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PKK Kämpfer 2013 auf dem Weg in den Nord-Irak.

© Reuters

Waffen für die PKK im Kampf gegen IS?: Neue Fronten, alte Wunden

Auch die kurdischen PKK-Rebellen fordern Waffen im Kampf gegen die Terrorgruppe IS im Irak. Kriegen sie die Waffen?

Zur Unterstützung ihres Kampfes gegen die Dschihadisten-Gruppe „Islamischer Staat“ (IS) sollen die nordirakischen Kurden deutsche Waffen erhalten. Obwohl das Kriegsgerät für die Peschmergas, die Streitkräfte der kurdischen Autonomiezone im Nordirak, gedacht sind, verlangen die türkisch-kurdischen Rebellen von der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ebenfalls Waffen aus dem Westen. Cemil Bayik, ein Mitglied der PKK-Führung, die im Nordirak ihr Hauptquartier mit mehreren tausend Kämpfern unterhält, sagte der FAZ, der IS könne nur besiegt werden, wenn „jene Kräfte mit Waffen ausgestattet werden, die am effektivsten gegen die Terrorgruppe vorgehen“. Diese Forderung wirft heikle Fragen auf, denn die PKK befindet sich immer noch im Krieg mit dem Nato-Land Türkei.

Für wen sind die deutschen Waffen?

Wie andere westliche Staaten auch will Deutschland die Peschmergas mit modernen Waffen versorgen, um den Vormarsch des IS zu stoppen. Es geht also um Lieferungen an die Sicherheitskräfte des Präsidenten des irakischen Kurdengebietes, Masud Barzani. Seine Peschmergas hatten sich in den vergangenen Wochen dem IS entgegengestellt. Die Armee der irakischen Zentralregierung, deren Soldaten im Juni vor dem IS geflohen waren und damit die raschen Geländegewinne der Dschihadisten-Gruppe ermöglicht hatten, sollen keine Waffen bekommen.

Könnte es sein, dass auch die PKK an deutsche Waffen kommt?

Mit einigem Recht beansprucht die PKK für sich einen wichtigen Anteil an den militärischen Erfolgen gegen die islamistschen Kämpfer in jüngster Zeit. Mitglieder der von dem IS verfolgten Glaubensgemeinschaft der Jesiden berichteten, dass Barzanis Peschmergas trotz vorheriger Schutzzusagen vor dem IS geflohen seien. Kurdenkämpfer der PKK und des PKK-Ablegers aus Syrien dagegen kämpften einen Korridor frei, der den Jesiden die Flucht ermöglichte. „Ohne die PKK wären mehrere tausend Menschen getötet worden“, sagte Veysel Ayhan, Direktor der Denkfabrik IMPR in Ankara.

Nicht zuletzt aus dieser militärischen Leistung leitet die PKK nun die Forderung nach westlichen Waffen ab. Allerdings gilt die PKK in der Türkei, der EU und den USA als Terrororganisation; direkte Waffenlieferungen wird es deshalb nicht geben. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass deutsche Waffen von den nordirakischen Peschmergas an die kurdischen Vettern von der PKK weitergegeben werden, wenn es die militärische Lage an einem Brennpunkt erfordert.

Theoretisch könnte die PKK diese Waffen dann auch im noch ungelösten Konflikt mit der Türkei einsetzen: Kriegsgerät aus Nato-Staaten würden dann im Kampf gegen ein Nato-Land verwendet. Einige Experten wie Ayhan erwarten zudem eine Debatte darüber, ob die PKK angesichts ihres Kampfes gegen den IS von den Terrorlisten westlicher Staaten gestrichen werden sollte.

Wie steht es derzeit um den Konflikt zwischen der PKK und der Türkei?

Erst vor wenigen Tagen wurde die türkische Öffentlichkeit von einem Ereignis aufgeschreckt, das an überwunden geglaubte Zeiten erinnerte. Im südostaNatolischen Kurdengebiet nahe der iranischen Grenze wurde ein junger türkischer Soldat in einem Gefecht mit PKK-Rebellen getötet. Der 23-jährige war der erste Gefallene der türkischen Armee im PKK-Konflikt seit Januar 2013. Ebenfalls vor wenigen Tagen starb ein 24-jährige Kurde bei Auseinandersetzungen zwischen kurdischen Demonstranten und den Sicherheitskräften im Landkreis Lice, wo im August 1984 der Aufstand der PKK begann.

Noch vor wenigen Jahren wären die Nachrichten von den beiden Todesfällen kaum beachtet worden: Damals waren Tote an der Tagesordnung. Mehr als 40 000 Menschen starben, seit die PKK vor 30 Jahren den Kampf aufnahm.

Seit Dezember 2012 gibt es Hoffnung auf Frieden: Damals startete die Regierung von Recep Tayyip Erdogan vertrauliche Gespräche mit dem inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan über eine friedliche Beilegung des Konflikts. Im März 2013 rief Öcalan eine Waffenruhe aus und sagte kürzlich, der Konflikt gehe seinem Ende entgegen. Doch wie die beiden Toten zeigen, kann von Frieden noch keine Rede sein. In der Region herrscht Angst vor neuen Gefechten.

Um was geht es in den Verhandlungen zwischen Erdogan und der PKK konkret?

Erdogan will die PKK zu einer endgültigen Entwaffnung bewegen und verspricht großzügige Autonomieregeln für die mehrere n tausend Kämpfer. Zu den Hauptforderungen der Kurden gehören mehr lokale Autonomie, muttersprachlicher Kurdisch-Unterricht in staatlichen Schulen und die Freilassung Öcalans, der seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali bei Istanbul eine lebenslange Haftstrafe verbüßt.

Wie steht die Türkei zu den Waffenlieferungen an die Kurden im Irak?

Der türkische Nationalistenchef Devlet Bahceli schimpfte vor einigen Tagen, die nordirakischen Kurden und die PKK würden durch den Konflikt mit dem IS vom Westen aufgewertet. Regierungspolitiker haben sich noch nicht zu den Waffenlieferungen geäußert, doch in den türkischen Medien werden die Pläne mit großer Skepsis betrachtet. In einer Zeit, in der die PKK mit militärischer Stärke den IS zurückdränge und damit im Westen punkte, sei im türkisch-kurdischen Friedensprozess wohl kaum mit der Bereitschaft der Rebellen zu rechnen, die Waffen niederzulegen, schrieb der Politologe Sedat Laciner in einem Beitrag für ein Online Portal. Der Westen müsse vor Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak mit seinem Verbündeten Türkei reden und die militärische Unterstützung für die Peschmerga von der Zustimmung Ankaras abhängig machen, forderte Laciner deshalb. Die USA, Frankreich oder Deutschland werden allerdings kaum bereit sein, der Türkei ein solches Vetorecht einzuräumen – immerhin steht Ankara im Verdacht, den IS zumindest zeitweise im syrischen Bürgerkrieg unterstützt zu haben.

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