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Panzerabwehrraketen gehören zu den neuen Waffentypen, über welche die Aufständischen in Aleppo verfügen.

© REUTERS

Vorbereitungen für Flugverbotszone: Munition statt Intervention in Syrien

Die USA, die Türkei und die Golfstaaten rüsten die Rebellen in Syrien militärisch auf. Denn eine Flugverbotszone wollen sie nicht einrichten. Der syrische Ex-Premier sieht Assad am Ende.

Die Regierung von Syriens Präsident Baschar al Assad kontrolliert nach Angaben des zur Opposition übergelaufenen früheren Regierungschefs Riad Hidschab nur noch 30 Prozent des Landes. Die Führung sei militärisch, wirtschaftlich und moralisch zusammengebrochen, sagte Hidschab am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Jordaniens Hauptstadt Amman. Das Regime sei in Auflösung begriffen. Hidschab war Anfang August gemeinsam mit seiner Familie und zwei Ministern nach Jordanien geflohen. Die saudi-arabische Tageszeitung „Al Watan“ meldete am Dienstag unter Berufung auf den stellvertretenden russischen Außenminister Mikhail Bogdanov, dass Assads Bruder Maher, Kommandant der Präsidentengarde, bei einem Anschlag im Juli in Damaskus schwer verletzt und an beiden Beinen amputiert worden sein soll.

Trotz öffentlich verkündeter Vorbereitungen von USA und Türkei für eine Flugverbotszone in Syrien ist eine direkte militärische Intervention des Westens nach Einschätzung von Experten derzeit nicht zu erwarten. Stattdessen verlegen sich die Gegner des Assad-Regimes im Ausland auf eine verdeckte militärische Stärkung der Opposition. Die Rebellenarmee FSA verfügt inzwischen über Panzerfäuste und tragbare Luftabwehrgeschosse. In syrischen Oppositionsquellen in Istanbul ist von „besserer und organisierterer Arbeit in diesem Bereich“ die Rede. Offiziell hält sich die syrische Nachbarin Türkei aus allen solchen Aktivitäten heraus – doch die Wirklichkeit sieht wohl anders aus.

US-Außenministerin Hillary Clinton und ihr türkischer Kollege Ahmet Davutoglu hatten am Wochenende in Istanbul eine gemeinsame „Operationsplanung“ für Syrien bekannt gegeben, die ein Eingreifen etwa in Form einer Flugverbotszone beinhaltet. Angesichts der steigenden Zahl von syrischen Flüchtlingen, die inzwischen rund 60 000 erreicht hat, dringt die Türkei als Nachbar Syriens bei ihren westlichen Partnern darauf, eine Intervention in Betracht zu ziehen.

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Nach türkischen Regierungsangaben müssen derzeit rund 1500 Flüchtlinge auf der syrischen Seite der Grenze warten, weil vier zusätzliche Flüchtlingslager noch im Bau sind. Die syrische Opposition fordert seit langem eine Schutzzone, weil damit der Sturz von Präsident Baschar al Assad erheblich beschleunigt werden könnte.

Doch nach Äußerungen von US-Politikern ist zumindest vorerst nicht mit einem Flugverbot oder einer Schutzzone zu rechnen. US-Verteidigungsminister Leo Panetta sagte der Agentur AP, die Pläne für ein Flugverbot hätten keine Priorität. Den Grund für die US-Zurückhaltung sieht Veysel Ayhan, Leiter der Ankaraner Denkfabrik IMPR, in der Befürchtung Washingtons, dass eine solche offene Intervention den Syrien-Konflikt verschärfen könnte. Da die Türkei ohne grünes Licht der USA kaum alleine handeln werde, sei ein Flugverbot zumindest kurzfristig wenig wahrscheinlich, sagte Ayhan dem Tagesspiegel in Istanbul.

Ein westlicher Luftwaffeneinsatz in Syrien wäre wegen der Stärke der syrischen Luftabwehr riskanter als die Militäraktion in Libyen 2011. Die US-Regierung verspürt vor der Präsidentenwahl im November keine Lust auf militärische Abenteuer. Auch in der Türkei sprachen sich in einer kürzlichen Umfrage nur rund 22 Prozent der Wähler für eine Intervention der internationalen Gemeinschaft aus. Jeder Dritte war der Meinung, die Türkei solle sich aus der Syrien-Krise heraushalten.

Die Rebellen sind besser ausgerüstet als noch vor Monaten

Doch auch ohne militärische Intervention von außen werden die Rebellen auf den syrischen Schlachtfeldern stärker. Am Montag wollen die Regimegegner erstmals einen syrischen Kampfjet abgeschossen haben, was von der Regierung in Damaskus allerdings dementiert wurde.

Die anhaltenden Gefechte in der Wirtschaftsmetropole Aleppo zeigen nach Einschätzung von IMPR-Leiter Ayhan aber, dass die Rebellen besser ausgerüstet sind als noch vor Monaten. „Ohne moderne Waffen auf Seiten der Rebellen hätte die syrische Armee in Aleppo keine großen Schwierigkeiten gehabt“, sagte Ayhan. So seien altersschwache Kalaschnikows vielfach durch moderne Gewehre ersetzt worden. Laut US-Medienberichten haben die Rebellen dank einer Finanzhilfe aus den Golfstaaten auch fast zwei Dutzend Luftabwehrgeschosse erhalten.

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Ein großer Teil des Waffenarsenals der Rebellen stammt von syrischen Deserteuren und aus Überfällen auf syrische Waffendepots. Andere Waffen kommen über die rund 900 Kilometer türkische Grenze nach Syrien. „Das sagt natürlich keiner offen“, sagte ein syrischer Oppositionsvertreter in Istanbul. „Aber alle sind sich einig, dass jetzt nur noch Waffengewalt ein Ende der Tragödie bringen kann. Es gibt eine bessere und organisiertere Arbeit in diesem Bereich.“

Nach unbestätigten Presseberichten haben Türken und einige Golfstaaten in der Nähe der südtürkischen Stadt Adana ein Kommandozentrum aufgebaut, das mit Hilfe der USA die militärische Hilfe für die Rebellen organisiert.

Angesichts des blutigen Konflikts in Syrien erhöhen auch die islamischen Länder den Druck auf die Führung in Damaskus. Die Außenminister der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) empfahlen dem Sondergipfel der Mitgliedsländer, der am Dienstagabend beginnen sollte, eine Aussetzung von Syriens Mitgliedschaft. Der syrische Verbündete Iran stemmte sich gegen eine Suspendierung. Beobachter erwarteten deshalb bei dem Treffen in Mekka hitzige Debatten hinter den Kulissen und Druck auf den iranischen Präsidenten Mahmut Ahmadinedschad. Gastgeber Saudi-Arabien gehört zu den schärfsten Kritikern Syriens und ist ein erbitterter Rivale des Iran in der Region. US-Minister Panetta warnte Teheran am Dienstag unmissverständlich: Die USA würden dafür sorgen, dass der Iran „nicht versucht, die Zukunft Syriens zu bestimmen“. (mit dpa)

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