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Der zurückgetretene Ministerpräsident Alexis Tsipras kämpft um seine Wiederwahl in Griechenland.

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Update

Vor der Griechenland-Wahl: Alexis Tsipras und Evangelos Meimarakis liegen gleichauf

Die Griechenland-Wahl am Sonntag verspricht große Spannung: Syriza-Chef Alexis Tsipras und der Konservative Evangelos Meimarakis liegen in Umfragen fast gleichauf. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Wahl.

Griechenland hat alle Vorbereitungen für die Parlamentswahl am Sonntag abgeschlossen. Dies erklärte am Samstag die griechische Interims-Regierungschefin Vasiliki Thanou in Athen. Der Wahlkampf war am späten Freitagabend zu Ende gegangen.

Knapp zehn Millionen Griechen sind am Sonntag aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Ministerpräsident Alexis Tsipras war nach der Durchsetzung der Kreditvereinbarung im Parlament Ende August als Regierungschef zurückgetreten, um sich mit Neuwahlen seine Linie bestätigen zu lassen. Der Ausgang der Abstimmung in Griechenland ist allerdings völlig offen: Das Linksbündnis Syriza des Ex-Ministerpräsidenten liegt jüngsten Umfragen zufolge mit der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) unter ihrem Vorsitzenden Evangelos Meimarakis nahezu gleichauf.

Wie eng ist das Rennen?

Nachdem die Frustration vieler Griechen über den Sparkurs im Januar Syriza mit 36 Prozent der Stimmen den Wahlsieg bescherte, schwingt das Pendel nun offenbar zurück: Die oppositionellen Konservativen konnten unter ihrem neuen Chef Meimarakis eine rasante Aufholjagd hinlegen, während Syriza in den Umfragen massiv an Unterstützung verliert. In einer Umfrage des Instituts für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität von Thessaloniki, die am Montag und Dienstag durchgeführt wurde, liegt die ND mit 30 Prozent hauchdünn vor Syriza mit 29,5 Prozent. Eine Untersuchung des Instituts Kapa Research, die am Dienstag und Mittwoch erhoben wurde, sieht Syriza mit 29 Prozent ebenso knapp vor der ND, die demnach auf 28,4 Prozent kommt.

Wie hoch wird die Wahlbeteiligung sein?

Es ist die fünfte Parlamentswahl seit Beginn der Krise und bereits der dritte Urnengang in diesem Jahr, die Volksabstimmung von Juli mitgezählt – für manche ist das zu viel. „Wir wählen und wählen, aber nichts ändert sich“, sagt die Griechin Ioanna Giotaki – und wird am Sonntag nicht zur Wahl gehen. In den Umfragen sagten fast vier von zehn Befragten, sie interessierten sich „wenig“ oder „gar nicht“ für diese Wahl. Wahlforscher beziffern die Zahl der Unentschlossenen auf rund 650.000.

Wie argumentiert Alexis Tsipras für seine Wiederwahl?

Alexis Tsipras verspricht einen neuen Anfang. „Wir haben die Kraft, die Kenntnis und die Leidenschaft, dieses Land zum Besseren zu verändern“, ruft er Zuhörern zu. Hört man Tsipras zu, bekommt man den Eindruck, er kandidiere zum ersten Mal und habe nicht schon seit Januar regiert. Von der jüngsten Vergangenheit spricht der zurückgetretene Ministerpräsident selten. Die Bankenschließungen, die Kapitalkontrollen, die Steuererhöhungen – diese dunklen Kapitel seiner ersten sieben Regierungsmonate spart er aus. So sehr Tsipras im Wahlkampf die Zukunft beschwört: Es geht bei dieser Abstimmung auch um die Vergangenheit. Dass er in den vergangenen sieben Monaten fast keines seiner Wahlversprechen einlösen konnte, sondern den Griechen ein neues Sparprogramm zumuten muss, ist die schwerste Hypothek des Syriza-Chefs.

Wie wirbt Nea Dimokratia um Wähler?

