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Polizisten räumen das Protestcamp im Hamburger Elbpark.

© Fabian Bimmer, Reuters

Vor dem G-20-Gipfel: Die Polizei setzt auf Härte

Die Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Linksautonomen eskalieren schon Tage vor dem Start des Hamburger Gipfels.

Von Frank Jansen

Die Wortwahl ist eindeutig. „Rechtswidrig“ und „ermessensfehlerhaft“ sei die Verfügung der Versammlungsbehörde gegen den Aufbau des „Antikapitalistischen Camps“. Das Hamburger Verwaltungsgericht watscht in seinem Beschluss vom Sonnabend die Polizei ab, die auch eine räumlich verlegte und verkleinerte Zeltstadt der linksradikalen Gegner des G-20-Gipfels nicht dulden will. Es sei vorläufig erlaubt, das Protestcamp einzurichten, sagen die drei Richter der Kammer 75. Demnach hätten die Autonomen mit dem Aufbau der Zeltstadt im Elbpark Entenwerder, südöstlich der City im Stadtteil Rothenburgsort, beginnen können. Doch als sie es versuchten, stellte sich die Polizei in den Weg.

Strategie beginnt zu wirken

Kurz vor Beginn des Treffens der Staats- und Regierungschefs in der Hansestadt am 7. und 8. Juli zeichnet sich ab, welche Strategie die Polizei im Umgang mit linksradikalen Gipfelgegnern verfolgt: Härte, Härte und nochmals Härte. Bis zu 20000 Beamte sollen Militanz frühzeitig abwürgen. Richterspruch hin oder her, auf keinen Fall soll den Autonomen gestattet werden, mit einer Art gallischem Dorf tagelang einen Schwerpunkt zu bilden. Die erwarteten 8000 bis 10000 Linksextremisten aus dem In- und Ausland sollen sich nirgendwo festsetzen. Die Hoffnung der Szene, in Hamburg werde sich die militante Internationale geradezu historisch entfalten, scheint gedämpft.

Die Strategie der Polizei beginne zu wirken, heißt es in Sicherheitskreisen. Dafür gebe es Indizien. Erstens: die Initiatoren des Protestcamps, Linksradikale aus dem Umfeld des Autonomenzentrums „Rote Flora“, haben ihre Pläne aufgegeben, im citynahen Stadtpark bis zu 10000 Leute zu versammeln, die in 3000 Zelten nächtigen. Nun ist nur von 3000 Gipfelgegnern und 1500 Zelten die Rede, außerdem ist als Standort die Halbinsel Entenwerder geplant – obwohl sie von der Polizei leicht abzuriegeln wäre.

Maximal zehn "Workshop-Zelte"

Zweitens: Experten in den Sicherheitsbehörden erwarten, dass jetzt deutlich weniger Linksradikale aus dem europäischen Ausland anreisen. Wenn die Militanten aus Griechenland, Frankreich, Italien und Skandinavien nicht wüssten, wo sie übernachten können, „fahren bestimmt weniger Busse los“, heißt es.

Die Streetfighter werden sich nicht abhalten lassen, nach HH zu reisen, wenn das Camp torpediert wird. Eher werden diejenigen wegbleiben, die noch neutralisierenden Einfluss auf die Radikalinskis hätten nehmen können. Und diese dürften mit noch mehr High-Voltage antreten.

schreibt NutzerIn karl-der-baer

Drittens: Die Hartnäckigkeit der Polizei scheint sich nun auch rechtlich auszuzahlen. Die Behörde untersagte den Linken am Sonntagabend, auf der Halbinsel Entenwerder ein Camp mit Schlafzelten, Duschen und Küchen aufzubauen. Nur maximal zehn „Workshop-Zelte“ dürfen sein. Für die Polizei war das Risiko, sich über den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom Sonnabend hinwegzusetzen, offenbar kalkulierbar. Als die Initiatoren des Camps das Verwaltungsgericht anriefen, erlebten sie eine böse Überraschung.

Der Frust wächst

Drei andere Richter als die vom Sonnabend befassten sich mit der Causa „Antikapitalistisches Camp“ – und gaben der Polizei Recht. Die Juristen sahen wie die Ordnungshüter eine Gefährdung „hinsichtlich der zu befürchtenden Schäden für die Grünanlagen im Elbpark Entenwerder“, sollten sich eine Woche lang bis zu 5000 Personen aufhalten. Die Vermutung, die Polizei könnte Richterwechsel und Sinneswandel im Gericht geahnt haben, wird in Hamburgs Behörden nicht kommentiert. Die Linksradikalen bemühen nun das Oberverwaltungsgericht. Dort hatten aber Richter im Juni die Polizei gestützt.

Da die Polizei auch für ein zweites Protestcamp, im Stadtteil Altona, Übernachtungen untersagt hat, wächst bei den Linksradikalen der Frust. Im Internet rufen nun „Wütende Gruppen des Widerstands gegen den G20“ dazu auf, „Parks, Plätze, Flächen und Knotenpunkte der Stadt“ zu besetzen.

Demo-Verbote möglich

Die Linksradikalen bekommen auch anderweitig Härte zu spüren. Vergangenen Donnerstag überzog die Polizei die antiimperialistische Gruppierung „Roter Aufbruch Hamburg“ mit einer Razzia. Anlass war ein Interview vom Dezember 2016, in dem zwei Linksextreme einen Brandanschlag vom November auf die Messehallen, den Veranstaltungsort des G-20-Gipfels, gebilligt hatten. Dass die Razzia gerade jetzt kam, kurz vor dem Gipfel und mehr als ein halbes Jahr nach dem Interview, sei aber kein gezielter Warnschuss, sondern wegen der schwierigen Ermittlungen so, heißt es bei der Polizei.

Einen Rechtsanspruch auf gewalttätige Demonstrationen sieht unser Gesetz nicht vor und wer sich an Auflagen so absolut nicht halten will, muss dann auch die Konsequenzen tragen.

schreibt NutzerIn AdeleSandrock

Es fällt zu dem auf, dass die Polizei die für Donnerstag geplante Autonomen-Demonstration „Welcome to Hell“ kaum einschränkt. Obwohl Krawalle zu erwarten sind. Doch die Linksextremen würden sich wohl selbst schaden. Komme es zu Gewalt, werde über die weiteren linken Demonstrationen „noch mal nachgedacht“, sagen Sicherheitskreise. Und schließen nicht aus, für Freitag und Sonnabend geplante Demos würden verboten.

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