zum Hauptinhalt
Wohin soll's gehen? Effizienzdruck, digitale Vernetzung und Carsharingfirmen setzen dem Taxigewerbe zu.

© picture alliance / dpa

Von Mythen und Mindestlöhnen: Taxifahrer - ein Beruf im Niedergang

Im Zweifel für Freiheit statt Verdienst, aber dafür die Welt zu Gast im eigenen Auto. Taxifahrer ist ein mythosreicher Beruf. Gewesen! Ein Abgesang

Eine breite Glasfront nimmt die ganze Wand des schmalen Raumes ein und gibt den Blick frei in den Innenhof. Dort fahren die Taxis vor. Fahrerwechsel. Schlüssel- und Geldübergabe. Im Raum selbst eine lange Theke, die den Schreibkram versteckt, ein paar Computer-Monitore. Links eine Sitzecke. Auf dem Beistelltisch eine Tageszeitung. Dahinter im Regal: Kaffeemaschine, Krimskrams und dazwischen eine Lenin-Büste. Am markantesten der Geruch von Gummi. Verströmt von frischen Autoreifen, deren Stapel überall im Weg stehen.

Es ist das Büro der Occam-Taxi GmbH in Schwabing, dem Ausgehviertel von München, der Stadt mit der höchsten Taxidichte in Deutschland. Occam-Taxi sind 24 Fahrzeuge, etwa 70 Fahrer, zwei Chefs: Michael Bedrich, Ende 40, ein Stirnband bändigt seine Dreadlocks. Ihn trägt das Taxifahren seit dem Zivildienst durch die Nacht, und Toni Thiele, Anfang 50, die Sonnenbrille locker ins Hemdrevers gesteckt. Er hat sich schon das Architekturstudium im Taxi finanziert. Zwei Männer also, für die das Taxifahren anfangs vor allem Zwischenlösung war: Andere durch die Stadt fahren, während man auch für sich selbst noch einen Weg sucht – den durchs Leben.

Ihre Fahrer sind Jedermänner, Künstler, Zuverdienstbedürftige, Rentner

Thiele sagt: „Das ist ja einer der wenigen Berufe – ist ja tatsächlich auch ein Beruf! –, mit dem ich sehr viele andere Sachen verbinden kann.“ Und mit dem bis heute sehr viele Menschen sehr viele Erwartungen verknüpfen: Bei Occam-Taxi fahren immer wieder Künstler, die „ihren Haupterwerb über eine gewisse Zeit mit ihrer künstlerischen Tätigkeit erzielen, und dann hakt das plötzlich mal“, oder es kämen Menschen, die sich zum Lebensunterhalt etwas dazu verdienen wollen oder müssen. „Oder Menschen, die nach 30 Jahren Siemens eine fette Abfindung gekriegt haben, und denen schlichtweg fad ist.“

Auch das gehört zum Klischee der Helden der Stadtstraße: dass sie eine Geschichte haben. Und, dass sie bei der Wahl zwischen Geld oder Freiheit die Freiheit wählen. Weil sie selbst bestimmen wollen, wann das Erlebnis und wann der Ertrag wichtiger ist. Das entzieht sich der Ökonomie, die sich mit ihren Effizienzstrategien auch im Taxigewerbe ausgebreitet hat und darauf zielt, jedes Ding an seinen strategisch richtigen Ort zu sortieren. Aber das Ding Taxi ist eben vor allem auch der Mensch am Steuer.

Zwei Kinofilme ventilieren derzeit zwei Taxi-Mythen

Zwei Filme mit Taxi-Titeln laufen gerade im Kino. „Taxi“, der verfilmte Roman von Karen Duve über eine lakonisch-orientierungslose junge Frau im Hamburg der 1980er Jahre, und „Taxi Teheran“, der diesjährige Berlinale-Gewinner, der den mit Berufsverbot belegten iranischen Regisseur als Fahrer zeigt, das Auto als mobilen Schutzraum. Zwei Filme, zwei Mythen – und wie viel stimmt davon noch?

Bei Bedrich und Thiele hört sich das so an: „Was sich grundsätzlich mal verändert, dass mit dem neuen Mindestlohn viel von der Freiheit passé ist“, sagt Thiele. Man müsse nun auf Effizienz schauen, die müsse man als Unternehmer nun permanent einfordern. Für die Fahrer heiße das Druck. Besonders auf dem Pflaster von München, der Taxisupersstadt mit ihren 3400 Taxikonzessionen.

