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Kommissionspräsident José Manuel Barroso (li.) setzt die Bundesregierung mit seinen Plänen unter Druck.

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Vor dem EU-Gipfel: Berlin und Brüssel schieben sich Schwarzen Peter zu

Neuer Anlauf, altes Spiel: Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag setzt eine mächtige Vierergruppe Kanzlerin Merkel unter Druck. Zeitgleich formiert sich im Bundestag Widerstand gegen den Fiskalpakt und den dauerhaften Eurorettungsschirm ESM.

Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag wird wieder aus allen Kanonen geschossen, wird dramatisiert, gefordert, gedrückt und gezerrt. Und - aus Deutschland - natürlich blockiert. „Wie ein Wunschzettel“ lese sich der vermeintliche Masterplan der Vierergruppe um Ratschef Herman Van Rompuy, befand Außenstaatsminister Michael Georg Link am Dienstag, kaum das der Bericht an die Hauptstädte geschickt worden war. Und er versicherte
bei den Gipfelvorbereitungen in Luxemburg vorsorglich: Deutschland werde für den Zusammenhalt der Eurozone kämpfen, „aber gegen die Vergemeinschaftung der Schulden“.

Klar ist: Den Befreiungsschlag wird es auch diesmal nicht geben, wenn sich Kanzlerin Angela Merkel und ihre 26 Kollegen im Ratsgebäude zurückziehen. Dazu liegen die Vorstellungen in Berlin, Paris, Rom und Brüssel noch viel zu weit auseinander. Und dazu sind die Probleme auch viel zu groß, als das eine Wunderwaffe die Stabilität rasch zurückbringen könnte.

Das hat auch Kommissionschef José Manuel Barroso verstanden. „Einige sind heute noch nicht bereit für Euro-Bonds. Das müssen wir akzeptieren“, sagte er in Brüssel. „Wir müssen unsere Ambitionen mit der richtigen Abfolge kombinieren. Wir dürfen keine falschen Hoffnungen wecken.“

So viel Besonnenheit vom forschen Barroso? Macht da einer einen Rückzieher? Allenfalls auf den ersten Blick. Denn wenn er auch seine Niederlage im Ringen um die Gemeinschaftshaftung (vorerst) eingesteht, so hofft er doch auf einen Sieg im Ringen um die Banken-Union. „Damit sollten wir beginnen. Das geht ohne Vertragsänderungen.“

Banken-Union, Euro-Bonds und erzwingbare Reformen: Das ist der Dreiklang der Vierergruppe, der neben Van Rompuy und Barroso auch Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker und EZB-Chef Mario Draghi angehören. Und die richtige Abfolge für den Dreiklang lautet für Barroso so: Der Gipfel akzeptiert zunächst seinen Plan, im Herbst einen Vorschlag für die Banken-Union vorzulegen. Für das weitere Basteln an der Eurozone 2.0, die Fiskalunion (Euro-Bonds) und die politische Union (Reformen), gibt es zunächst nur einen Prüfauftrag für die Vierergruppe. Sie soll frühestens im Oktober einen neuen Zwischenbericht vorlegen. Eine Art Fahrplan für weitere Integrationsschritte dürfte nicht vor Jahresende auf den Tisch kommen.

Dass der Aufbau der politischen Union, in der sich keine Regierung mehr vor den Reformen drücken kann, wieder auf die lange Bank geschoben werden soll, das sorgt in der Bundesregierung für Enttäuschung. „Da fehlt uns vieles“, sagte Außenstaatssekretär Link. Ist Deutschland dennoch bereit, den Weg Richtung Banken-Union einzuschlagen? Zu direkter Bankenhilfe aus dem ESM? Es scheint sich eine Bewegung anzudeuten. Von einem Tabu ist jedenfalls keine Rede mehr. „Solange wir die Aufsicht (über die Banken) nicht vergemeinschaften, so lange können wir keine direkte Bankenhilfe gewähren“, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble nach der letzten Eurogruppe am Freitagabend in Luxemburg. Das lässt den Schluss zu, dass bei der Etablierung einer Bankenaufsicht die deutsche Blockade - womöglich - gelockert werden könnte.

