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Ein bei Kämpfen zwischen der Isis-Miliz und irakischen Sicherheitskräften ausgebranntes Auto. Die Dschihadisten sind weiter auf dem Vormarsch.

© Reuters

Update

Vormarsch von Isis: Jordanien verstärkt Truppen an der Grenze zu Irak

Die islamistische Isis-Miliz erkämpft sich Gebietsgewinne im Grenzgebiet zu Syrien und Jordanien. Daraufhin mobilisierte Jordanien die Streitkräfte an seiner Grenze.

Angesichts der Offensive der sunnitischen Gruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien (Isis) im Irak bemühen sich die USA in der Region um einen gemeinsamen Krisenkurs. Bei Gesprächen in Ägypten und Jordanien beriet US-Außenminister John Kerry über Wege, den Vormarsch der Islamisten-Miliz zu stoppen, der den Irak ins schlimmste Chaos seit Jahren gestürzt hat. Am Montag wollte Kerry nach Luxemburg weiterreisen. Dort treffen sich die EU-Außenminister, um sich über die Situation in dem Land auszutauschen.

Kerry sucht nach Auswegen aus der Krise

Die Isis-Miliz hatte am Wochenende mehrere Orte im Westirak eingenommen und ihre Machtposition dort ausgebaut. Auf ihrem Vormarsch haben die Dschihadisten 21 Menschen hingerichtet. Das wurde am Sonntag von Offizieren und Ärzten mitgeteilt. Die Exekutionen erfolgten demnach am Samstag und Sonntag in den Städten Rawa und Ana, die von Kämpfern von Isis gestürmt worden waren. Bei den Getöteten handelte es sich offenbar um Repräsentanten der bisherigen Autoritäten, darunter Stammesführer. Die irakische Armee hatte sich nach eigenen Angaben aus "taktischen" Gründen aus Rawa und Ana zurückgezogen.

Das benachbarte Jordanien mobilisierte nach dem Vorrücken der Isis-Kämpfer die Streitkräfte an seiner Grenze. Das Königreich habe Dutzende Verbände entlang der Grenze aufgeboten, verlautete aus Militärkreisen in Amman. Berichten zufolge sollen Isis-Kämpfer die Stadt Rutba auf der Straße von Bagdad nach Amman und einen strategisch wichtigen Grenzübergang nach Jordanien eingenommen haben.

Kein Land sei vor dieser Art von Terror sicher, sagte Kerry am Sonntag bei seinem Besuch in der ägyptischen Hauptstadt Kairo. Er verwies dabei zugleich auf die Unzufriedenheit der Sunniten, Kurden und auch einiger Schiiten mit der Regierung des schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki. Zur Lösung der Krise müssten konfessionelle Interessen in den Hintergrund rücken, mahnte Kerry.

Human Rights Watch: Isis rekrutiert Kindersoldaten

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) rekrutiert Isis auch Kindersoldaten. Einige Rebellengruppen setzten bereits 15-Jährige zum Kampf ein, erklärte HRW am Montag. Jugendliche würden unter dem Deckmantel angeworben, sie hätten bei den Rebellengruppen Zugang zu Bildung.

Auf der Flucht. Tausende Menschen fliehen vor den Kämpfen und der grausamen Herrschaft der islamistischen Isis im Irak.
Auf der Flucht. Tausende Menschen fliehen vor den Kämpfen und der grausamen Herrschaft der islamistischen Isis im Irak.

© Reuters

So habe die Isis mit Kampagnen für kostenlose Schulbildung Kinder rekrutiert, erklärte HRW. Die Minderjährigen würden an der Waffe ausgebildet und für gefährliche Einsätze und Selbstmordanschläge missbraucht. Der HRW-Report basiert auf Zeugenberichten von 25 zum Teil noch aktiven Kindersoldaten. Diese dienten für die Isis, die Freie Syrische Armee (FSA) die Islamische Front, die islamistische Al-Nusra-Front sowie für kurdische Rebellengruppen.

Die Rebellen dürften nicht länger "verletzliche Kinder ausbeuten,", sagte HRW-Kinderrechtsspezialistin Priyanka Motaparthy. "Die Grauen des syrischen Konflikts werden nur noch schlimmer gemacht, indem Kinder an die Front geschickt werden." Länder, die die syrischen Rebellen unterstützten, sollten Druck für ein Ende der Rekrutierung von Kindersoldaten ausüben, forderte Motaparthy.

Iran lehnt US-Eingreifen im Irak ab

Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, hat sich entschieden gegen jedwedes Eingreifen ausländischer Mächte im Irak-Konflikt ausgesprochen und den USA vorgeworfen, den Konflikt ausnutzen zu wollen. Was derzeit im Irak geschehe sei kein Krieg zwischen Sunniten und Schiiten, erklärte Chamenei am Sonntag auf seiner Website. Die USA wollten die Lage im Irak destabilisieren. Washington bedrohe die territoriale Integrität des Irak und wolle "Nutzen ziehen aus der Tätigkeit fanatischer und nichtswissender Elemente". Die irakische Regierung, das Volk und die Würdenträger des Nachbarlandes seien selbst in der Lage, das Ende der derzeitigen "Verschwörung" herbeizuführen.

