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Waffenhandel: Die Panzerfamilie

Saudi-Arabien will ihn, ebenso Indonesien und Katar. Der Leopard 2 ist ein beliebter Exportartikel. Krauss-Maffei Wegmann stellt ihn her und die Familie Braunbehrens verdient mit. Ein deutsches Sittenbild.

Burkhart Braunbehrens kommt mit dem Zug. Er muss nicht erst aussteigen, um bei seiner Familie anzukommen. Zügen verdanken die Braunbehrens’ ihr Vermögen. In den 20er Jahren kauften Vater und Onkel Anteile an der Firma Wegmann, die Schlaf- und Speisewagen baute. „Auch den Salonwagen von Hitler“, wird Braunbehrens später sagen. Verachtung wird mitschwingen dabei, aber auch ein bisschen Wichtigtuerei. So wie man auf Familientreffen über schlimme Verwandte spricht. Also mit dem Stolz, dass sie auch dazugehören.

Burkhart Braunbehrens trägt ein helles Leinenhemd, Jeans und Segelschuhe, das weiße Haar ist verwuschelt. Ein Künstlertyp. Braunbehrens ist tatsächlich Künstler, er malt und fertigt Skulpturen. Aber auf dem Berliner Hauptbahnhof steht er, weil er als Waffenhändler beschimpft wird. Und er will einiges klarstellen. Denn der Besitz seiner Familie ist heute Teil von Krauss-Maffei Wegmann, jener Panzerfirma, die den Leopard 2A7+ an Saudi-Arabien liefern soll, und angeblich an Katar.

Um die 50 Prozent halten die Braunbehrens’ an der Panzerfirma, der Rest gehört weiteren Familien. Es geht um viel Geld, zwei Milliarden angeblich für die 270 Leopard-Modelle, die Saudi-Arabien kaufen will. Und es geht um Kriegsgerät. Auf der Homepage von Krauss-Maffei Wegmann sieht man Schützenpanzer, Raketenwerfer und Haubitzen zwischen Barrikaden stehen oder durch den Sand rollen. Und eben den Leopard, eines der modernsten und teuersten Waffensysteme. Braunbehrens nennt ihn „den Leo“.

Die Braunbehrens’ sind stille Teilhaber, und sie haben immer geschwiegen. Selbst die, die in der Öffentlichkeit stehen. Adrian und Volkmar Braunbehrens etwa, beide Publizisten, der eine forscht über den Mundartdichter Hebel, der andere über Mozart. Das Schweigen gehört zur Waffenindustrie. Weil es um diskrete Geschäfte geht. Und weil man auch in Deutschland ungern darüber redet, dass hierzulande jedes Jahr Rüstungsexporte im Wert von 6,9 Milliarden Euro genehmigt werden. Ein Drittel davon sind Waffen. Nur Burkhart Braunbehrens ist nicht mehr still. Er ist 71, er will über Waffen reden und über Moral.

Die Braunbehrens’ wurden aufgeschreckt. Seit die Künstlergruppe „Zentrum für Politische Schönheit“ im Juni dieses Jahres enthüllte, wer hinter Krauss-Maffei Wegmann steht, weiß man: Es sind viele Künstler und Akademiker. Eine Schwester von Burkhart Braunbehrens ist Therapeutin, eine andere schrieb Reiseführer, ein Schwager forschte über Homer. Volkmar Braunbehrens war Vorstandsmitglied der Bürgerrechtsbewegung Humanistische Union, sein Zwillingsbruder Burkhart in der Studentenbewegung. Wie geht das alles zusammen? Die Familie muss sich plötzlich rechtfertigen, vor der Öffentlichkeit und vor sich selbst wohl auch.

Es ist ein warmer Samstagmorgen, Braunbehrens bahnt sich seinen Weg durch den Berliner Hauptbahnhof. Überall Gedränge, volle Züge. Braunbehrens ist weit gefahren. Von der Pfalz, wo er in einem Wohnprojekt lebt, nach Hamburg, wo er Journalisten traf, jetzt nach Berlin. Er war auch im Fernsehen, beim Greenpeace-Magazin und hat an einem Streitgespräch mit der Theologin Margot Käßmann teilgenommen. Es sei „befreiend“ zu reden, sagt Braunbehrens. Er ist ein hagerer, zugewandter Mann, der mit weichem süddeutschen Akzent spricht. Krauss-Maffei Wegmann nennt er „die Firma“, so wie er die anderen Braunbehrens’ nur „die Familie“ nennt. Der Vater habe die Firma in die Familie gebracht, sagt er. Und dort soll sie bleiben. Es gebe „ein Konstrukt“, sagt er, „dass das nicht an Dritte veräußert werden darf“. Näheres will er nicht sagen, er hat Angst, von der Firma verklagt zu werden.

