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Politik: Wählen? Ohne mich!

Forscher prüfen, ob die sinkende Wahlbeteiligung die Demokratie gefährdet

Berlin - Der Begriff Demokratie kommt aus dem Griechischen und heißt übersetzt „Volksherrschaft“. In Systemen wie Deutschland herrscht das Volk aber nicht direkt, sondern wählt Volksvertreter. Doch was, wenn die Bürger der Wahl fernbleiben? Befinden wir uns dann in einer Krise? Diese Fragen wurden am Mittwoch unter dem Titel „Wie exklusiv ist die Demokratie?“ im Verlagsgebäude des Tagesspiegels auf Einladung der Max- Planck-Gesellschaft diskutiert.

Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen, betonte, dass die Nichtwähler in den letzten Jahren so manche Wahl entschieden hätten. Kann eine Partei ihre Anhänger nicht so stark mobilisieren wie ihre Konkurrenten, hat sie am Wahlsonntag das Nachsehen. Warum Menschen nicht wählen gehen, hat unterschiedliche Gründe. Zum einen gebe es die Gruppe der „Zufriedenen“, sagte Korte, die keine Veränderung will. Zum anderen habe man es mit „konjunkturellen Nichtwählern“ zu tun, die aus verschiedensten Gründen nicht zur Urne gehen. Die könnten prinzipiell aber wieder motiviert werden.

Deutlich schwieriger ist das hingegen bei den bildungsfernen Nichtwählern, wie Armin Schäfer vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung erklärte. Das seien oftmals sozial Schwache, die von der Politik nichts mehr erwarten würden. Für die sozial Bessergestellten ergibt sich das umgekehrte Bild. „Je höher der Bildungsabschluss, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass jemand zur Wahl geht“, sagte Schäfer.

Karen Schönwalder, die für das Max- Planck-Institut multireligiöse und multiethnische Gesellschaften erforscht, betonte die Probleme, vor denen in Deutschland lebende Ausländer stünden. Zwar können die immer öfter mitwählen, so zum Beispiel EU-Angehörige auf Kommunalebene. Dennoch gebe es einen Trend, wonach Ausländer und Menschen mit Migrationshintergrund seltener an Wahlen teilnehmen würden als Deutsche. Ihre Ansichten finden dann kaum Gehör und werden folglich kaum artikuliert.

Aus Sicht des Rechtswissenschaftlers Christoph Möller von der Berliner Humboldt-Universität ist das zwar richtig. Deutschland habe ein „Exklusionsproblem“. Wenn Menschen sich entschließen, nicht zur Wahl zu gehen – unabhängig von Bildung und Herkunft – bedeute das aber noch lange nicht, dass sich unser System in einer Krise befindet. „Eine demokratische Wahl muss die Gesamtbevölkerung nicht zu 100 Prozent abbilden“, argumentierte der Jurist. Wahlbeteiligungen von 90 Prozent, wie es sie in Deutschland noch in den 70er Jahren gab, seien nicht der Normalzustand. Das zeige der Vergleich mit anderen Ländern.

Gleichwohl – da waren sich die Diskutanten einig – sei es schon wichtig, möglichst viele Menschen einzubinden. Heute würde in der Politik das Taktieren überwiegen, sagte Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt. Inhaltliche Debatten gebe es hingegen immer weniger. Damit stimmte Politologe Korte überein. „Mobilisierung gibt es vor allem durch Polarisierung.“ Wenn sich die Parteien also in ihren Angeboten klar unterscheiden würden, ziehe das auch Wähler an, so die Analyse. Andererseits gebe es in Deutschland auch ein hohes Bedürfnis nach Konsens, meinte Jurist Möllers. Zu hart dürfe die Auseinandersetzung deswegen also auch wieder nicht sein. Grundsätzlich ablehnen würde die Mehrheit der Deutschen die Demokratie aber nicht, wie Gesellschaftsforscher Schäfer sagte.

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