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Die Spitzenkandidaten der Landtagswahl 2016 in Baden-Württemberg, Jörg Meuthen (l-r, AfD), Hans-Ulrich Rülke (FDP), Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Guido Wolf (CDU), Nils Schmid (SPD) und Bernd Riexinger (Die Linke) debattieren bei einer Podiumsdiskussion der "Stuttgarter Zeitung".

© dpa

Vor den drei Landtagswahlen: Es kündigt sich Großes an

Die Umfragen vor den Landtagswahlen deuten eine Verschiebung in der politischen Landschaft mit grundlegend veränderten Verhältnissen an. Eine Zeit wie Weimar? Ein Kommentar.

Zäsur – oft darf man dieses Wort in der Politik ja nicht benutzen. Sonst nutzt es sich ab. Aber wenn man die Umfragen vor den jetzt kommenden Landtagswahlen betrachtet, dann kommt es einem in den Sinn. Hier kündigt sich Großes an: übergeordnet über alle drei Bundesländer hinweg eine Verschiebung in der politischen Landschaft mit grundlegend veränderten Verhältnissen in unseren Parlamenten. Mit links wie rechts mehreren Parteien und daraus folgend der Notwendigkeit von Koalitionen aus mehr als zwei Partnern, weil es sonst zum Regieren nicht reicht. Italienische Verhältnisse, könnte man sagen. Oder: eine Zeit wie Weimar.

Woher das kommt? Dazu ein Blick auf die bisher sogenannten „Großen“.

Die SPD ist auf einem Opfergang. Sie leistet fast überall und stets gute Arbeit, ist zuverlässig als Koalitionspartner. Aber sie verliert und verliert. Im Bund steht sie mit mehr als 23 Prozent im Vergleich zu den Ländern noch gut da; strukturell ist sie eigentlich schon unter 20 Prozent, sinkend. 18 Prozent wären mancherorts schon ein schönes Ergebnis.

Warum nicht zu erwarten ist, dass die AfD schwächer wird

Das hat mit vielem zu tun, mit Vergangenheit und Gegenwart, mit der Linken, den Grünen, der AfD. Alle zehren von der SPD: Linker als die Linken kann sie nicht sein, grüner als die Grünen und zugleich schwärzer als sie auch nicht, und wenn es um die Kleinbürger geht, ist die AfD eine Alternative. Die liegt ja in Teilen schon vor der SPD. Und doch darf sie nicht anders werden, als sie ist, nicht anders als regierungsstark und regierungstreu und gut sozialdemokratisch. Die SPD muss sich in der Mitte halten, weil sie an den Rändern nur noch mehr verlieren kann. Das ist ihre Rolle: das gut funktionierende Scharnier in Koalitionen, ob sie führt oder nicht.

Die CDU ist aber auch auf einem Opfergang. Sie macht nach Jahren moderater Politik bis hin zur eigenen Unkenntlichkeit jetzt wieder christlich-demokratische und christlich-soziale und zahlt den Preis dafür. Neben ihr, rechts der Mitte, ist die AfD aufgekommen. Dass die AfD rasch schwächer wird, ist nicht zu erwarten. Wenn nämlich richtig ist, dass das europäische Flüchtlingsthema größer ist als die deutsche Wiedervereinigung – dann ist es nicht morgen und nicht übermorgen beendet. Zumal es auch nicht nur von Flüchtlingen handelt, sondern von Nation und Identität und Integration und dem Bild der Gesellschaft der Zukunft. Das alles zusammengenommen wird Jahre der Debatte erfordern, gar provozieren, und Jahre politisch in unterschiedlichen Phasen und Ausprägungen wirksam bleiben.

Die CDU aber kann nicht mehr zurück und nicht weiter nach rechts rücken, wenn sie sich nicht aufs Neue beschädigen will. Was zugleich bedeutet, dass sie wohl nie mehr die 40 Prozent früherer Zeiten schaffen wird, in aller Regel in den Ländern nicht einmal mehr deutlich über 30. Die Globalisierung mit ihrer Differenzierung schlägt sich jetzt in unserem Parteiensystem nieder. Aber konnten wir anderes erwarten? Wir sind bisher nur länger als andere verschont worden.

Noch ein Wort zum Wort „Weimar“. Richtig, Geschichte wiederholt sich nicht, und unsere Demokratie ist stark. Aber die Anfälligkeit von Demokratien für Anti-Etablierte ist geblieben und die Faszination, die Wutbürger auslösen können, auch. Was, dies als Letztes, ein Blick über den Atlantik lehrt. Unser Donald Trump kann noch kommen.

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