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Im Bundesrat ging es am Freitag überraschend harmonisch zu.

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Vor der Bundestagswahl 2013: Harmonie zum Ausklang im Bundesrat

Die rot-grüne Oppositionsstrategie im Bundesrat fiel in den letzten Wochen moderater aus als gedacht. Auch weil Schwarz-Gelb nachgiebig war. Die aktuellen Umfragen spielen aber auch eine Rolle.

Es war eine hohe Dosis Harmonie, die sich der Bundesrat am Freitag gegönnt hat – eigentlich verwunderlich, naht doch die Bundestagswahl. Die Opposition hat seit Februar eine Mehrheit in der Länderkammer. Und was noch wichtiger ist, auch im Vermittlungsausschuss. Das sollte genutzt werden. Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, schlüpfte dafür im Frühjahr sogar in die Rolle des Oppositionsdirigenten, um eine Konfliktsymphonie in vier Sätzen mit viel Forte und dissonanten Akkorden zur Aufführung zu bringen, sich steigernd von Bundesratssitzung zu Bundesratssitzung, mit großem Finale zum Sommer hin, das zeigen sollte: Rot-Grün hat die Mehrheit im Land, ablesbar an den Mehrheitsverhältnissen in den Ländern und damit in der Länderkammer. Ein Machtkampf der Kammern bahnte sich an, schwarz-gelber Bundestag gegen rot-grünen Bundesrat.

Aber am Ende wurde eher eine kleine Sinfonietta in Dur aufgeführt. Die Dissonanzen hielten sich in Grenzen. Der große Konflikt – er fand nicht statt. Rot- Grün hat keine harte Blockadepolitik gefahren wie einst Oskar Lafontaine vor dem rot-grünen Wahlsieg 1998. Und falls in der Bundesführung von SPD und Grünen jemals jemand daran gedacht haben sollte: Die Landespolitiker haben es nicht mitgemacht. Auch wenn einige von ihnen jetzt vehement für eine allein auf Rot-Grün zielende Wahlkampfstrategie plädiert haben, unter Ausschluss einer großen Koalition. Die freilich im Verhältnis Bund – Länder in den letzten Wochen informell praktiziert wurde.

Und das hat reihenweise zu Kompromissen im Vermittlungsausschuss geführt. Allein am Freitag wurden sieben Vermittlungsverfahren durch positive Abstimmung im Bundesrat erfolgreich beendet. Das lag zum einen an einer neuen Geschmeidigkeit auf Seiten der Regierungskoalition, die plötzlich in erheblichem Maß für Oppositionswünsche offen war. Und die rot-grüne Abteilung, nicht zuletzt die Landespolitik, blieb maßvoll und hängte die Verhandlungserfolge nicht ständig an die ganz große Glocke. Auch haben Union und SPD Eigenwilligkeiten von Grünen oder FDP, wie noch beim zwischenzeitlich aufs Abstellgleis geratenen Jahressteuergesetz, zuletzt nicht mehr zugelassen. Denn hier ging es um die Etats, nicht zuletzt um das Schließen von Steuerschlupflöchern, und die Finanzministerien werden nicht oft und nicht gern den kleinen Parteien überlassen.

Wobei man nicht übersehen darf, dass einige schwarz-gelbe Projekte am Bundesrat zerschellt sind. Zum Beispiel das Steuerabkommen mit der Schweiz, das der Opposition zu günstig für langjährige Steuerhinterzieher ausgefallen war. Oder der Abbau der kalten Progression zugunsten der Mittelverdiener bei der Einkommensteuer, das vor allem der FDP als Ausgleichsmaßnahme für die ausgefallene größere Steuerreform dienen sollte. Rot-Grün blockierte, obwohl der Bund großes Entgegenkommen zeigte, was die Auswirkungen auf die Landesetats betraf. Das Thema dürfte nun im Wahlkampf eine nicht geringe Rolle spielen.

Aber das Gesetz zur Atommüll-Endlagersuche ist, wider Erwarten, nun doch noch vor der Wahl im September verabschiedet worden. Obwohl der dritte Zwischenlagerstandort, von SPD-Politikern fast ultimativ gefordert, noch immer nicht feststeht – jedenfalls nicht offiziell (es läuft auf Bayern oder Hessen hinaus). Zum Kompromiss gehörte nun, dass die Expertenkommission, die das Endlager suchen soll, größer sein wird als ursprünglich geplant. Der monatelange Streit um die innerstaatliche Umsetzung des EU-Fiskalpakts ist schnell beendet worden – im Zusammenhang mit dem Fluthilfefonds, bei dem der Bund in Vorleistung geht, damit die Länder sich nicht finanziell überfordert fühlen. Und nicht nur das: Der Bund wird, wie von den Ländern gefordert, bestimmte Zuschüsse für Nahverkehr, Wohnungsbau und Hochschulen in voller Höhe bis 2019 leisten und nicht vorher abschmelzen. Dabei ging es um 2,6 Milliarden Euro.

Zu den Profiteuren der Harmonie gehört auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU): Dessen Reform des Flensburger Punkteregisters stimmte der Bundesrat am Freitag zu, nachdem Bedenken der Länder bei den Fahreignungsseminaren aufgegriffen wurden. Die Seminarteilnahme ist jetzt nicht mehr verbindlich, sondern freiwillig. Verkehrssünder können durch den Kurs einen Punkt abbauen, Ramsauer hatte einen Ablass von zwei Punkten vorgesehen. Zügig einig wurden sich Bund und Länder zuletzt im Vermittlungsausschuss auch bei der Reform der Gerichtskosten und der Prozesshilfen.

Dass der Widerstand aus dem Bundesrat am Ende ein wenig moderater und leiser ausfiel, aber möglicherweise auch zu länderfreundlichen Ergebnissen führte, hängt auch mit den aktuellen Umfragen zusammen: Rot-Grün dominiert zwar in den Ländern, aber nicht bei den Demoskopen. Die große Koalition ist eine Möglichkeit nach dem 22. September. Schwarz-Grün ebenfalls, denn in der SPD gibt es eine Stimmung, die im Falle, dass Rot-Grün nicht klappen sollte, eher auf Opposition setzt. Auch eine Ampelkoalition ist nicht völlig aus der Welt, und das heißt, dass SPD und Grüne die FDP pfleglicher behandeln. Insgesamt, sagt ein alter Fahrensmann im Bundesrat, sei der Ton zwischen den Parteien für eine Wahlkampfphase doch recht moderat gewesen.

Eine Übersicht über die Beschlüsse des Tages finden Sie hier.

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