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Währung: "Der ganze Euro-Raum steht im Fadenkreuz der Spekulanten"

Die Regierung denkt über einen Europäischen Währungsfonds als Konsequenz aus der Griechenland-Krise nach. Ist die SPD damit einverstanden, Herr Gabriel?

Ich bin froh, dass nun wenigstens der deutsche Finanzminister diese Idee der Sozialdemokraten aufgegriffen hat. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, Martin Schulz, und der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Europas, Poul Nyrup Rasmussen, haben das schon vor Wochen vorgeschlagen. Wir wollen bei der Europäischen Investitionsbank einen Hilfsfonds einrichten. Daraus könnten sich EU-Mitglieder mit Zahlungsschwierigkeiten zu normalen Zinsen mit Krediten versorgen. Auf diese Weise würden die Spekulationen der Hedgefonds auf den Bankrott einzelner EU-Staaten sowie den Niedergang des Euro ausgebremst.

Muss Deutschland notfalls Steuergelder einsetzen, um den Bankrott von EU-Mitgliedern zu verhindern und den Euro zu retten?

Nein, das müssen wir nicht. Wir müssen aber verhindern, dass Spekulanten die Kreditaufnahme von Staaten wie Griechenland massiv erschweren. Ich werfe der Bundesregierung vor, dass sie dagegen nichts unternommen hat. Die Vorschläge unseres früheren Finanzministers Peer Steinbrück zur Regulierung der Finanzmärkte sind nicht umgesetzt. Nicht nur Griechenland, sondern der ganze Euro-Raum steht im Fadenkreuz der Spekulanten. Und was tut Frau Merkel? Statt mit Frankreich oder Spanien die Initiative zu ergreifen und den Geheimhandel mit Kreditversicherungen zu verbieten, beschäftigt sie sich mit Nebensächlichkeiten. Auf ihrer Tagesordnung rangieren die Berufsvertriebene Steinbach, die Profilneurose des Außenministers und die täglichen Rüpeleien in der Regierung weit höher als die größte Gefahr für Arbeit und Wohlstand seit Gründung der EU.

Wie soll die EU künftig dafür sorgen, dass Mitglieder sich nicht zu hoch verschulden?

Erstens muss untersucht werden, warum niemand der griechischen Verschuldung Einhalt geboten hat. Es hat mit Sicherheit ausreichend Hinweise darauf gegeben, dass Griechenland falsche Zahlen nach Brüssel gemeldet hat. Die Bürger Europas haben ein Recht darauf zu erfahren, warum die EU-Kommission mit Präsident Barroso an der Spitze bei der Kontrolle derart versagt hat. In Deutschland müsste sich in einem solchen Fall der Regierungschef vor einem Untersuchungsausschuss verantworten. Sollte sich herausstellen, dass Barroso Warnungen ignoriert hat, wäre das ein Riesenskandal. Zweitens müssen wir klären, ob wir schärfere Kontrollregeln in Europa brauchen. Auch da muss die Tu-nix-Kanzlerin Merkel endlich die Initiative ergreifen.

Kann eine Währungsunion auf Dauer ohne eine gemeinsame Finanz- und Haushaltspolitik funktionieren?

Es war der Geburtsfehler der Europäischen Währungsunion, auf eine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik verzichtet zu haben. Wohin das führt, zeigt sich jetzt. Aber Frau Merkel hat den Vorschlag des spanischen Regierungschefs Zapatero für eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik brüsk zurückgewiesen. Kein Wunder, denn die Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP ist dabei, ebenfalls gigantische Schuldenberge aufzutürmen, weil sie völlig unsinnige Steuergeschenke verteilt. Merkel kocht schon lange nicht mehr nach dem Rezept der sparsamen schwäbischen Hausfrau, die sie noch im Wahlkampf gelobt hat. Inzwischen sind auch bei ihr griechische Rezepte in Mode. Die 80 Milliarden Euro Neuverschuldung in diesem Jahr sind nur der Appetithappen für den ungezügelten Hunger der Lobbyisten bei dieser Koalition. Das alles ist auch deshalb unverantwortlich, weil Deutschland wie kein anderes Land von einer starken EU und einem stabilen Euro profitiert. Wir exportieren vor allem in andere EU-Staaten. Wenn einzelne Mitglieder schwach werden, kostet das in Deutschland Arbeitsplätze.

- Sigmar Gabriel ist SPD-Vorsitzender. Die Fragen stellte Stephan Haselberger.

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