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Die Vorratsdatenspeicherung bleibt ein Dauerstreitthema in der schwarz-gelben Koalition.

© dpa

Vorratsdatenspeicherung: Staatsrechtler: "Das geht in Richtung Beugung des Unionsrechts"

Der Jenaer Staatsrechtler Michael Brenner über eine schwierige Rechtsauffassung von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und die Frage, warum Angela Merkel bei der Vorratsdatenspeicherung möglicherweise den Koalitionsfrieden gefährdet.

Herr Brenner, rund 70 Verfahren der EU-Kommission laufen derzeit gegen Deutschland. Warum ist das gegen die Nicht-Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung etwas Besonderes?

Hier geht es nicht um eine Steuervorschrift oder etwas ähnliches. Der Streit um die Vorratsdatenspeicherung ist voll in der politischen Sphäre gelandet und damit mehr als eine bloß rechtliche Streitigkeit. Denn Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger lehnt ja nicht einzelne Punkte der Richtlinie ab, sondern das gesamte Vorhaben.

Wie bewerten Sie ihre Haltung?

Ihre Haltung ist sehr schwierig. Denn sie argumentiert zwar, dass es möglicherweise irgendwann mal eine Überarbeitung der EU-Richtlinie geben wird, aber Fakt ist: Derzeit ist die EU-Richtlinie mit einer anlasslosen Speicherung der Daten für mindestens sechs Monate geltendes europäisches Recht und Leutheusser-Schnarrenberger stellt ihre politischen Ansichten über dieses Recht. Das ist eine kaum nachvollziehbare Rechtsauffassung, die schon in Richtung Beugung des Unionsrechts geht. Wenn sie wirklich ein so großes Problem mit den Grundsätzen dieser EU-Richtlinie hat, dann hätte Deutschland innerhalb der Frist dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof klagen müssen. Das hat Deutschland aber nicht getan. Und das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2010 auch nicht die EU-Richtlinie in Frage gestellt, sondern nur beim deutschen Umsetzungsgesetz einige Mängel angemahnt, die aber recht schnell zu beheben wären.

Wie tausende für "Freiheit statt Angst" demonstriert haben, sehen Sie hier in Bildern:

Sehen Sie den Chancen für einen Kompromiss?

Das wird wohl schwierig, weil die Standpunkte sehr weit auseinander liegen.

Glauben Sie, dass die Klage der EU-Kommission wiederum Bewegung in die Sache bringt?

Es erhöht zumindest den Druck ein wenig. Denn wenn der Streit zwischen Justizministerium und Innenministerium anfängt, Geld zu kosten, dann wird es ernst.

Michael Brenner ist Professor für deutsches und europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Universität Jena.
Michael Brenner ist Professor für deutsches und europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Universität Jena.

© promo

Sollte Angela Merkel ihr Richtlinienkompetenz bei dieser Frage ins Spiel bringen?

Wenn Merkel bei der Vorratsdatenspeicherung ihre Richtlinienkompetenz einbringt, gefährdet sie möglicherweise den Koalitionsfrieden und dafür ist ihr das Thema sicher nicht bedeutend genug. Das müssen die beiden Fachministerien klären. Die Richtlinienkompetenz der Bundeskanzlerin ist eine Kompetenz, die meistens auch von faktischen Politikzusammenhängen überlagert wird. Und man muss sehr genau überlegen, wann es sich lohnt, dieses Instrument einzusetzen, denn es birgt immer eine Menge Sprengkraft, weil man letztlich mit dem Bruch der Koalition spielt.

Und das wird es Merkel an diesem Punkt wohl nicht wert sein. Sollte Deutschland allerdings wirklich verurteilt werden, dann könnte sich der Streit um die Vorratsdatenspeicherung zu einem deutlich größerem Thema auswachsen als es derzeit noch ist.

Michael Brenner ist Professor für deutsches und europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Universität Jena. Mit ihm sprach Christian Tretbar.

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