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Freigang. Gustl Mollath vor seiner Buchvorstellung.

© dpa

Vor der Entscheidung: Gustl Mollath hat noch nicht verloren

Die Wiederaufnahme seines Verfahrens wurde zwar abgelehnt, aber damit hat Gustl Mollath noch nicht verloren. Sechs Gründe kennt das deutsche Recht, die zur Wiederaufnahme eines Strafprozesses führen.

Der Fall des Gustl Mollath, der seit sieben Jahren in der Psychiatrie sitzt, geht juristisch in die entscheidende Phase. Drei Gerichte werden sich in den nächsten Monaten noch einmal mit seinem alten Strafverfahren von 2006, aber auch mit der umstrittenen Frage befassen, ob der 56-Jährige tatsächlich unter einem Verfolgungswahn leidet oder ob die bisherigen Gutachten mangelhaft waren. Schauplätze werden das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg, das OLG Bamberg und das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sein.

Eines lässt sich schon jetzt sagen: Die beiden Anwälte Mollaths, Gerhard Strate (Hamburg) und Michael Kleine-Cossack (Freiburg), haben eine schwere Aufgabe vor sich. Denn die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zählt in Deutschland zur seltenen Ausnahme. Grund sind die hohen gesetzlichen Hürden. Zwei Fälle wurden bundesweit bekannt: Der Kindesmord-Prozess gegen Monika Weimar in den 80er Jahren, der komplett neu aufgerollt wurde. Es blieb danach bei ihrer Verurteilung wegen Mordes.

Anders verlief der Wiederaufnahmeprozess gegen Harry Wörz 2010. Er wurde wegen versuchten Totschlags seiner Ex-Frau verurteilt, zwölf Jahre später aber vom Landgericht Mannheim endgültig freigesprochen. Im Fall Mollath hat das Landgericht Regensburg die Wiederaufnahme am Mittwoch erst einmal abgelehnt, weil kein nach der Strafprozessordnung zulässiger Wiederaufnahmegrund vorliege. Das wird jetzt das OLG Nürnberg in letzter Instanz überprüfen. Das Landgericht kam bisher zu dem Schluss, der Richter habe in Mollaths Prozess von 2006 zwar Fehler gemacht, die seien aber nicht strafbar gewesen. Das klingt zynisch, gibt aber exakt die Gesetzeslage wieder. Das deutsche Recht kennt sechs Gründe, die zur Wiederaufnahme eines Strafprozesses führen.

Neue Beweismittel?

Einer davon ist, dass ein am Urteil beteiligter Richter nachweisbar eine strafbare Amtspflichtverletzung begangen hat. Man muss einem Richter also Straftaten wie Rechtsbeugung oder Bestechlichkeit im Amt nachweisen, um die Neuauflage eines abgeschlossenen Prozesses zu erreichen. Rechtliche Fehler oder Schlamperei genügen laut Gesetz nicht. Wenn es in der Gerichtspraxis zu Wiederaufnahmen kommt, dann meist wegen neuer Tatsachenbeweise. Aber auch hier reicht es nicht, dass früher vorliegende Beweise in einem neuen Licht erscheinen.

Es müssen vielmehr Tatsachen sein, die noch nicht bekannt waren. Gustl Mollath bestritt 2006 in seinem Strafprozess wegen gefährlicher Körperverletzung, seine Ex-Frau gewürgt zu haben. Sie wolle sich durch falsche Beschuldigungen an ihm rächen, weil er aufgedeckt habe, das sie Schwarzgeld für Kunden ihrer früheren Bank über die Grenze brachte. Das Gericht hielt sich zu Mollaths Anschuldigungen bedeckt, sah die Körperverletzung seiner Frau dagegen als erwiesen an. Einige von Mollaths Vorwürfen haben sich bestätigt.

Sein Verteidiger wollte auch dies vom Landgericht als „neue Tatsachen oder Beweismittel“ anerkennen lassen, durch die eine Wiederaufnahme gerechtfertigt werden könnte. Er berief sich dazu auf den Sonderrevisionsbericht der Hypovereinsbank vom März 2003, der dem Gericht damals noch nicht bekannt war und der auch in den TV-Dokumentationen eine Rolle gespielt hat, die den Fall bekannt gemacht hatten. Hierzu stellte das Landgericht Regensburg fest, der Bankbericht „belegt gerade nicht die vom Untergebrachten behaupteten Schwarzgeldverschiebungen, die sich vor allem in Form von Bargeldtransfers von Deutschland in die Schweiz manifestiert haben sollen“.

Zudem hätten die Richter es in Mollaths Urteil als möglich unterstellt, dass es solche Schwarzgeldverschiebungen gegeben haben könnte. Ausweislich der Urteilsgründe hätte der Gutachter seine Diagnose von Mollaths Wahn aber nicht darauf gestützt, sondern auf ein „paranoides Gedankensystem“ im Umgang mit der Thematik und Mollaths „Größenfantasien“. Ob der Bericht dennoch als „neue Tatsache oder Beweismittel“ gelten kann, wird nun das OLG Nürnberg entscheiden. Verteidiger Strate stützt sich aber noch auf einen weiteren Grund.

Umstrittene Gutachten

Eine Wiederaufnahme ist nämlich auch dann anzuordnen, wenn eine verfälschte Urkunde zuungunsten des Angeklagten als echt bewertet wurde. Strate sieht in dem ärztlichen Attest, das die Halsverletzungen von Mollaths Ex-Frau belegen soll, schwere Mängel. Das Landgericht Regensburg entschied dagegen, an dem Arzt-Attest könne es keine Zweifel geben, es handele sich um eine „echte Urkunde“. Bleibt als möglicher Grund für eine Neuauflage eine falsche Zeugenaussage. Nachgewiesen werden müsste, dass Mollaths Ex-Frau log, als sie vor Gericht von Misshandlungen sprach.

Aber nicht nur der Strafprozess gegen Mollath ist umstritten, sondern auch die Gutachten, die ihm weiterhin Verfolgungswahn und Gemeingefährlichkeit attestieren. Das OLG Bamberg hat inzwischen beanstandet, dass die Bayreuther Richter kein neues Gutachten in Auftrag gaben, bevor sie Mollaths weitere Unterbringung beschlossen. Das muss nun nachgeholt werden. Davon wird entscheidend abhängen, ob Mollath aus der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie in Bayreuth entlassen wird oder nicht.

Das Bundesverfassungsgericht prüft derweil ebenso Mollaths Unterbringung. Anwalt Kleine-Cossack rügt, die 2011 erneut verfügte Unterbringung verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Spätestens bis zum Jahresende soll die Entscheidung aus Karlsruhe vorliegen, das Gericht hat bereits Stellungnahmen des Generalbundesanwalts und des bayerischen Justizministeriums verlangt.

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