Zum Wahlkampfabschluss ging Oppositionsführer Evangelos Meimarakis mit dem Syriza-Chef Alexis Tsipras hart ins Gericht. Tsipras habe bei der letzten Parlamentswahl im Januar die Stimme des Volkes mit falschen Versprechungen „entwendet“ und das Land mit falschen Entscheidungen in eine Katastrophe geführt, sagt Meimarakis. Der Chef von Nea Dimokratia nannte Tsipras einen Verkäufer leerer Versprechen. Doch auch der Oppositionsführer wird von seiner politischen Vergangenheit belastet. In den Augen vieler Griechen ist der 61-Jährige, der seit immerhin 26 Jahren im Parlament sitzt, ein typischer Repräsentant jener alten politischen Klasse, die das Land mit Vetternwirtschaft und Schuldenmachen ruiniert hat. „Griechenland hat sich geändert, wir haben uns geändert, wir machen dieselben Fehler nicht noch einmal“, sagt Meimarakis.

Welche Koalitionen kommen infrage?

Sowohl Syriza unter Alexis Tsipras wie auch Nea Dimokratia, die schon im Juli im griechischen Parlament gemeinsam mit der Regierung für das neue Hilfspaket stimmte, bekennen sich zur Umsetzung der Reformen. Das könnte eigentlich für die Bildung einer großen Koalition sprechen. Denn es gilt als sicher, dass keine der beiden großen Parteien eine absolute Mehrheit der Mandate erreichen wird. Meimarakis ist zu einer großen Koalition bereit, Tsipras lehnt sie bisher strikt ab. Doch auch die Fortsetzung seiner bisherigen Koalition ist fraglich, weil die Rechtspopulisten „Unabhängige Griechen“ um den Einzug ins Parlament bangen müssen. In Griechenland sind für den Einzug ins Parlament drei Prozent notwendig.

Evangelos Meimarakis will mit der konservativen Partei Nea Dimokratia stärkste Kraft im griechischen Parlament werden.
Evangelos Meimarakis will mit der konservativen Partei Nea Dimokratia stärkste Kraft im griechischen Parlament werden.

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Welche Rolle spielen die anderen Parteien?

Auch der Kampf um den Platz als drittstärkste Kraft ist spannend. Einer Umfrage des Instituts Metrisi vom Freitag zufolge liegt die faschistische „Goldene Morgenröte“ mit 5,6 Prozent auf Platz drei. Andere Umfragen in dieser Woche trauen ihr sogar über sieben Prozent zu. Metrisi zufolge kann die kommunistische KKE mit 5,4 Prozent rechnen. Beide Parteien scheiden für die Koalitionsbildung mit Syriza faktisch aus. Es folgen die sozialdemokratische Pasok mit 5,1 Prozent und die liberale „To Potami“ mit 4,7 Prozent. Chancen auf den Einzug ins Parlament hat auch noch die linksextreme Syriza-Abspaltung „Volkseinheit“. Insgesamt konkurrieren bei der Wahl 14 Parteien und fünf Wahlbündnisse um die Wählerstimmen.

Was erwartet Berlin von der Wahl?

Kanzlerin Angela Merkel hat sich demonstrativ nicht in den Wahlkampf eingemischt – im Gegensatz etwa zum Linke-Fraktionschef Gregor Gysi, der noch am Freitagabend zur Unterstützung des amtierenden Regierungschefs Alexis Tsipras in Athen erwartet wurde. Dass die Kanzlerin der konservativen Nea Dimokratia viel Erfolg wünscht, darf dennoch angenommen werden. Eine klare Botschaft sendet Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Sein Sprecher Martin Jäger sagt: „Es ist das verbindlich, was für Griechenland verabredet worden ist.“

Mit anderen Worten: Wer auch immer in Griechenland an die Macht kommt, das Regierungsprogramm steht schon fest. Es sind die Spar- und Reformversprechen, die Tsipras im Sommer auf massiven Druck hin abgegeben und die das griechische Parlament mit großer Mehrheit gebilligt hat. Nichts fürchtet die Bundesregierung mehr als eine Regierung in Athen, die über Teile des Programms neu verhandeln möchte. Allenfalls über Schuldenerleichterungen könne gesprochen werden, heißt es, aber nur dann, wenn eine erste Überprüfung im Herbst Fortschritte bei der Umsetzung der Reformen belege.

Ob nun Tsipras oder Meimarakis die neue Regierung führen wird, ist der SPD hingegen relativ egal. Ihr Fraktionsvize Axel Schäfer warnt allerdings unabhängig vom Wahlausgang Schäubles Finanzministerium vor „Arroganz und Besserwisserei“ gegenüber den Griechen. (mit rtr/dpa)

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