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Angela Merkel beim telefonieren

© Reuters

Update

Vorratsdatenspeicherung: Döring: "Unglaublicher Eiertanz"

Seit Jahren streiten FDP und Union über die Vorratsdatenspeicherung. Die einen sehen die Freiheit der Bürger in Gefahr, die anderen die Sicherheit. Jetzt gibt die Union dem Thema einen neuen Namen. Eine inhaltliche Korrektur sei das aber nicht.

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Es ist mittlerweile ein Evergreen Innenpolitik: der Streit um das Speichern von Verbindungsdaten auf Vorrat, kurz Vorratsdatenspeicherung. Vor allem zwischen Union und FDP tobt dieser Streit in persona von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

Nun nimmt die Union bei dem Thema eine kosmetische Änderungen vor. Im Wahlprogramm der Union ist nicht mehr von "Vorratsdatenspeicherung" die Rede, sondern von "Mindestspeicherfristen". Dem voran geschoben ist im Wahlprogramm der Union der Satz: "Der Staat muss persönliche Kommunikationsdaten der Menschen schützen." Und das ist kein von langer Hand geplanter Eingriff, sondern kam eher in letzter Minute ins Wahlprogramm unter dem Eindruck von Prism - abgestimmt zwischen CDU-Chefin Angela Merkel sowie CSU-Chef Horst Seehofer und Innenminister Friedrich.

Vorratsdatenspeicherung: Friedrich hält Begriff Mindestspeicherfrist für besser

Außerdem hat Seehofer Anfang der Woche außergewöhnlich lobende Worte für Leutheusser-Schnarrenberger gefunden. Bei einem Festakt zu 150 Jahren Liberalismus in Bayern sagte Seehofer in Richtung der Justizministerin und ihrer Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung: "Das ist eine liberale Grundhaltung, die mir Respekt abnötigt."

Doch für einen tatsächlichen Kurswechsel braucht es doch mehr. Denn am Speichern von Verbindungsdaten hält die Union fest. Das bekräftigte Friedrich auch am Freitag. „Der Begriff Mindestspeicherfrist erklärt viel besser und präziser als Vorratsdatenspeicherung, um was es wirklich geht“, sagte Friedrich am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. „Die Provider, nicht etwa der Staat, sollen für einen Mindestzeitraum von sechs Monaten die angefallenen Verbindungsdaten speichern.“ Die Formulierung im Unions-Wahlprogramm sei mit ihm abgesprochen.

Der Streit geht nun schon seit Jahren. Seit 2006 schreibt eine EU-Richtlinie den Mitgliedsstaaten eigentlich vor, Verbindungsdaten vorsorglich zu speichern, mindestens sechs Monate, maximal zwei Jahre. Allerdings kippte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2010 die deutsche Regelung und seitdem schwellt der Streit zwischen Leutheusser-Schnarrenberger und Friedrich. Die Liberale will nur das kurzfristige anlassbezogene Speichern zulassen, Friedrich setzt sich für die Einhaltung der EU-Richtlinie ein. Deutschland droht nun Ärger auf europäischer Ebene, weil die Bundesrepublik eine gesetzte Frist zur Umsetzung der Richtlinie hat verstreichen lassen. Nun könnten monatliche Strafzahlungen die Folge sein. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, dass die EU-Richtlinie noch nicht umgesetzt sei, weil es in der Europäischen Union noch Abstimmungsbedarf gebe.

Der Anreiz, sich zu bewegen war aber bisher für beide Seiten gering. Denn Leutheusser-Schnarrenberger inszenierte sich als Kämpferin für die Wahrung der Bürgerrechte und Friedrich als harter Innenpolitiker.

FDP kritisiert Unions-Debatte zur Vorratsdatenspeicherung

FDP-Generalsekretär Patrick Döring hat die Debatte in der Union um die Vorratsdatenspeicherung kritisiert. "CDU und CSU führen bei der Vorratsdatenspeicherung einen unglaublichen Eiertanz auf", sagte Döring dem Tagesspiegel. In dieser gravierenden Bürgerrechtsfrage hätten die Bürgerinnen und Bürger Klarheit verdient. "Entweder die Union ist weiterhin für die massenhafte anlasslose Speicherung der Daten unserer Bürger, dann ist es billiger Etikettenschwindel. Oder es gibt einen echten Sinneswandel. Dann muss die Union aber auch Taten sprechen lassen", forderte Döring. Die Liberalen stünden sofort für eine Änderung der EU-Richtlinie bereit. "Die FDP ist beim Thema Vorratsdatenspeicherung standhaft geblieben und wird es bleiben. Darauf können sich die Bürger verlassen“, sagte Döring.

Bosbach: "Entscheidend sind nicht Überschriften, entscheidend sind Inhalte"

Wolfgang Bosbach (CDU), Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses, sieht keinen Kurswechsel seiner Partei in dieser Frage. "Entscheidend sind nicht Überschriften, entscheidend sind Inhalte", sagte Bosbach dem Tagesspiegel. Mindestspeicherfrist sei ein anderes Wort für befristete Speicherung von Verkehrsdaten. Richtigerweise müsste man laut Bosbach "elektronische Beweissicherung" sagen, denn genau darum gehe es. "Es geht nicht um die Speicherung von Kommunikationsinhalten, sondern nur von Verbindungsdaten und die Speicherung erfolgt auch nicht bei den Sicherheitsbehörden, sondern bei den Providern", erklärte Bosbach. Genutzt werden dürften sie erst nach Genehmigung durch einen Richter zur Abwehr oder Aufklärung schwerer Straftaten. "Ohne Mindestspeicherfristen bleiben auch weiterhin viele Straftaten unaufgeklärt, weil als Ermittlungsansätze nur diese Daten zur Verfügung stünden." Die Täter kämen straffrei davon und die Opfer blieben auf dem Schaden sitzen. Faktisch strafverfolgungsfreie Räume, in denen Täter ohne Furcht vor Entdeckung zu Lasten zahlloser Opfer operieren könnten, sollte Bosbach zufolge kein Rechtsstaat dulden. "Deshalb wird es bei der bisherigen Haltung der Union bleiben und etwas anderes steht auch nicht im Wahlprogramm von CDU und CSU", stellte Bosbach klar.

Piraten kritisieren Wortwechsel bei Vorratsdatenspeicherung

Kritik an dem kosmetischen Eingriff der Union kommt von der Piratenpartei. "In der Mogelpackung 'Mindestspeicherfrist' versteckt sich nichts anderes als die Vorratsdatenspeicherung. Allein der Versuch, einen etablierten Begriff neu zu besetzen, verspottet das zivilgesellschaftliche Engagement gegen diese Überwachungsmaßnahme auf das Übelste", sagte Katharina Nocun, Politische Geschäftsführerin der Piratenpartei.

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