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Seit gut einem Jahr führen Cem Özdemir und Simone Peter die Grünen.

© dpa

Vor dem Parteitag: Die Grünen setzen auf Harmonie

Vor dem Parteitag am Wochenende versucht die Grünen-Führung, Konflikte zu entschärfen. Manch einer fürchtet schon, dass es in Hamburg zu harmonisch zugehen könnte.

Seit Monaten streiten sich die beiden Grünen-Chefs Simone Peter und Cem Özdemir auf offener Bühne – sehr zum Leidwesen vieler Parteifreunde. Dass es in einer Doppelspitze Zoff geben kann, verwundert bei den Grünen zwar keinen, zumal diese traditionell mit je einem Vertreter des Reformer-Flügels (Özdemir) sowie des linken Lagers (Peter) besetzt wird. Doch seit ihrer Wahl vor gut einem Jahr verfestigte sich bei vielen Grünen-Funktionären der Eindruck, dass die Parteivorsitzenden sich reflexhaft widersprechen. „Die beiden blockieren sich. Und das droht auch, die Partei zu blockieren“, fasst ein Mitglied des Parteirats das Dilemma zusammen.

Die beiden Parteivorsitzenden wollen sich künftig besser abstimmen

Dass es Unmut in der Partei gibt, scheint auch dem Führungsduo nicht entgangen zu sein. Intern heißt es, dass Peter und Özdemir sich in Zukunft besser abstimmen wollen. Kurz vor dem Parteitag am Wochenende in Hamburg sind in der Parteiführung alle bemüht, die Gemüter zu beruhigen. „Ich bin mir sicher, dass wir auch das Wechselspiel zwischen Solisten und harmonischem Chor noch besser hinbekommen“, sagt Bundesgeschäftsführer Michael Kellner ein wenig verklausuliert.

Mit einem Versöhnungsantrag sollen Grundsatzdebatten vermieden werden

Ein Antrag aus dem Realo-Flügel hatte in den vergangenen Wochen für Aufregung gesorgt, auch weil einige ihn als Kritik an der Führungsriege verstanden hatten. Darin fordert eine Gruppe rund um den hessischen Fraktionschef Mathias Wagner die Partei auf, Lehren aus der verlorenen Bundestagswahl 2013 zu ziehen und sich wieder stärker in die Mitte der Gesellschaft zu orientieren. Manch einer fürchtete schon, dass gleich zum Beginn des Parteitags am Freitag ein Grundsatzstreit über den strategischen Kurs der Grünen entbrennen könnte. Doch dazu wird es wohl nicht kommen. Denn nur wenig später kursierte in der Partei ein versöhnlicher Alternativantrag, der breit von Promis aus beiden Flügeln unterstützt wird, auch von Kontrahenten wie dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, einem Oberrealo, und dem linken Flügelmann und Ex-Spitzenkandidaten Jürgen Trittin. Und derzeit laufen Gespräche, selbst aus diesen beiden Anträgen noch einen gemeinsamen Text zu formulieren.

Ex-Parteichef Bütikofer wirbt dafür, "im Zweifel" lieber in der Sache zu streiten

So manch einer fürchtet, dass am Wochenende sogar ein bisschen zu viel Harmonie herrschen könnte. „Mir ist es im Zweifel lieber, wenn in der Sache gestritten wird“, hatte Ex-Parteichef Reinhard Bütikofer im Vorfeld an seine Parteifreunde appelliert. Aber auch aus den Ländern kam die Aufforderung, dass die Grünen nicht „sämtliche Probleme zukleistern“ mögen, die eigentlich „klar benannt, analysiert und ausdiskutiert“ werden müssten, wie es etwa Andreas Romppel formuliert, Mitglied im hessischen Landesvorstand.

Zu einer Abrechnung mit Winfried Kretschmann wegen des Asylkompromisses soll es nicht kommen

Wenn es nach der Parteitagsregie geht, soll es am Wochenende auch beim Konflikt um den Asylkompromiss, den Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Bundesrat mitgetragen hatte, versöhnlich zugehen. Der Bundesvorstand bemüht sich, in seinem Antrag zur Flüchtlingspolitik keine Schuldzuweisungen zu betreiben, sondern nach vorne zu schauen. Einigen in der Partei passt das nicht, sie wollen Kretschmanns Verhalten explizit als „Enttäuschung“ verurteilen. Oder ihn zumindest indirekt rügen, indem die Ablehnung des Kompromisses durch die sechs übrigen grün-mitregierten Länder ausdrücklich begrüßt wird.

Grüne wollen Nein zu Waffenlieferungen in Krisengebiete bekräftigen

In der Debatte über die Außenpolitik wollen einige Delegierte den Versuch unternehmen, Parteichef Özdemir und Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt für ihre jeweiligen Alleingänge eine kleine Ohrfeige mitzugeben. Özdemir hatte sich im Bundestag mit einer kleinen Gruppe von Grünen-Abgeordneten für Waffenlieferungen in den Irak stark gemacht. Die Verteidigungsexpertin im Bundestag, Agnieszka Brugger, plädiert nun gemeinsam mit Ex-Parteichefin Claudia Roth dafür, sich schärfer als bisher geplant gegen solche Waffenlieferungen in Krisengebiete auszusprechen. Außerdem soll der Parteitag nach ihrem Willen begrüßen, dass die grüne Bundestagsfraktion sich mehrheitlich gegen die Pläne der Bundesregierung entschieden hat, Waffen zu liefern. Gestrichen werden soll der Satz aus dem Antrag des Bundesvorstands, dass "auch die Gewissensfreiheit" der Abgeordneten respektiert werden solle, die zu einer anderen Einschätzung gelangt seien. Sollte Brugger sich mit dieser Formulierung durchsetzen, wäre das für Özdemir ein Dämpfer. Doch auch Göring-Eckardt muss sich Kritik gefallen lassen. Sie hatte Teile der Partei damit verärgert, dass sie deutsche Bodentruppen im Kampf gegen den IS ins Gespräch gebracht hatte. Eine Gruppe von Grünen-Politikern, zu denen auch Antje Vollmer gehört, will nun gegen diesen "Tabubruch" vorgehen: Mit oder ohne UN-Mandat dürften keine deutschen Bodentruppen in den Irak oder nach Syrien entsandt werden, fordern sie.

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