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Vorbild Mobilfunk: Regierung prüft Auktion von Akw-Laufzeiten

Politiker der schwarz-gelben Koalition loben die Idee, längere Atomlaufzeiten zu versteigern. Doch nicht alle sind begeistert.

Berlin - So viel Einigkeit ist im schwarz- gelben Koalitionsvertrag selten. In Sachen Atomkraft ist dort zu lesen, dass die Laufzeiten der Meiler verlängert werden sollen, bis ihre Leistung sicher und verlässlich durch erneuerbare Energien ersetzt werden kann. Doch in den acht Monaten seit dieser Vereinbarung hat sich vor allem eines gezeigt: Im Detail ist die Laufzeitverlängerung ein eher schwieriges Unterfangen.

Mit drei Monaten Verspätung ist am Dienstag ein Vorschlag aus Essen aufgegriffen worden, der auf den ersten Blick so elegant ist, dass einige Politiker der schwarz-gelben Koalition erleichtert wirkten. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) hat im März ein Papier vorgelegt, in dem die Ökonomen vorschlagen, die Laufzeitverlängerung unter den Betreibern der Reaktoren zu versteigern. Die RWI-Forscher vergleichen das Verfahren mit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen für moderne Mobilfunkleistungen. Voraussetzung dafür wäre, dass sich die Koalition auf einen Zeitraum einigt, um den die Laufzeiten verlängert werden sollen. Dann könnten daraus die erzeugbaren Terawattstunden Strom errechnet werden. Jede Produktionseinheit könnte im Anschluss versteigert werden. Bei einer Laufzeitverlängerung um acht Jahre käme nach den Berechnungen von Manuel Frondel, Justus Haucap und Christoph M. Schmidt eine Strommenge von 140 Terawattstunden pro Jahr heraus. Bei einem Börsenpreis von etwa fünf Cent pro Kilowattstunde ergäbe das einen Wert von mindestens 56 Milliarden Euro.

Die Umweltminister Bayerns und Baden-Württembergs, Markus Söder (CSU) und Tanja Gönner (CDU) sind allerdings nicht begeistert. Söder meinte, eine Versteigerung sei „ein bisschen wie eine Jahrmarktveranstaltung“. Gönner warnte vor steigenden Strompreisen und nannte den Vorschlag „unausgegoren“. Der Energiepolitiker Thomas Bareiß (CDU) ist dagegen angetan. Er sagte: „Alles, was wir sonst machen würden, wäre ein Deal und damit angreifbar.“ Die Reststrommengen würden dorthin gehen, wo sie am meisten gebraucht würden. Der FDP-Energieexperte Horst Meierhofer findet die Idee gut, weil sie „eine wettbewerbliche Lösung ermöglicht“. Zudem könnte eine Auktion die Regierung von der Entscheidung befreien, selbst eine Summe zu bestimmen, um die sie die Betreiber als Gegenleistung für die Laufzeitverlängerung erleichtern will. Die ehemaligen Ministerpräsidenten Hessens und Baden-Württembergs, Roland Koch und Günther Oettinger (beide CDU), hatten vor der Wahl dafür geworben, die Zusatzgewinne zumindest zur Hälfte abzuschöpfen und in den Ausbau erneuerbarer Energien und Speichertechnologien zu stecken. Doch welche Konstruktion dafür gewählt werden sollte, ist in der Koalition umstritten.

Die Konzerne selbst haben zuletzt einen Fonds ins Gespräch gebracht, in den sie einen Teil ihrer Zusatzgewinne abführen wollen. Allerdings verstehen sie den Fonds als Ersatz für die von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits in die Haushalte von 2011 an eingeplante Brennelementesteuer, die jährlich rund 2,3 Milliarden Euro einbringen soll. Aus Bareiß’ Sicht wäre die Auktion der Ersatz für die neue Steuer. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) ließ am Dienstag erklären, es sei klar, dass die Sicherheitsanforderungen an die Reaktoren bei einer Verlängerung der Laufzeit ebenfalls eine Rolle spielen müssten. Käme es zu einer Versteigerung müssten die Konzerne die Kosten für mögliche Sicherheitsnachrüstungen also mitberücksichtigen.

Gerade die mangelnde Verknüpfung mit Sicherheitsanforderungen ist der Hauptkritikpunkt der Opposition. Die grüne Fraktionsvize Bärbel Höhn sprach von einer „gefährlichen Verquickung von Reaktorsicherheit und Haushaltspolitik“. Der Staat mache sich so erpressbar. „Jede Sicherheitsauflage wäre dann von der Drohung der Atomkonzerne begleitet, den Versteigerungserlös wieder zurückzufordern.“ Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Rainer Baake, wies die Idee als „unanständig“ zurück. Es sei „unverantwortlich, die ältesten, gegen terroristische Angriffe völlig unzureichend geschützte Reaktoren gegen Geld weiter am Netz zu lassen“. Jochen Stay von der atomkritischen Initiative „Ausgestrahlt“ sagte: „Je größer das Risiko, umso höher sind die Einnahmen des Staates.“

Wolfgang Renneberg, bis zum Regierungswechsel Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Umweltministerium und heute mit dem „Büro für Atomsicherheit“ selbstständig, sagte dem Tagesspiegel: „Die ältesten Reaktoren lassen sich mit vernünftigen technischen und wirtschaftlichen Mitteln noch nicht einmal auf den Stand der Technik vor 20 Jahren bringen.“ Verkauft würden „nicht Laufzeiten sondern die Sicherheit“, sagte er.

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