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Politik: Von Heimchen und Rabenmüttern

Der Unionsstreit über die Pläne der Familienministerin offenbart tief sitzende Ängste in der Bevölkerung

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Natürlich würde das kein noch so badischer, hessischer oder bayerischer Politiker offen zugeben. Aber im Stillen tragen sie der Dame diesen mal so eben hingeworfenen Satz schon nach, die Führungskräfte der Union, die männlichen. Von „Alphatierchen“ hatte Familienministerin Ursula von der Leyen unlängst in einem Interview gesprochen, und davon, dass diese nun bald der Vergangenheit anzugehören hätten. Vielleicht muss man einen solchen, zugegeben etwas abseitigen Vorgang mit einbeziehen, um verstehen zu können, warum sich die Union derart heftig mit der Ministerin streitet.

Seither nämlich hört man allerorten die Geschichten von Ministern, Abgeordneten und Parteioberen über deren ganz eigene Erfahrungen bei der Betreuung und Pflege des Nachwuchses. Nicht nur Jörg Schönbohm, Brandenburgs Innenminister, gefällt der „erhobene Zeigefinger“ gar nicht, mit dem die Ministerin über die Rolle der Väter spricht. Schließlich erzeuge sie ein Bild von der Realität, das es in Wirklichkeit gar nicht gebe. „In den allermeisten Familien kümmern sich beide Eltern um die Kinder“, meint Schönbohm. Ein Land, so scheint’s, voller Spülmaschinenausräumer und Rotznasenputzer. Neben der beruflichen oder politischen Karriere, versteht sich. Und deshalb haben auch die meisten sehr viel Verständnis für Mütter, die berufstätig sein wollen, oder es müssen.

Fakt ist, dass die Ministerin an der Unionsbasis eine höchst kontroverse Diskussion ausgelöst hat, seit sie offen dafür eintritt, bis 2013 rund eine Dreiviertelmillion Betreuungsplätze für kleine Kinder organisieren zu wollen. Streit gibt es auch, seit sie über einen Umbau des Ehegattensplittings nachdenkt. Doch haben der Union nahestehende Mütter, die sich bewusst fürs Zuhausebleiben entscheiden, nun wirklich Sorge davor, von der Leyen könnte sie demnächst öffentlich als Heimchen outen? Oder steht wirklich zu befürchten, dass politische Indoktrination, wie sie den DDR-Kindergärten nachgesagt wird, nunmehr in hessischen Einrichtungen verordnet wird? Für viele Unionsanhänger scheint ein solch grundlegender gesellschaftlicher Trendwechsel wohl eher an zweiter Stelle zu stehen. Vielmehr ist es so, dass viele schlicht Angst haben. Das sagt ein Parteioberer, der in den letzten Wochen mehrere Ortsvereine der CDU besucht hat. Und zwar eine sehr konkrete Angst, nämlich bares Geld zu verlieren und noch nicht einmal offen dagegen rebellieren zu können. Vielleicht will ja Frau von der Leyen das Ehegattensplitting demnächst zusammenstreichen und dafür Kitas bauen, wer weiß? Und dann: Wer kann schon etwas gegen die Eröffnung einer Kita sagen, wenn zu Hause die Ehefrau oder erwachsene Tochter händeringend Betreuung fürs Kind sucht, um wieder arbeiten gehen zu können?

Eine verzwickte Lage, die sich nunmehr seit Tagen an der übergeordneten Frage festmacht, ob die Union mit ihrer Familienministerin traditionelle Werte des Familienlebens aufgibt. So heftig wirft man sich wechselseitig vor, das jeweils eigene Familienbild zu diffamieren, dass nun sogar CDU-Generalsekretär Roland Pofalla beschwichtigend meint, man wolle doch niemanden zwingen, sein Kind morgens im Kindergarten abzugeben. Es gehe vielmehr darum, ein Angebot für berufstätige Mütter zu machen. Die CDU nehme selbstverständlich Mütter, die sich zu Hause ganztägig um ihre Kinder kümmern, genauso ernst wie diejenigen, die Familie und Beruf vereinbaren. Und auch Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff (CDU) warnt davor, nicht zu vergessen, dass es bei der Betreuungsfrage um Wahlfreiheit gehe, wobei es bis jetzt oft keine Betreuungsangebote und damit nichts zu wählen gibt. Eine ernste Diskussion für die Union, denn mittlerweile droht der Koalitionspartner unverhohlen: Die Sozialdemokraten wollen von der Leyens Pläne möglichst rasch umsetzen. Oder ein offenes Nein der Union für den Kitaausbau.

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