Die Fahrer müssen zusehen, dass sie nach jeder Fahrt einen Anschlussauftrag bekommen. Schluss mit Rumtrödeln am „Ambientestand“, wie Thiele es nennt: mit dem Taxi über die Maximilianstraße cruisen, schauen, was so am Vier-Jahreszeiten-Stand los ist und dann vielleicht noch einen Kunden zum Hauptbahnhof fahren oder so. Die Zeiten seien vorbei.

Das Digitale drängt in die Branche - und verengt Spielräume

Wohin soll's gehen? Effizienzdruck, digitale Vernetzung und Carsharingfirmen setzen dem Taxigewerbe zu.
Wohin soll's gehen? Effizienzdruck, digitale Vernetzung und Carsharingfirmen setzen dem Taxigewerbe zu.

© picture alliance / dpa

Es geht um Präsenz und abrufbare Leistung. Das erfordere eine Art Angestelltenkultur, sagt Thiele, die dem „Wesen des Gewerbes“ schon stark widerspreche. „Du hast so viele verschiedene Menschen und Charaktere am Start, die ja nicht umsonst im Taxi sitzen.“ Weil sie vielleicht in den normalen Arbeitsalltag so nicht zu integrieren seien, und ihre Freiheit brauchen. „Das hat man ja wirklich in keinem anderen Job!“, sagt er. Und dass man das bewahren sollte, schließlich sei Taxifahren ein Niedriglohngewerbe. Da müssten andere Vorzüge her.

Einmannbetriebe, die sich und das Fahrzeug finanzieren

Mehr als 22 000 Taxi-Unternehmen gibt es in Deutschland. Die meisten sind Einwagenbetriebe. Ein Unternehmer oder eine Unternehmerin, die sich sozusagen ihren Arbeitsplatz und ihr Auto finanzieren. Das Gewerbe schließt sich in lokalen Innungen, Genossenschaften oder Zentralen zusammen, die dann Dienstleistungen für alle erbringen. Vom Telefon am Stand bis zur Funk- und Datenzentrale. Dazu das Einpflegen der lokalen oder der bundesweiten Taxi-App fürs Smartphone. Die Konkurrenz zu solchen selbst organisierten Zentralen sind Apps wie „MyTaxi“, die von Daimler mit Kapital versorgt wird, oder wie „Uber“, in der Geld von Google steckt. Thiele und Bedrich sehen darin vor allem fahrende Datenkraken: Das Taxifahrer-Wissen, wer wann wohin fahre, dass sei es, worum es den Konzernen gehe. Für diese Informationen investierten sie die Millionen. Von Transportunternehmerinteresse keine Spur.

Einer der vielen Einmannbetriebe ist Anselm Maier. Der große blonde Mittvierziger ist viele Jahre als Kapitän zur See gefahren, und vielleicht hat er sich sein Leben auch mal anders vorgestellt. Aber jetzt ist es, wie es ist. Er sei in den 80er Jahren schon mal gefahren, im analogen Zeitalter. Heute funktioniere alles über Vernetzung. Das heißt über verschiedene Funkzentralen. Auch in Maiers Auto sind zwei Zentralen angeschlossen. Er sagt: Wer sich der digitalen Technik verweigere, verdiene weniger als die Hälfte, als der, der vernetzt arbeitet. Und dabei rede man grundsätzlich über kleine Beträge. Ihn stört das nicht, es reiche zum Leben, und werde kompensiert dadurch, dass man sich „eben wieder auf etwas anderes noch mal einrichten und konzentrieren“ könne. Das Taxifahren sieht er als Brücke. Die Qualifikation sei schnell erworben, Sprachkenntnisse nicht allzu wichtig, deshalb sei es der perfekte Einsteigerjob für jedermann, sagt Maier.