Die Vergangenheit hat schon einige deutsche Industriellenfamilien eingeholt, ob die Thyssens oder die Quandts. Jetzt auch die Braunbehrens’. Die Eisenbahnfirma Wegmann produzierte nämlich bald Panzer, während des Zweiten Weltkrieges wurden Zwangsarbeiter eingesetzt. Ein russischer Wegmann-Arbeiter soll vom Werkschutz ermordet worden sein.

In seiner Kindheit spielten Waffen keine Rolle

Die Firma habe in seiner Kindheit, seiner Jugend keine Rolle gespielt, sagt Braunbehrens. Die Eltern arbeiteten beide, sie waren Ärzte, „liberal gesinnt“. Die fünf Geschwister durften studieren, was sie wollten. Als Burkhart in den 60er Jahren Geld von seiner Großmutter erbte, spendete er es dem Kommunistischen Bund Westdeutschlands, der es für eine Druckerei brauchte. Heute druckt dort die linksalternative „taz“. In sein Leben kamen das Geld und die Panzer erst Mitte der 80er, nach dem Tod des Vaters. „Ich hatte nie eine naturwüchsige Sympathie dafür“, sagt er, „wir hatten damit alle nichts am Hut.“ Er entschloss sich trotzdem, „die Vorteile der Beteiligung zu genießen“, von dem Geld zu leben, um seine Kunst zu machen. Braunbehrens nennt es „Pakt“.

Er steigt in eine S-Bahn Richtung Mitte, blickt lange aus dem Fenster. Häuserschluchten, glitzerndes Wasser. Braunbehrens ist schnell beim Thema Krieg. Man kann das sehen wie seine Kritiker: Braunbehrens hat sich seine Künstlerfreiheit erkauft, indem er seine Ideale verriet.

Eine andere mögliche Erklärung führt zum Savignyplatz, wo sein Zwillingsbruder Volkmar lebte, der Mozart-Biograf. Hätte er die S-Bahn in die Gegenrichtung genommen, wäre es eine Reise in die Zeit geworden, als er, sein Bruder und Ihresgleichen überzeugt davon waren, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt.

Berlin, 1968. Die Wohngemeinschaft am Savignyplatz ist stadtbekannt, hier wird Revolution gemacht. Vorne dabei: Volkmar Braunbehrens, Student der Germanistik, engagiert bei der kommunistischen „Roten Zelle“. Ein Mittzwanziger, groß und hager, dunkler Pony. Er spielt Klavier, komponiert, interessiert sich für Zwölftonmusik. Sein Spitzname: Ares, wie der römische Kriegsgott. Kommilitonen erinnern sich, er sei ein „Gremien-Fuchs“ gewesen, einer, der mit Professoren argumentieren kann. Um seine Herkunft wissen damals wenige. Sein Geld verdient er, indem er vor der Mensa Hippie-Schlipse verkauft.

Einmal muss er ins Berliner Abgeordnetenhaus, als Zeuge geladen vor einen Untersuchungsausschuss. Es geht um „Zwischenfälle und Unruhen“ an der Freien Universität, so steht es im Protokoll. Studenten hatten einen Sitzungsraum gestürmt, Parolen gerufen. Im Abgeordnetenhaus beginnt eine typische Konfrontation: alte Professoren gegen junge Studenten. Ob man die Hausordnung übertreten dürfe, wird Volkmar von Braunbehrens gefragt. „Ich würde immer sagen, dass man sich über das Gesetz hinwegsetzen darf in gewissen Dingen.“ Er habe sich stets für Schwache starkgemacht, den Postbeamten etwa, der 200 000 Mark unterschlagen hatte und studieren wollte. Zu seiner Beteiligung am Panzer-Hersteller Krauss-Maffei Wegmann will er sich heute nicht äußern.

Seine Firma kann man sich manchmal ebenso wenig aussuchen wie seine Familie. Vielleicht ist es ja so: Dass unter den Eigentümern einer Panzerfirma Humanisten und Hippies sind, macht sie zu einem leichten Opfer. „Wir sind ein weiches Ziel“, sagt Burkhart Braunbehrens.