Dafür ist Barroso sogar bereit, die Aufgabe an die EZB zu übertragen. Die vertraglichen Möglichkeiten dafür sollen „vollständig ausgelotet werden“, heißt es im Bericht der Vierergruppe. Und der Vertrag (Artikel 127) gibt den Staats- und Regierungschefs den Spielraum, die EZB mit Aufsichtskompetenzen auszustatten.

Einzelne Bundestagsabgeordnete von SPD und CSU ziehen vor das Bundesverfassungsgericht

Kann sichergestellt werden, dass die Geldhäuser von Nikosia bis Helsinki der selben, europäischen Kontrolle unterworfen werden, dass aus den Frankfurter EZB-Türmen über nationale Interessen hinweg abgewickelt und restrukturiert werden kann, dann rückt die Banken-Union wohl in den Bereich des Möglichen. Und geht es nach dem Euro-Quartett, dann fahren die Löschzüge des Rettungsfonds ESM bald direkt zu den Banken, und laden ihren Löschschaum nicht vorher bei den Regierungen ab. Dann würden Staaten wie Spanien durch die Notkredite der Europartner nicht selbst weiter in Schieflage geraten, weil sie nicht selbst zum Eurotropf greifen müssten, und ihr Schuldenberg nicht wachsen würde. Das ist der Plan.

Damit es soweit kommt,. müssen aber zunächst ESM und Fiskalpakt verabschiedet werden und in Kraft treten. Wenige Tage vor der entscheidenden Abstimmung im Bundestag steht bei der Unionsfraktion offenbar die Mehrheit dafür. Bei einem Vorab-Votum gab es am Dienstag elf Gegenstimmen und eine Enthaltung beim permanenten Euro-Rettungsschirm ESM. Beim europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin votierten drei Abgeordnete dagegen, es gab eine Enthaltung. Die reguläre Abstimmung im Parlament findet am Freitag statt.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert kündigte derweil an, gegen den Fiskalpakt und den ESM vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. „Ich werde am Freitagabend meine Klage in Karlsruhe einreichen“, sagte Danckert der Tageszeitung „Die Welt“. Seine Prozessbevollmächtigte sei die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD). Bei der Abstimmung im Bundestag am Freitagabend werde er mit Nein stimmen, kündigte Danckert an.

Auch der CSU-Bundestagsabgeordnete und Euro-Skeptiker Peter Gauweiler will gegen den ESM klagen. „Wenn es so beschlossen wird, und es ist ja davon auszugehen, werde ich das tun“, sagte Gauweiler am Dienstag dem Bayerischen Rundfunk. Gauweiler will sich nicht an der bereits angekündigten Klage der Linken beteiligen, sondern eine eigene Klage in Karlsruhe vorlegen: „Weil ich dann am meisten die Möglichkeit habe, diese selbst zu bestimmen.“

Kommissionspräsident José Manuel Barroso (li.) setzt die Bundesregierung mit seinen Plänen unter Druck.
Kommissionspräsident José Manuel Barroso (li.) setzt die Bundesregierung mit seinen Plänen unter Druck.

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CSU-Chef Horst Seehofer rechnet nicht damit, dass Gauweiler und andere Kläger mit ihren Versuchen Erfolg haben, den ESM vor Gericht auszuhebeln: „Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass der Fiskalpakt und der ESM überhaupt nicht kommen“, sagte Seehofer am Dienstag in München. Er verwies darauf, dass die Bundesregierung auf den Kurs Brüssels maßgeblichen Einfluss genommen habe: „Das ist auf Druck Deutschlands erfolgt, nämlich die Stabilitätsunion zu schaffen.“ (dapd/dpa)

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