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Politik: Vorteile für die „Stützen der Rente“

Wer sehr lange einzahlt, darf auch ein paar Privilegien haben, findet das Bundesverfassungsgericht

Berlin/Karlsruhe - Wer vorzeitig in Rente geht, muss dafür finanzielle Abschläge in Kauf nehmen – auch wenn er vorher arbeitslos oder in Altersteilzeit beschäftigt war. Und er muss es auch hinnehmen, dass Versicherten, die vor 1942 geboren sind und auf 45 Beitragsjahre kommen, eine solche Minderung erspart bleibt. Mit dieser Entscheidung wies das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag die Klagen von fünf Frührentnern ab, denen der Zahlbetrag um bis zu 18 Prozent gekürzt worden war. Sie hatten darin eine Ungleichbehandlung gegenüber länger Versicherten gesehen.

Die mathematisch genau ausgetüftelten Abschläge für einen vorzeitigen Rentenbezug gibt es seit 1992. Seither bekommen Versicherte nur noch die volle Rente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet haben. Der Abschlag beträgt pro Monat 0,3, also für jedes Jahr 3,6 Prozent. Er gilt zeitlebens und wirkt sich auch im Falle einer späteren Witwenrente aus. Das war jedoch nicht immer so. Nach 1972, als man langjährig Versicherten eine vorzeitige Rente ermöglichte, gab es zunächst gar keine Abzüge. Wer früher in Rente ging, dem fehlten lediglich Beitragsjahre.

Dass den älteren Versicherten mit 45 Beitragsjahren Abzüge erspart bleiben, fanden die Verfassungsrichter in Ordnung. Es liege in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, Rentner mit einer derart langen Versicherungszeit günstiger zu stellen, argumentierten sie. Wegen ihrer dauerhaften und berechenbaren Beitragsleistung seien diese eine Stütze der Rentenversicherung, was ihre Privilegierung rechtfertige. Die Kürzungen für weniger lang Versicherte hingegen dienten dazu, die angespannte Finanzsituation der Rentenkasse zu entschärfen. Dies sei angemessen und realistisch. Außerdem könne jeder Versicherte ja selbst bestimmen, wann er seine Rente beanspruchen und ob und welche Kürzungen er dafür in Kauf nehmen wolle. Dass Frührentner mit ihren Abschlägen rein rechnerisch schlechter wegkommen als Normalrentner, sobald sie älter als 87 Jahre und zehn Monate werden, sei dabei hinnehmbar.

Unterdessen verteidigte die Regierung im Bundestag die Verzögerung eines einheitlichen Rentenrechts in Ost- und Westdeutschland. Der Wunsch sei 18 Jahre nach der Einheit zwar verständlich, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Sozialministerium Franz Thönnes, er sei aber „nicht einfach zu realisieren“. Die Linksfraktion forderte eine rasche Angleichung, beharrte gleichzeitig aber auf der bisherigen Höherbewertung von Ost-Einkommen im Rentenrecht. Vertreter aller anderen Fraktionen lehnten dies ab.

Peter Weiß (CDU) nannte es falsch, „angebliche Ungerechtigkeiten und Ungleichbehandlungen durch neue Ungleichbehandlungen und Ungerechtigkeiten abzulösen“. Auch Anton Schaaf (SPD) warnte vor einer „dauerhaften Besserstellung“ des Ostens. Linksfraktionschef Gregor Gysi gab selbst zu, dass der Vorschlag seiner Fraktion „ein Moment der Ungerechtigkeit“ enthalte. Gleichwohl müssten Beschäftigte in Ost und West nach einem gleich langen Arbeitsleben die gleiche Rente bekommen. Dies sei nicht gegeben. Der Bundespräsidenten-Kandidat der Linken, Peter Sodann, warf der Regierung vor, auf eine „biologische Lösung“ zu setzen. Für eine Angleichung des Rentenrechts sei es „höchste Zeit“. Der ostdeutsche Sozialverband Volkssolidarität warnte jedoch davor, die Höherbewertung von Ost-Verdiensten abzuschaffen. Man komme nicht daran vorbei, „dass das Lohnniveau in den neuen Ländern insgesamt noch deutlich niedriger liegt als in den alten Ländern“, sagt Verbandspräsident Gunnar Winkler. mit dpa

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