Die langweiligen Beratertypen, die immer den Weg vorsagen

Er macht Notizen über seine Fahrgäste in sein Smartphone und, sagt er, er könne zu 90 Prozent vorhersagen, ob jemand vorne oder hinten einsteigt. Es gebe die ausländischen Gäste, die es gewöhnt seien, im Taxi hinten zu sitzen. Auch Business-Leute säßen grundsätzlich hinten. Junge Leute, die nicht viel Taxi gefahren sind in ihrem Leben, würden vorne einsteigen. Die Leute, die müde sind, hinten. Unangenehm seien die, die sich hinter ihn, den Fahrer, setzen, außerhalb seines Sichtfelds. Und die langweiligsten seien die „Beratertypen“. „Die steigen ein und erklären dir, wie sie genau fahren wollen“, sagt Maier. Die Erfahrung des Fahrers interessiere sie nicht. „Die sind in ihrer Blase sehr gefangen.“

Andere ließen sich verleiten, durch einfache Fragen oder das Gefühl, der Fahrer da vorne sei sicher nicht sehr helle. Die erzählten dann plötzlich irgendwas. „Dann kann man innerhalb kürzester Zeit ein Vertrauensverhältnis aufbauen“, sagt Maier, und dann steige der Kunde aus, die Tür gehe zu und „dann ist die Geschichte geschlossen.“ Maier sagt: „Das ist vielleicht auch das Besondere am Taxifahren, dass es durch alles durchgeht. Ob das jetzt derjenige ist, der Milliarden aufm Konto hat, und auch mal Taxi fahren muss, der supererfolgreiche Sportler, die arme Maus um die Ecke, die sich nichts leisten kann und vielleicht noch mit dem Taxischein vom Sozialamt fährt. Das gibt es, glaub’ ich, in keiner anderen Branche, das ist das Abbild der gesamten Gesellschaft, ja.“

Taxi als Luxus, das war einmal

Wohin soll's gehen? Effizienzdruck, digitale Vernetzung und Carsharingfirmen setzen dem Taxigewerbe zu.
Wohin soll's gehen? Effizienzdruck, digitale Vernetzung und Carsharingfirmen setzen dem Taxigewerbe zu.

© picture alliance / dpa

Damit ist er ziemlich nah am Klischee vom herumkutschierenden Philosophen und Menschenkenner, der vom immer selben Platz aus viel sieht und viel hört und so einen ganz eigenen Blick aufs Ganze bekommt. Das Taxi als Sozialraumminiatur: zum einen die Intimität der Fahrgastzelle, die Privatheit des Autos. Zum anderen das Öffentliche. Das Taxi gehört zum öffentlichen Personennahverkehr, funktioniert aber ganz anders. In Bussen und Bahnen wurde der Fahrer immer mehr eingekapselt. Während der Fahrt ist das „Sprechen mit dem Fahrer verboten“, steht auf den Schildern. Im Bus kam mit dem Wegfall des Schaffners die Panzerung des Fahrers mit Stangen und den Gerätschaften zur Fahrkartenausgabe. In der Trambahn folgte seine Einkapselung in die Fahrerkabine, und in der U-Bahn verschwand der Fahrer hinter einer Tür. Die gegenläufige Entwicklung im Taxi: Seit die Trennscheibe zwischen Fahrer und Fonds in den 1960er Jahren wegfiel, gehört des Reden zum Taxifahren, mehr noch: Der formatierte Smalltalk macht das Trinkgeld.

Taxi ist Gleichmacherei in einer Gesellschaft, die Unterschiede liebt

Auch sozial hat sich das Taxi geöffnet. Jeder kann es fahren, jeder kann es benutzen. Die absolute Gleichmacherei in einer Gesellschaft, die in ihren vielen Facetten immer deutlicher über Abgrenzung von der Masse funktioniert. In so einer Premium-Logik der Einzigartigkeit kann ein Beruf wie der des Taxifahrers, der sich für alle und alles hergibt, kein Prestige mehr bedeuten. Im wilden Wettbewerb müffelt das Taxi nach öffentlicher Dienstleistung.

Das bemerkt verdrossen Reinhard Zielinski, einer der drei Vorstände der Taxi- München Genossenschaft. Er ist gerade in der Funkzentrale, steht zwischen Annahmestelle und Funkplätzen. Stimmen brummen und summen durch den Raum. Das Taxi habe ein Imageproblem, sagt er. Und kann das an Filmbällen, Modemessen und dergleichen festmachen. Früher hätten die Veranstalter Taxis für ihre VIPs bestellt. Aber weil Taxis heute zu selten Premiumautos seien, zu selten Audi A8, die die Eventmacher gerne hätten, würden sie heute ihren eigenen Shuttleservice mieten, mit Luxusautos und Eventlogo. „Das gab’s früher nicht“, sagt Zielinski. Zu ändern sei das nicht mehr. Das Taxi sei halt ein öffentliches Gut für alle, sagt er, es hat Beförderungspflicht, muss fahren, kann aber bei den geltenden Tarifen kein Luxuswagen sein, wie soll der finanziert werden?

