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Donald Trump

© REUTERS

Vorwahlen zur US-Wahl bei den Republikanern: Trump, der Retter – Trump, der Totengräber

Der umstrittene Milliardär Donald Trump erweitert die Basis der Republikaner zu einem hohen Preis. Das könnte die Partei zerreißen. Eine Analyse.

Susan in Atlanta, Georgia, Ken in Cleveland, Ohio, und Garrison in St. Paul, Minnesota, sind keine repräsentative Gruppe. Sie sind Zufallsbekanntschaften auf der Reise durch die Vorwahlstaaten der USA. Susan und Garrison haben am Super Tuesday erstmals an den Vorwahlen der Republikaner teilgenommen, und Ken will das am 15. März in Ohio tun – um einen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump zu verhindern.

Alle drei sagen, sie seien keine eingeschworenen Anhänger der Demokraten. Sie rechnen sich zum Lager der Independents, der nicht parteigebundenen Wähler. Sie finden den Aufstieg des Rechtspopulisten erstens peinlich für ihr Land: „That is not who we are“, das ist nicht ihr Amerika. Und zweitens gefährlich. „Jemand mit einem so unkalkulierbaren Temperament sollte nicht Zugang zu Atomwaffen bekommen.“

Trump prahlt damit, dass er der Partei neue Wähler zuführt

Wie viele Susans, Kens und Garrisons es in den USA gibt, ist eine Kernfrage 2016. Donald Trump wirbt damit, dass er die Republikanische Partei erneuere und ihr eine große Menge neuer Wähler zuführe. „We are expanding the base“, lobt er sich im Pluralis Majestatis bei jeder Siegesfeier. In der Tat erreicht die Beteiligung an republikanischen Vorwahlen neue Rekorde: in Südstaaten wie Alabama, Arkansas, Georgia ebenso wie in Massachusetts im Nordosten. In Tennessee nahm die Quote um 50 Prozent zu. In Virginia verdoppelte sie sich, parallel sank die Beteiligung an der Vorwahl der Demokraten dort um ein Fünftel. Diese doppelte Verschiebung ist auch anderswo zu beobachten: in South Carolina plus 20 Prozent bei den Republikanern und minus 30 Prozent bei den Demokraten.

Viele der neuen Wähler wollen Trump verhindern

Trump interpretiert diese Wechselbeziehung als seinen Erfolg: Die Begeisterung für die Republikaner wachse, wenn er Spitzenkandidat werde – gleichzeitig sinke die Motivation, für die Demokraten zu stimmen. Dank dieses ihm zu verdankenden „Enthusiasm Gap“ werde er Hillary Clinton in der Hauptwahl spielend schlagen, prahlt er. Er sieht sich als den Retter, der der „Grand Old Party“ neues Leben einhaucht.

Was aber wäre, wenn die Motivation für das Phänomen gerade umgekehrt wäre? Nicht aus Begeisterung für Trump wollen mehr Bürger bei den Republikanern über den Spitzenkandidaten abstimmen, sondern um ihn zu verhindern. Und soweit das Independents oder moderate Demokraten sind, die in anderen Jahren bei den Demokraten abgestimmt hätten, fällt ihnen die Wahl, in welchem Lager sie teilnehmen, 2016 nicht schwer. Sie begegnen dem „Sozialisten“ Bernie Sanders zwar mit Skepsis und wollen Hillary Clinton an der Spitze der Demokraten sehen. Aber da abzusehen war, dass sie am Super Tuesday uneinholbar in Führung geht, stimmen sie lieber taktisch ab – bei den Republikanern. Die Regeln erleichtern das. In den meisten Staaten dürfen die Bürger am Wahltag entscheiden, bei welcher Partei sie an den Vorwahlen teilnehmen.

Er ist dabei, die Partei zu zerreißen

Nun sollte man die Begegnung mit Susan, Ken und Garrison auch nicht überbewerten. Sie gehören zu den überdurchschnittlich politisch Interessierten, den überdurchschnittlich Gebildeten und überdurchschnittlich Verdienenden. Sie sind überdurchschnittlich interessiert an dem, was außerhalb Amerikas vor sich geht. Man begegnet ihnen bei Vorträgen zur Migrationskrise in Europa. Sie wollen diskutieren, ob das „Time Magazin“ Angela Merkel zu Recht zur „Person des Jahres“ gekürt hat oder ob sie gerade das Ende ihrer Kanzlerschaft herbeiführt.

Sie sind nicht repräsentativ im Sinne von „Joe Average“, dem Durchschnittsamerikaner. Andererseits haben sie womöglich ein besseres Gespür dafür, wie Amerika insgesamt politisch tickt, als die Trump-Begeisterten. 35 Prozent würden laut aktuellen Umfragen für einen Präsidenten Trump stimmen. Über 50 Prozent sagen, dass sie das keinesfalls tun.

Er hat die Ideenkrise der republikanischen Partei offengelegt

In ihren Augen ist Donald Trump nicht der Retter, sondern der Totengräber der heutigen Republikanischen Partei. Er ist dabei, sie in ihrem Inneren zu zerreißen. Ihm fehlt die Mehrheit nicht nur in der Gesamtgesellschaft, er hat sie nicht einmal in der Partei, für die er antreten möchte.

Viele fühlen sich wirtschaftlich abgehängt

Ein Verdienst aber sprechen ihm die meisten zu: Trump hat die Ideenkrise der „Grand Old Party“ (GOP) offengelegt. Sie hatte der Unterschicht und der Mittelklasse einen Gegenentwurf zum Sozialstaatsreflex der Demokraten angeboten: Wirtschaftliche Dynamik durch Zurückdrängen des Staats, und das Wachstum werde am Ende allen zugutekommen. Wenn sie an der Regierung war, wurden daraus aber nur Steuererleichterungen für die Reichen. Mittelklasse und Unterschicht erlebten keinen Zuwachs an Wohlstand. Wenn Susan, Ken und Garrison recht haben, wird die alte GOP 2016 krachend verlieren – und sich danach erneuern müssen. Trump sei Dank.

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