Der Iran ist ein Verbündeter des schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki, doch drängt er ihn seit langem, die Sunniten stärker einzubinden. Zudem ist Teheran bemüht, den Konflikt nicht als Kampf der Konfessionen, sondern als Kampf gegen den Extremismus darzustellen. Die militärischen Erfolge der Isis-Dschihadisten führten zu einer vorsichtigen Annäherung zwischen den USA und dem Iran, nachdem dessen Präsident Hassan Ruhani die Bereitschaft zur Zusammenarbeit im Kampf gegen die Extremisten signalisiert hatte.

Was Isis erreichen will

Isis kämpft an vielen Fronten. Die Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien geht bewaffnet gegen die Regierungen der beiden Länder vor, führt Krieg gegen schiitische Gläubige und vermeintliche sunnitische Kollaborateure. Die sunnitischen Extremisten exekutieren Soldaten und enthaupten Bürger an öffentlichen Plätzen. Sie träumen von einem streng gottesfürchtigen Reich im Nahen Osten, einem Kalifat zwischen Mittelmeerküste und Persischem Golf - die Grenzen ziehen die Kämpfer mit zielgerichteter Brutalität.

Schiitische Kämpfer in Kerbala.
Schiitische Kämpfer in Kerbala.

© AFP

In beiden Ländern agieren die Gotteskrieger jedoch unterschiedlich: Während sich in Syrien die Gräueltaten vor allem gegen die Bürger richten - Amnesty International berichtet über Exekutionen und Auspeitschungen selbst von Kindern - buhlt Isis im Irak um die Sympathien der Bürger. Denn für den Vormarsch im Irak brauchen die Extremisten die Unterstützung des Volkes. Nach Meinung von Yezid Sayigh, Politikwissenschaftler am
Carnegie Middle East Center in Beirut, war die Einnahme von Mossul nur möglich, weil sich die dortige sunnitische Bevölkerung von den Kämpfern mehr erhofft als von der schiitisch dominierten Regierung in Bagdad.

Der Politologe ist sich zudem sicher: Isis hätte ohne sunnitische Verbündete im Land nie so einen schnellen Vormarsch geschafft. Die Dschihadisten würden vor allem von der Nakschbandi-Miliz unterstützt, sagte er. Diese bestehe aus Baathisten - Parteigängern und alten Anhängern Saddam Husseins.

Im Irak hat islamistischer Terror schon Tradition

Im Irak kennen sich die Extremisten bestens aus. Denn Isis hat sich bereits 2003 während der US-Invasion in dem Land unter dem Namen „Tauhid und Dschihad“ („Einheit und Glaubenskampf“) gegründet, andere nannten die Gruppe wegen ihrer Nähe zum Terrornetz Al-Qaida auch Al-Qaida im Irak. Die Extremisten verübten Anschläge auf US-Soldaten wie Schiiten. Durch Eroberungen im syrischen Bürgerkrieg - vor allem der Region um Dair as-Saur und Rakka im Osten sowie Teile der Provinz Aleppo im Norden - wurden sie aber erst stark und konnten eine Operationsbasis für die Attacken auf den Irak schaffen.

Ihren Anspruch haben die Dschihadisten mit ihrem Namen zum Programm erhoben. In dem arabischen Namen wird für Syrien der Begriff „Scham“ verwendet - als Synonym für die Ostküste des Mittelmeeres. Isis will ein sunnitisches Reich, das Syrien und den Irak, aber auch den Libanon, Israel und Jordanien vereint. Experten schätzen, dass mittlerweile rund 10 000 Kämpfer zu Isis gehören.

Das Geld kam erst aus Katar und jetzt aus kriminellen Quellen

Finanziert wurde Isis zu Beginn von saudischen und katarischen Gönnern. Mittlerweile hat die Organisation mit mafiösen Methoden eigene Einnahmequellen erzeugt: Aus Syrien schmuggelt Isis Öl aus den eroberten Raffinerien in die Nachbarländer. Nach einem Bericht der „New York Times“ verkaufen die Extremisten das syrische Öl sogar zurück an das Regime von Präsident Baschar al Assad. Von der Bevölkerung erpresst Isis „Dschihad-Steuern“. Der Angriff auf den Irak wurde aus diesen Einnahmen finanziert. Nun fließen Devisen aus dem Irak zurück für den Kampf in Syrien. Neben hochwertigen Waffensystemen der irakischen Armee hat Isis auch viel Geld erbeutet. Allein in der Zentralbank von Mossul soll die Terror-Miliz umgerechnet knapp 318 Millionen Euro abgeräumt haben - seit diesem Coup gilt die Terrorgruppe als die reichste der Welt. (AFP/dpa)

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