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Den Gesprächstermin mit dem ZEIT-Herausgeber Josef Joffe wollte Christian Wulff nicht absagen.

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Vorwürfe wegen Lobby-Veranstaltung: Wulff rechnet mit Einschaltung des Staatsgerichtshofs in Hannover

Erstmals äußert sich Christian Wulff zu den Vorwürfen gegen seinen Ex-Sprecher Glaeseker. Er spricht von einem ernsten Vorgang, warnt aber vor voreiligen Schlüssen. An Rücktritt denkt er nicht.

Bundespräsident Christian Wulff rechnet wegen der Vorwürfe gegen seine frühere Landesregierung in Hannover mit einer Einschaltung des niedersächsischen Verfassungsgerichts. Dabei geht es um die Finanzierung der Lobby-Veranstaltung „Nord-Süd-Dialog“. Wulff sagte am Sonntag in Berlin: „Wir haben im Landtag gesagt, in diese Veranstaltung ist kein Steuergeld geflossen. Und das nach bestem Wissen und Gewissen. Sollte jetzt doch Steuergeld hineingeflossen sein, hätten wir dem Parlament gegenüber nicht die Wahrheit gesagt. Das ist ein ernster Vorgang, der zurecht jetzt vermutlich vom Staatsgerichtshof geklärt werden wird.“ Die niedersächsische SPD hatte zuvor angekündigt, Ex-Innenminister Heiner werde die Regierung des früheren Ministerpräsidenten Wulff wegen Verletzung der Auskunftspflicht und Täuschung des Parlamentes verklagen. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Stefan Wenzel, nannte Wulff einen „Lügner“.

Bei den Vorwürfen geht um die Förderung einer privat organisierten Veranstaltung des Partymanagers Manfred Schmidt im Jahr 2009. Diese soll durch den Einsatz von Studenten und durch kostenlose Kochbücher für die Gäste unterstützt worden sein. Dabei geht es um mehrere tausend Euro insgesamt.

Wulff sagte dazu bei einer Veranstaltung der Wochenzeitung „Die Zeit“, er sei bereit, sich gegenüber der Landesregierung und der Staatsanwaltschaft zu äußern. „Es gibt bisher keine Vorwürfe gegen mich“, sagte er jedoch. Im Fall seines früheren Sprechers Olaf Glaeseker, gegen den wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit ermittelt wird, warnte Wulff vor einer Vorverurteilung. „Auch für Glaeseker gilt die Unschuldsvermutung.“ Dies sei eine „zivilisatorische Errungenschaft.“ Im Gespräch mit „Zeit“-Herausgeber Josef Joffe machte Wulff deutlich, dass er nicht an Rücktritt denke. Das Amt des Bundespräsidenten sei unglaublich interessant, sagte er. Er räumte aber ein, Vertrauen eingebüßt zu haben. Seine Aufgabe bestehe nun darin, dieses Vertrauen zurückzugewinnen.

Wulff vermied im Gespräch mit Joffe im Theater am Schiffbauerdamm jede Medienkritik. „Ich habe ein sehr positive Meinung von Zeitungen“, sagte er. Die Affäre um Wulffs Privatkredit und kostenlose Urlaube war zunächst von der „Bild“-Zeitung aufgedeckt worden. Mit einem Anruf auf der Mailbox von „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann wollte Wulff die Veröffentlichung am 13. Dezember verhindern oder hinausschieben.

Wulff warnte aber auch vor einer „übertriebenen Auflösung der Privatsphäre“ von Politikern. Die Bereitschaft, sich politisch zu engagieren, werde dadurch nicht gefördert.

Der Termin für das „Zeit“-Matinee im Berliner Ensemble war schon vor Monaten vereinbart worden - die Kredit- und Medienaffäre des Bundespräsidenten gab es damals noch nicht. Das Thema der Veranstaltung heißt „Typisch Deutsch? Über die Deutschen, ihre Identität und ihre Rolle in Europa“. Er habe nie an eine Absage gedacht, sagte Wulff im Gespräch mit Joffe.

SPD will Wulff-Regierung wegen Parlamentstäuschung verklagen

Die SPD in Niedersachsen wird in der Affäre um Bundespräsident Christian Wulff den Staatsgerichtshof des Landes einschalten. Der ehemalige niedersächsische Innenminister Heiner Bartling will die Regierung des früheren Ministerpräsidenten Wulff wegen Verletzung der Auskunftspflicht und Täuschung des Parlamentes verklagen. Bartling werde diesen Weg im Rahmen seines individuellen Klagerechts beschreiten, teilte die SPD-Fraktion am Sonntag mit. „Die Klage wird definitiv kommen“, betonte ein Fraktionssprecher. Eine Zustimmung des Parlamentes dazu sei nicht nötig, weil es sich zum eine Individualklage handele. Andernfalls wäre ein Zweidrittelmehrheit im Landtag nötig gewesen.

Bartling hatte 2010 im Landtag in Hannover eine parlamentarische Anfrage zum umstrittenen „Nord-Süd-Dialog“ gestellt. Nach neuen Erkenntnissen zur Beteiligung des Landes an der Veranstaltung sei nun klar, dass die Landesregierung unter dem damaligen Regierungschef Wulff damals „bewusst falsch und irreführend“ geantwortet habe, sagte der Fraktionssprecher.

Bartling bezieht sich bei seiner Klage auf Paragraf 24 der niedersächsischen Verfassung - danach muss die Landesregierung Anfragen von Landtagsmitglieder vollständig beantworten. Sollte das Gericht zu dem Schluss kommen, dass die Anfrage nicht richtig beantwortet wurde, hätte die Regierung ihr verfassungsmäßig vorgeschriebenes Auskunftsrecht verletzt.

SPD-Fraktionschef Stefan Schostok sagte: „Ein Bundespräsident, der in seiner Zeit als Ministerpräsident die Verfassung bricht, kann eigentlich nicht mehr in Amt bleiben.“ Vergleichbare Individualklagen, die sich auf das Auskunftsrecht des Parlamentes beziehen, gab es bereits mehrfach in Niedersachsen. (dpa)

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