Autohersteller mischen sich ein: Limousinenservice, Carsharing

Der gesponserte Limousinenservice für Edel-Events gehört zur Imagepflege der Autohersteller, wie auch Free Floating Cars und Carsharing. „Car2Go“, „DriveNow“, „Flinkster“. So wie das einstmals gammlige Trampen sich zur Mitfahrzentrale veredelte, entwickeln heute Autohersteller Autoteilkonzepte fürs urbane Publikum. In den 1970er Jahren galt das als teuflischer Auto-Kommunismus. Damals stieg eine der ersten Frauen in das Taxigewerbe ein. Man kennt sie heute als Taxi-Rita. „Ich bin ein Autofahrer. Mich kannst hinschicken, wo Du willst, ich möcht’ immer Autofahren“, sagt sie. Und kann genau das gerade nicht. Der Fuß! Genauer gesagt ihr Gasfuß. Statt Gas geben hat sie plötzlich Schmerzen im Knie. Nun Krankenhaus. Es gehe schon besser, sagt sie, als sie in die Grünanlage auf dem Gelände gehumpelt kommt.

Vor dem Krankenhaus ist ein Taxistand. Sieben Fahrzeuge, die auf Kundschaft warten. Die Fahrer stehen draußen in der Sonne. Einige rauchen.

Früher habe sie eine Gaststätte gehabt, erzählt Taxi-Rita, „da sind immer alle Taxifahrer gekommen, zum Essen, nachts um elf Uhr.“ Man sprach übers Geschäft und wie die Dinge so laufen. Und als einmal ein Fahrer, um Schulden zu begleichen, seine Konzession verkaufen musste, griff Taxi-Rita zu. „Hach“, sagt sie, „ich kann ohne Taxifahren nicht sein. Die Abwechslung mit den Menschen, die brauche ich einfach.“

1959 hat sie ihren Führerschein gemacht, auch das war früh – für eine Frau. In den 1960er Jahren wurde die Automobilität dann zur sozialen Mobilität. Führerschein und vier Räder, das hieß auch: bessere Jobs, mehr Verantwortung, Aufstieg! Das Auto als wirtschaftlicher Wachstumsmotor wie als individuelle Unabhängigkeitsmaschine.

Lohndumping oder das Geschäft mit der Not der Anderen

Wohin soll's gehen? Effizienzdruck, digitale Vernetzung und Carsharingfirmen setzen dem Taxigewerbe zu.
Wohin soll's gehen? Effizienzdruck, digitale Vernetzung und Carsharingfirmen setzen dem Taxigewerbe zu.

© picture alliance / dpa

Sie sei oft nachts gefahren, weil sie tagsüber für ihre Kinder da sein wollte, sagt sie. Ein Freund habe da zu ihrem Mann gesagt: „Das geht nicht, dass Du deine Frau alleine umandafahren lasst, ohne Telefon, das geht nicht.“ Also bekam sie ein Autotelefon. Klobig und fast so teuer wie das Auto selbst. Sie habe dann schnell viele Stammgäste gehabt, die sie direkt anriefen, wenn sie wohin wollten.

Heute gehöre sie, wie sie sagt, zu den wenigen, die fast nur am Münchner Ostbahnhof auf Kundschaft warten. Sie und Walter, der schon seit 48 Jahren Taxi fährt, noch fünf Jahre länger als sie. Der sie auch angerufen hat, als er hörte, dass sie im Krankenhaus ist. Am Telefon hätten sie verabredet, noch bis 2017 durchzuhalten. 2017 hat Taxi-Rita ausgerufen. Weil sie danach wieder in eine neue Technik für ihr Taxi investieren müsste, eine neue Uhr statt der alten Kienzle-Uhr, die sie noch habe. „Da mach' ich nicht mehr mit“, sagt Taxi-Rita.

