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Politik: Vorsprung für die Schiiten

285 Wahllisten treten bei der Abstimmung am Sonntag an – am Ende könnte die Religionszugehörigkeit entscheidend sein

Die Straßen von Bagdad sind mit Wahlplakaten gepflastert. Dennoch wissen laut einer Umfrage der Zeitung „Al-Mada“ fast 100 Prozent von 300 Befragten im Stadtteil Sadr-City nicht, dass am 30. Januar Parlamentswahlen anstehen. Weniger erstaunlich ist, dass viele Iraker nicht wissen, wen sie wählen sollen. Nach Angaben der Wahlkommission wurden 285 Wahllisten von politischen Gruppen oder Individuen eingereicht, die jeweils bis zu 275 Kandidaten umfassen.

Aus der Masse ragen drei Wahllisten hervor, die mit einer bekannten Person verknüpft werden können. Die wichtigste von ihnen ist die Vereinigte Irakische Allianz, die so genannte Schiiten-Liste. Auf ihr kandidieren einige der prominentesten schiitischen Politiker des Landes, angeführt vom Führer des Obersten Rates für die Islamische Revolution in Irak, Abdul Aziz al Hakim, dem Bruder des in Najaf ermordeten langjährigen Vorsitzenden Baqir al Hakim. Doch auch Ahmed Chalabi findet sich auf der Liste, der Vorsitzende des lange vom Pentagon unterstützten Irakischen Nationalkongresses, der wegen seiner Falschinformationen vor dem Krieg mittlerweile in Washington in Ungnade gefallen ist. Die Liste hat die Rückendeckung von Ajatollah Ali Sistani, dem obersten schiitischen Geistlichen des Landes, dessen Photos teilweise auch die Wahlplakate der Allianz schmücken. Andere Parteien haben Beschwerde bei der Wahlkommission eingelegt, weil die Allianz religiöse Symbole nutze, was laut Wahlgesetz verboten ist. Da die Bevölkerungsmehrheit schiitisch ist, wird damit gerechnet, dass diese Liste die Wahl gewinnt. In diesem Falle ist der amtierende Finanzminister Adel Abdul Mahdi als Premier vorgesehen. Zur Beruhigung der übrigen religiösen und ethnischen Gruppen Iraks hat al Hakim bereits versichert, Sunniten würden im Falle eine Wahlsieges mit wichtigen Posten bedacht werden. Ebenso wie andere Listen verspricht die Allianz mehr Sicherheit, Demokratie, die Schaffung von Arbeitsplätzen. Sie will einen föderalen Irak, in dem der Islam als Staatsreligion festgeschrieben ist. Und sie will, dass ein Zeitplan für den Abzug der ausländischen Truppen ausgearbeitet wird.

Darin unterscheidet sie sich vielleicht am deutlichsten von der Wahlliste des Nationalen Abkommens von Premierminister Ijad Allawi. Im Wahlprogramm wird die Anwesenheit ausländischer Truppen nicht erwähnt, so dass auch keine Aussage darüber zu finden ist, wie man das Verhältnis nach dem Wahltag zu gestalten gedenkt. Allawi präsentiert sich als „starker Mann“, der die Armee wiederaufbauen und Sicherheit wiederherstellen kann, obwohl ihm das während seiner sechsmonatigen Amtszeit als Interimspräsident nicht gelungen ist. Auch die Korruption will er bekämpfen, die sich unter ihm und seinen Ministern üppig entwickelt hat.

Iraks Ex-Außenminister Adnan Pachachi führt die Liste der Unabhängigen Demokratischen Koalition an, auf der sich respektable Persönlichkeiten und Interimsminister verschiedener ethnischer und religiöser Zugehörigkeit finden. Das Ende der ausländischen Besatzung, der Aufbau der Zivilgesellschaft und die Stärkung der Position von Frauen stehen neben dem Erhalt der territorialen Integrität des Landes im Wahlprogramm.

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