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Die Linke mal einig - der Kompromiss zur Präambel dürfte in Hamburg eine breite Mehrheit finden.

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Update

Vor Europa-Parteitag: Linke legt Streit über Wahlprogramm bei

Kurz vor dem Europa-Parteitag der Linken ist der Streit um das Wahlprogramm beigelegt worden. Genossen aus Ost und West verständigten sich auf einen EU-kritischen Kompromiss. Derweil verlangte Vize-Chefin Sahra Wagenknecht eine Debatte zur Zukunft des Euro.

Von Matthias Meisner

Mit deutlicher Kritik an der Europäischen Union will die Linkspartei in den Europawahlkampf ziehen. Zwei Tage vor Beginn des Europa-Parteitages in Hamburg verständigten sich führende Repräsentanten aus Ost und West auf eine neue Fassung der Präambel. Es wird damit gerechnet, dass der Parteivorstand auf einer Sitzung an diesem Freitag den Kompromiss übernimmt, der zwischen einer Gruppe um die Fraktionschefin im EU-Parlament, Gabi Zimmer, und Vertretern des hessischen Landesvorstandes ausgehandelt wurde.

"Der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte", heißt es nun im Programmtext. Die Linke weist darin die Behauptung zurück, dass es "keine Alternative" zur gegenwärtigen EU-Politik gebe. "Die marktradikale Politik in der Europäischen Union und die Durchsetzung unsozialer Sparzwänge, wie sie gegenwärtig - unter maßgeblichem deutschen Einfluss - vorangetrieben werden, bedrohen die europäische Solidarität." Die EU habe ihr Ziel, "Frieden - auch sozialen - zu schaffen und zu erhalten, aus den Augen verloren". Mit der Kürzungs- und Privatisierungspolitik sowie dem Fiskalpakt würden "auf breiter Front soziale Errungenschaften zunichte gemacht, zivile und gesellschaftliche Rechte beschnitten, die Demokratie ausgehöhlt und Menschenrechte mit Füßen getreten".

In der Präambel sollen auch die mit der EU verbundenen Chancen betont werden

Der Kompromiss betont aber auch die Chancen, Europa sozialer, gerechter, friedlicher und weltoffener zu machen. Eingeleitet werden soll das Programm mit einem Zitat des früheren Parteichefs Lothar Bisky, der im August vergangenen Jahres gestorben war. "Friedliche Lösung von Konflikten, individuelle Freiheitsrechte, solidarisches und demokratisches Zusammenleben: Das sind die Erwartungen, die Menschen in den Mitgliedsstaaten an die EU-Mitgliedschaft haben. An deren Erfüllung müssen wir gemeinsam arbeiten", hatte der Europaabgeordnete einen Monat vor seinem überraschenden Tod erklärt.

André Brie
André Brie

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Die Auseinandersetzungen um das Europawahlprogramm der Linken hatten sich zu Jahresanfang zugespitzt. Die Kritik entzündete sich an einer Passage, die auf einer Parteivorstandssitzung im November unter maßgeblichem Einfluss des linken Parteiflügels um Sahra Wagenknecht in den Entwurf gestimmt worden war, den die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger vorgelegt hatten. Demnach sollte die EU im Wahlkampf als "neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht" angeprangert werden. Nach heftiger, auch innerparteilicher Kritik - unter anderem von Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi - hatte der Parteivorstand am vergangenen Wochenende entschieden, diese Sätze zu streichen.

Zur Präambel lagen zuletzt zwei Alternativentwürfe vor. Einen hatte eine Gruppe um die Ex-PDS-Vorsitzende Gabi Zimmer eingereicht und dafür 150 Unterstützungsunterschriften gesammelt. Den andere Neufassung der Präambel hatte der hessische Landesvorstand vorgeschlagen. Der nun vorliegende Entwurf vereint beide Anträge in einem Papier. Den Kompromiss handelten in der Nacht zu Donnerstag Zimmer sowie der Berliner Landesvorsitzenden Klaus Lederer auf der einen Seite sowie die hessischen Landesvorsitzenden Heide Scheuch-Paschkewitz und Ulrich Wilken auf der anderen Seite aus. Aus dem Umfeld der Parteiführung hieß es anschließend, es sei gut, dass die einhellige Bitte der Parteivorsitzenden und er Landeschefs auf eine Verständigung "ein Echo gefunden" habe. In Hamburg sei nun eine "breite Mehrheit" für die nun vorgeschlagene Präambel "wahrscheinlich".

Derweil kritisierte der frühere Linken-Chef Oskar Lafontaine die Entscheidung des Parteivorstandes, die umstrittene Passage zur "neoliberalen, militaristischen und weithin undemokratischen" EU im Programmentwurf zu streichen. "Auch wenn der Satz gestrichen wurde, an anderen Stellen im Programmentwurf finden sich ähnliche Aussagen wieder", sagte Lafontaine der "Saarbrücker Zeitung". Die ganze Debatte sei ein "Sturm im Wasserglas". Zudem hätten Fraktionschef Gysi und er schon 2007 ein Memorandum gleichen Inhalts veröffentlicht. "Darin warnen wir zum Beispiel vor einer zunehmenden Militarisierung der EU-Außenpolitik", sagte Lafontaine.

Wagenknecht: Der Euro spaltet Europa

Die stellvertretende Linken-Chefin Sahra Wagenknecht verlangte in einem Interview mit "Zeit online" eine Debatte zur Zukunft des Euro. "Tatsächlich muss man darüber nachdenken, unter welchen Bedingungen eine gemeinsame Währung funktioniert", sagte sie." So wie der Euro eingeführt wurde, funktioniert er nicht, sondern spaltet Europa." Sie fügte hinzu: "Eine Auflösung der Gemeinschaftswährung darf nicht so laufen, dass die Wechselkurse der Spekulation überlassen werden. Es  muss Institutionen geben, die die Wechselkurse auf dem Währungsmarkt stabil halten. Und es braucht Kapitalverkehrskontrollen."

In Hamburg soll auch die Bundesliste für die Europawahl aufgestellt werden. Für die Spitzenkandidatur gilt Zimmer als gesetzt. Schon für Platz zwei wird die erste Kampfabstimmung erwartet - zwischen Tobias Pflüger vom linken Parteiflügel und dem WASG-Mitbegründer Thomas Händel, der bisher schon im Europaparlament sitzt. Der frühere Europaabgeordnete André Brie wird sich nicht mehr um einen Sitz im Europaparlament bemühen. Brie zog seine Kandidatur zurück, wie Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn auf seiner Facebook-Seite bestätigte. Höhn dankte Brie "für sein großes Engagement für die europäische Idee". Er fügte hinzu: "Ich freue mich schon heute auf die nächste inspirierende Wortmeldung von ihm." Brie nannte fehlende Unterstützung als Grund für den Verzicht auf eine Kandidatur: "Eine weitere Auseinandersetzung möchte ich weder den Führungen der Partei, noch den Delegierten oder mir selbst antun", erklärte der Landtagsabgeordnete in Schwerin.

Brie gilt nach einem schweren Unfall im März 2012, bei dem er die Kellertreppe seines Hauses in Mecklenburg-Vorpommern hinabstürzte, bis heute als gesundheitlich angeschlagen. 2009 hatte ihn die Linke nicht erneut für das Europaparlament aufgestellt, ebenso wie seine damalige EU-Fraktionskollegin Sylvia-Yvonne Kaufmann. Kaufmann wechselte bald darauf zur SPD, während Brie der Linken treu blieb. Ihre neue Partei will Kaufmann bei der Europawahl im Mai ein Comeback im EU-Parlament ermöglichen.

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