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Vor dem NSU-Prozess: Im Gerichtssaal wird es eng - und die Welt schaut zu

Der Saal zu klein, kein Platz für den türkischen Botschafter – noch ehe das Verfahren wegen der NSU-Terrorakte begonnen hat, steht das Münchner Gericht in der Kritik. Wie ist es auf den Prozess vorbereitet?

Noch sind die Handwerker und Techniker zugange im Schwurgerichtssaal A 101 des Münchner Justizkomplexes. Doch es ist zu erkennen, wie die Räumlichkeiten aussehen, in denen der bedeutendste Terrorismusprozess seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik am 17. April beginnt: das Verfahren gegen Beate Zschäpe und vier weitere mutmaßliche Unterstützer des rechtsradikalen „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU).

Die bisher festgelegten 86 Prozesstage bis zum 16. Januar 2014 werden, so sagt Oberlandesgerichtspräsident Karl Huber, „bei Weitem nicht ausreichen“ für das Mammut-Staatsschutzverfahren. Huber rechnet mit einer Prozessdauer von zweieinhalb Jahren. Insgesamt gibt es 71 Nebenkläger mit 49 Rechtsanwälten. Die Angeklagten haben zwölf Verteidiger. Anklage erhebt die Generalbundesanwaltschaft Karlsruhe. Zudem müssen die Öffentlichkeit sowie Medienberichterstatter zugelassen werden. Nicht nur in Deutschland, auch international ist das Interesse an dem Verfahren sehr groß.

Die Zuständigen für das Münchner Justizzentrum an der Nymphenburger Straße, ein maroder Betonklotz aus den 1970er Jahren, haben in den letzten Wochen viel Kritik an der Prozessvorbereitung einstecken müssen. Viel zu wenig Plätze, keine freie Sicht auf die Angeklagten, programmiertes Chaos – so die Vorwürfe. Erstaunt zeigt sich Gerichtspräsident Huber darüber, dass Sebastian Edathy (SPD), Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, türkischen Vertretern in Ankara „ohne Rücksprache“ reservierte Plätze zur Verfügung gestellt habe. Huber habe kürzlich mit dem türkischen Generalkonsul darüber gesprochen, werde aber erst etwas dazu sagen, wenn man eine Lösung habe.

Bei früheren Münchner Großprozessen hatten die Verantwortlichen die Lage oft nicht im Griff. Beim Verfahren gegen den NS-Kriegsverbrecher John Demjanjuk Ende 2009 etwa kam es zu tumultartigen Szenen. Viele Angehörige von jüdischen Opfern standen stundenlang an, wurden nicht in den Saal gelassen und in abgesperrte Zonen gewiesen.

Gerichtspräsident Huber will nun Befürchtungen entkräften, dass es im NSU-Prozess ähnlich zugehen könnte. „Es ist eine große Herausforderung, wir haben mit besonderen Schwierigkeiten umzugehen“, sagt er. Das fängt mit der Fülle der Nebenkläger und deren Vertreter an: Der gesamte untere Bereich des Saales, in dem sonst Presse und Publikum sitzen, ist nun für sie reserviert. Sie haben neue Holztische erhalten mit Stromanschlüssen, eine Tonanlage wird für Simultanübersetzungen installiert, Zeugen werden bei ihren Vernehmungen auf Bildschirme übertragen. Auf den Einwand von Angehörigen der Mordopfer, dass sie womöglich keine freie Sicht auf die Hauptangeklagte Zschäpe hätten, geht das Gericht auch ein: Es gibt eine neue Anklagebank, die schräg in den Raum steht, so dass die Angeklagten von überall zu sehen sind. Für die Öffentlichkeit und die Medien steht nur die Empore des Saales mit seinen bisher 68 und künftig etwas über 110 Plätzen zur Verfügung, die hälftig verteilt werden.

Die Verlegung des Verfahrens in einen größeren Saal hält Huber nicht für möglich. „Dieser Schwurgerichtssaal ist der größte, den wir in München haben.“ Nach dem Umbau bietet er Platz für 250 Menschen – wären es mehr, sei der Prozess für einen Richter nur noch schwer beherrschbar. Auch andere große Gerichtssäle in Deutschland wie in Stuttgart-Stammheim oder Düsseldorf würden nicht mehr Platz bieten. In einem öffentlichen Saal gebe es nicht die nötigen baulichen Gegebenheiten, die Sicherheit könne nicht gewährleistet sein – und zudem sei dies gesetzlich nicht erlaubt.

Im Münchner Verhandlungssaal hingegen hat man Sicherheitszellen für die Angeklagten, gesicherte Gänge, Aufenthalts- und Beratungszimmer und Stauraum beispielsweise für 2000 Leitz-Ordner. Mit Blick auf mögliche Anschläge sieht Huber ein „erhebliches Gefährdungspotenzial“. Auch wird befürchtet, dass der Prozess Neonazis anziehen könnte. Sicherheitskräfte würden auf sie besonderes Augenmerk richten. Patrick Guyton

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