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Politik: Vorwärts immer

In London konferieren Politiker über das Regieren von morgen, aber gibt es ein Morgen für Tony Blair?

Die Harmonie politischer Eintracht: Tony Blair schmunzelte auf der Londoner Konferenz über „progressives Regieren“ zufrieden, als Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement den Delegierten in seinem besten Englisch die Agenda 2010 erläuterte. Von „flexiblen Märkten als zentralem Ziel einer modernen sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik“ sprach dieser, und dass die Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen müssen. „Die Höhe und Dynamik der Sozialausgaben sind nur ein bescheidener Indikator für soziale Gerechtigkeit“.

Deutschland, konnten die über 300 Delegierten feststellen, ist nach langem Zögern voll auf den dritten Weg eingeschwenkt, dessen großes Thema der Bruch mit den alten kollektivistischen Traditionen der Sozialdemokratie und der „historische Kompromiss mit dem Individualismus“ ist. Vordenker Anthony Giddens hatte das alles gerade theoretisch frisch verpackt im Begriff der „Bürgerschaft als kooperativem Projekt zwischen Staat und Individuum“.

Aber in der politischen Realität ist der dritte Weg ein steiniger. Vor allem für den Londoner Gastgeber. Während Clement die Steuersenkungspläne der Bundesregierung rühmte, kündigte Blair, schon mit Blick auf seine dritte Amtszeit, neue Steuerbelastungen für die britische Mittelklasse an. Freute sich Clement, dass sogar der „Economist“ die Agenda 2010 begrüßte, so liegt Blair im Clinch mit seiner Parteilinken: „Blair soll gehen, bevor es noch ruppiger wird“, warnte ihn gestern die zurückgetretene Entwicklungsministerin Claire Short.

Der dritte Weg ist zur Gratwanderung zwischen der Kritik von Links und der wiederbelebten Reformagenda der Konservativen geworden. Der frühere US-Präsident Bill Clinton war aus dem irischen Urlaub herübergeflogen, um besonders der meuternden britischen Linken die Gefahr zu erklären: „Wenn wir nun angesichts der innerparteilichen Streitigkeiten bei der Linken und der Attacken der Konservativen nachgeben, geht alles Gute verloren, das wir geleistet haben“, sagte er beim Dinner.

So spricht man, da es um programmatische Erneuerung und die „Blaupause für die progressive Linke in den nächsten Jahrzehnten“ ging, plötzlich auch wieder mehr über die Rolle des Staates. „Der Ultraliberalismus hat seine Dynamik verloren“, sagte der französische Ex-Premier Laurent Fabius. Er forderte mehr entschlossene „Weltregierung“, mehr Regeln zur Bändigung der Globalisierung, Steuerharmonisierung und fragte: „Wenn wir nicht die Architekten eines sozialen Europa werden, was ist dann unsere Aufgabe?“. Es klang nach Kritik an Tony Blair.

Auch heute Abend, wenn in einem exklusiven Golfhotel bei London der Gipfel der „progressiven“ Staats- und Regierungschefs beginnt, werden Globalisierungsthemen im Mittelpunkt stehen. Und das wohl umstrittenste Problem: Wann Kriege richtig sind.

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