage für Abfälle" in Tschernobyl nicht erwähnt? So weit zu erfahren war, handelt es nämlich um eine im Sinne der Grünen "gute" Atomanlage. Sie dient dazu, den Gefahrenherd Tschernobyl einzudämmen.

Bei der Erarbeitung von Richtlinien für die Erteilung der Hermes-Bürgschaften wollen die Grünen, dem Abgeordneten Sterzing zufolge, kein absolutes Nein zum Export von Atomanlagen. Voraussetzung sei, dass sie der Erhöhung der Sicherheit dienten.

Die Grünen-Umweltpolitikerin Michaele Hustedt sagte, im Zusammenhang mit Tschernobyl habe sie von der erwähnten "Schmelzanlage" noch nichts gehört. Dass Fischer sie nicht erwähnt hat, könnte am Charakter der Anlage liegen. Solche, die atomaren Müll lagerfähig machen, sind in der Regel auch in der Lage, sie zu wieder verwendbaren Brennelementen zu machen. Dann hätte der deutsche Export nicht nur zum Ende von Tschernobyl beigetragen, sondern auch dazu, dass aus seinen Resten andere Atomkraftwerke betrieben werden können. Joschka Fischer fliegt diese Woche nach Afrika. Das Problem wird ihn verfolgen.

Thomas Kröter

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