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Politik: Vor den Protesten: Rot-Grün bleibt hart

Regierung will Reformkurs nicht aufgeben / Hunderttausende zu Demonstrationen gegen Sozialpolitik erwartet

Von Matthias Meisner

Berlin. Einen Tag vor den Großdemonstrationen gegen Sozialabbau an diesem Samstag hat die rot-grüne Bundesregierung klargestellt, dass sie nicht von ihrem Kurs abrücken will. Kanzler Gerhard Schröder gab aber zu, dass die Belastungen aktuell spürbar seien, positive Wirkungen erst später eintreten würden. Grünen-Chefin Angelika Beer sagte dem Tagesspiegel, ihre Partei werde „vom klaren Reformkurs“ nicht abweichen. Wer einen Stopp der Agenda 2010 fordere, müsse „die Alternative kennen: Die Zerschlagung unserer Sozialsysteme durch CDU/CSU“. Derweil gab es heftigen Streit um die pauschale Heraufsetzung von Arbeitszeiten.

Von M. Meisner, H. Monath

und R. v. Rimscha

Verdi-Chef Frank Bsirske drohte im Streit über längere Arbeitszeiten mit Streik im öffentlichen Dienst. DGB-Chef Michael Sommer kündigte einen „Großkonflikt“ an. CDU- Chefin Angela Merkel forderte Bsirske auf, „die Realität zur Kenntnis zu nehmen“, und erklärte ihre Unterstützung für den Kurs der Länder. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), dessen Kabinett eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 42 Stunden beschlossen hat, rügte Bsirskes „Irrglauben, das Geld werde vom Himmel fallen“. Bayern habe alle Verträge ordentlich gekündigt, daher gebe es „überhaupt keinen Streikgrund“.

Sommer ist Hauptredner auf der Kundgebung in Berlin, zu der neben dem DGB unter anderem Attac, Sozialverbände, Kirchen und Friedensgruppen aufrufen. Proteste sind auch in Köln und Stuttgart geplant. Die Veranstalter vermieden es, Teilnehmerzahlen vorauszusagen. Intern wurde allerdings mit mehreren hunderttausend Teilnehmern gerechnet, allein in Berlin mit über 100 000.

Schröder sprach im WDR von „Erklärungsnot“ für seinen Reformkurs. Die Gewerkschaftsmitglieder müssten aber auch ihren Kindern verpflichtet sein. „Ihr habt Kinder, ihr habt Enkel. Auch an die muss gedacht werden.“ SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter hatte eine Änderung des rot-grünen Reformkurses als Reaktion auf die Demonstrationen kategorisch ausgeschlossen.

Auch Grünen-Fraktionschefin Krista Sager sagte dem Tagesspiegel: „Die Regierung wird ihren Kurs nicht ändern.“ Reformen bei Gesundheit oder Rente zurückzunehmen würde bedeuten, „dass die Beiträge steigen würden“. An die Gewerkschaften appellierte Sager, nicht nur mit Konfrontation auf die Politik der Koalition zu reagieren, sondern sie etwa im Bemühen um eine Ausbildungsplatzumlage zu unterstützen. Grünen-Chefin Beer sagte jedoch, ihre Partei werde es „nicht ignorieren“, wenn Hunderttausende gegen Sozialabbau demonstrierten. Kritik an Teilen der Agenda 2010 sei berechtigt. Besondere Härten für Langzeitarbeitslose oder die Pauschale für Arztbesuche habe aber erst die Opposition im Bundesrat erzwungen.

DGB-Sprecher Hilmar Höhn betonte, die Gewerkschaften wollten einen Kurswechsel und appellierten damit an alle politischen Parteien. DGB-Chef Sommer sagte dem „Handelsblatt“, eine „atmosphärische Verbesserung“ des Verhältnisses von DGB und SPD reiche nicht. Die Regierung müsse bereit sein, „falsche Positionen zu revidieren“. In der Bevölkerung sind die Meinungen zum Reformkurs der Regierung laut aktuellen Umfragen geteilt.

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