Immer die Fragen nach Sonderpreisen!

Überhaupt die Uhren! Heute kämen die Leute zum Taxi und fragen, „fährst du mich für einen Zehner da oder dort hin?“ Und wenn sie dann sage: Wieso? Ich fahr' mit Uhr, und wenn dir das nicht passt, dann gehst zu einem anderen, wenn du einen findest. „Und dieser Depp findet tatsächlich dann so einen blöden Taxifahrer.“ Taxi-Rita regt sich auf und davon schmerzt ihr Knie wieder. Bevor sie zurück ins Krankenhaus humpelt, sagt sie noch, dass sie keinen, den sie mag, heutzutage Taxi fahren lassen würde.

In diesem Konjunktiv lebt Gerhard Grunow bereits. Er würde den Taxiberuf am liebsten an den Nagel hängen. Weil das bisschen, was sich verdienen lasse, ihn nur noch aufregt. Wer verdienen wolle, müsse um fünf Uhr aufstehen und auf die frühen langen Touren hoffen, sagt er. Zur Jeans trägt er extra Loden-Jancker und rot-weiß-kariertes Hemd, weil zur Zeit viele Touristen in der Stadt sind, die so ein Lokalkolorit schätzen. Aber es könne eben auch passieren, dass man zwei Stunden herumwartet, und wenn dann endlich ein Kunde einsteigt, dann wolle der nicht zum Flughafen, was sich lohnen würde, sondern zum Bahnhof für fünf Euro sechzig. Und dann? Grunow schimpft weiter: Mittlerweile bekomme der Taxifahrer nicht mal mehr 50 Prozent. Die Bahnhofstour um sieben Uhr, wenn man um fünf Uhr angefangen hat, bringe ihm vielleicht 1,80 pro Stunde. Mit Trinkgeld vielleicht zwei Euro 80. „Da ist man dann schon mal angefressen“, sagt er. Jetzt stehe er hier am Kurfürsten-Stand auch schon wieder fast 45 Minuten. „Und wenn das dann so weitergeht, dann hat man um neun Uhr sechs Euro verdient, und wenn man dann Hunger bekommt und sich eine Leberkässemmel und eine Spezi kauft, dann sind davon vier Euro wieder weg.“ Grunow schnauft. Noch Fragen?

In zwei Stunden sechs Euro verdienen und dann Mittagessen für vier Euro

Die „guten Stiche“, wie es im Jargon der Taxifahrer heißt, lassen sich nicht programmieren. Das Taxifahren ist nicht getaktet wie ein Fließband. Ein Taxibetrieb keine Fabrik, die die Menschen nach Hallen und Büros sortiert und dort ihre Handlungsabläufe und Karrieren normiert. Das Taxi ist eine Arbeit nicht an, sondern mit der Maschine. Und die eiert und stottert manchmal auch.

Grunow kennt das, klar. „Dann fährt man los, und vorne links raucht irgendwas aus der Motorhaube raus“, sagt er, und dann werde der Fahrgast hinten ängstlich, sauer, was ist das denn für ein Auto?! Klar ist der Taxifahrer dann Schuld. Und der will natürlich den Gast nicht enttäuschen und macht die Tour und fährt erst dann zur Werkstatt. Aber wenn er sein altes Taxi ein paar Mal zur Werkstatt gebracht hat, dann bekomme er Ärger mit dem Unternehmer, „dann sagt er: 'Irgendwas ist mit Dir faul. Ich hab' jemand anders, der für dich fährt. Da gibt’s paar Afrikaner, die sind grad da.“ Grunow sagt, er habe es mit eigenen Ohren gehört. Dass der Unternehmer zu ihm gesagt hat: „Die robben auf Knien, dass sie einen Arbeitsplatz bei mir kriegen. Also streng Dich an.“ Grunow findet das schlimm. Dass die Unternehmen die Not der ausländischen Kollegen wissend ausnutzen. Die aktiv betriebene Entsolidarisierung. Das Taxi parkt schon länger im neu entstandenen Prekariat. Der Weg zum noch niedrigeren Lohn führt über die Erniedrigung. Ein Mythos? Vielleicht ein neuer. Einer, der nichts mehr von Freiheit erzählt. Die ist vorbei.

Ralf Homann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false