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Politik: Vorbild Petersberg

Das Bonner Abkommen für Afghanistan könnte Liberia beim politischen Neuanfang helfen – auch, um Fehler zu vermeiden

Afghanistan ist weit entfernt davon, ein stabiler und demokratischer Staat zu werden. Dennoch gilt das auf dem Petersberg bei Bonn geschlossene Friedensabkommen als Blaupause für den Wiederaufbau politischer Strukturen – auch in Liberia. „Das Programm, das der UN-Sondergesandte, Lakhdar Brahimi, ausgearbeitet hat, kann für andere Krisenländer wegweisend sein", sagt die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Christa Nickels (Grüne). Anders als im Kosovo, das noch immer unter UN-Verwaltung steht, wurde in Afghanistan unmittelbar nach dem Fall der Taliban eine provisorische Übergangsverwaltung gebildet. „Die Verantwortung für den Friedensprozess liegt bei den Afghanen selbst", lautet ein Standardsatz von Außenminister Joschka Fischer. Doch der Fahrplan für den Neuanfang stammt von den UN.

Ein wichtiger Grundsatz des so genannten Brahimi-Konzepts: Der Demokratisierungsprozess soll möglichst an traditionelle Modelle anknüpfen. Im Fall Afghanistans war dies die Große Ratsversammlung der Stämme, die Loya Dschirga. Von einer solchen Versammlung ließen sich schon die afghanischen Könige ihre Politik absegnen. Im Juni vergangenen Jahres kam sie zusammen, um eine Übergangsregierung zu wählen. In einer weiteren Loya Dschirga soll im Oktober über eine neue Verfassung abgestimmt werden.

Christa Nickels hält auch die internationale Zusammenarbeit in Afghanistan für vorbildlich. „Erstmals haben die beteiligten Staaten klare Zuständigkeiten für den Wiederaufbau festgelegt“, erläutert sie. So betreut Deutschland die Ausbildung der afghanischen Polizei, die USA helfen bei der Aufstellung einer nationalen Armee. Wichtig sei, sagt Nickels weiter, dass die Nachbarstaaten in ein Stabilisierungskonzept eingebunden würden. Am Hindukusch gilt Pakistan als Schlüsselland: Hier leben noch immer afghanische Flüchtlinge, und im Grenzgebiet fanden Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer Unterschlupf.

Auch die Konflikte in Westafrika haben die nationalen Grenzen längst überschritten. Bestes Beispiel sind die Machenschaften von Liberias Ex-Präsident Charles Taylor, der auch im Bürgerkrieg in Sierra Leone mitmischte.

Die Entwicklung in Afghanistan zeigt indes, wie schwierig es ist, dauerhaft Frieden und Stabilität in einem Krisenland zu schaffen. Trotz ihrer Legitimierung durch die Loya Dschirga gelang es der Übergangsregierung nicht, das ganze Land unter ihre Kontrolle zu bringen. Außerhalb Kabuls herrschen weiter unberechenbare Kriegsherren. Karsai wird deshalb auch spöttisch „Bürgermeister von Kabul" genannt. Und er kämpft gegen den Ruf, eine Marionette der USA zu sein.

Die internationale Gemeinschaft dürfte an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig sein. So übte der US-Sondergesandte, Zalmay Khalilzad, hinter den Kulissen der Loya Dschirga massiv Druck auf die Teilnehmer aus, um Karsai als Präsidenten durchzusetzen. Damit hatte er zwar Erfolg, doch Karsais Ruf ist seither beschädigt. Und: Die internationale Schutztruppe Isaf patrouilliert nur in der Hauptstadt Kabul. Nun sollen regionale Aufbauteams aus Soldaten und zivilen Helfern die Stabilisierung der Provinzen vorantreiben – eine Kurskorrektur, die auch Berlin für richtig hält.

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