Am Bahnhof Friedrichstraße ist er ausgestiegen. Vor einigen Wochen noch hätte er hier seinen Namen auf Steckbriefen wiedergefunden, als Teil einer Kunstaktion. „Belohnung 25 000 Euro“ stand darauf in Wildwestschrift, für Hinweise, egal welcher Art, die ihn hinter Gitter bringen sollten. Die Kampagne wird im Internet weitergeführt. Sie ist kämpferisch, aggressiv. Aus dem Umfeld der Braunbehrens’ hört man, dass eine Lehrerin seither nicht mehr unterrichten kann. Und Burkhart Braunbehrens bekam anonym Patronenhülsen zugeschickt.

Philipp Ruch ist einer der Initiatoren der Kampagne. Ein junger Künstler mit braunem Vollbart, gerade Vater geworden, und eigentlich Politologe, der seine Dissertation zum Thema Ehre schreibt. Wir sprechen am Telefon, im Hintergrund gluckst das Baby. Ist es gerechtfertigt, Einzelne an den Pranger zu stellen? Ruch sagt, es sei schizophren, wenn sich Leute, die von Waffen lebten, mit denen Demokratiebewegungen niedergeschlagen würden, aus moralischen Gründen empörten.

Der Abgeordnete Jan van Aken sieht das genauso. Unter den Linden, in einem gläsernen Gebäude des Bundestages hat van Aken sein Büro. Früher hat er als Biowaffeninspekteur für die Uno in New York gearbeitet, jetzt sitzt er für die Linkspartei im Bundestag. Immer, wenn in Nordafrika und in der arabischen Welt Menschen sterben, seien die Deutschen durch ihre Präzisionswaffen beteiligt, sagt er. Die Ironie, dass ihm als Linken andere Linke als Besitzer einer Waffenfirma gegenüberstehen, wischt er beiseite. „Solche Salonkommunisten waren mir schon mit 18 suspekt.“ Er sagt, Krauss-Maffei Wegmann sei eine untypische Waffenfirma. Normalerweise würden Firmen in dieser Branche versuchen, durch Fusionen größer zu werden, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Bei Krauss-Maffei Wegmann würden die Familien aber genau dies verhindern. Als solle die Firma für immer an die Familie gebunden bleiben.

Mit 70 will Burkhart Braunbehrens es nochmal wissen

Die Familie. Burkhart Braunbehrens seufzt. „Der Familie wäre sicher angenehmer, wenn sie das Thema nicht hätte.“ Die Lieferung nach Saudi-Arabien habe niemand gutgeheißen. Auch habe man oft überlegt, wie sich die Firma auf zivile Produkte verlegen könne. Ob und wie man „das Ding“ loswerden könne.

Braunbehrens betritt ein Hinterzimmer des Café Einstein Unter den Linden. Wochentags wird hier Politik gemacht, jetzt ist es leer. Braunbehrens’ Handy klingelt. Sein Sohn ist dran, Student in Berlin, er will ihn treffen. Die Frage ist wo? Burkhart Braunbehrens fragt, was „am relaxesten“ sei, ruft „Okidok!“ ins Telefon. Seine Stimme wird weich, man merkt, wie wichtig ihm die Familie ist.

Er selbst ist, wie sein Bruder Volkmar, von der Studentenbewegung geprägt. Er studierte Wirtschaft, Philosophie und Soziologie, verteilte vor Fabriken Flugblätter, war Chefredakteur der „Kommunistischen Volkszeitung“. 1968 demonstrierte er in Heidelberg. Es ging gegen den Vietnamkrieg und gegen den US-Politiker Robert McNamara, Braunbehrens nennt ihn „Kriegsminister“. Polizei und Studenten gerieten aneinander, Braunbehrens und fünf andere kamen vor Gericht. „Wir haben die Richter gut verarscht“, sagt Braunbehrens, es klingt stolz. Unter den Verteidigern: Otto Schily, der spätere Bundesinnenminister. Braunbehrens wurde verurteilt, saß sechs Monate in der JVA Ludwigsburg. Dort machte er eine Buchbinderlehre, sein Gesellenstück: die Schriften Maos in grünem Einband mit roter Schrift. Braunbehrens sagt, er wolle „die Zeit nicht missen“. Er sei ja nicht „als Verbrecher im Knast gesessen, sondern als Überzeugungstäter“. Weil er gegen den Krieg demonstriert hatte, weil er auf der richtigen Seite stand.

Wird man so, weil man von einem Erbe belastet ist, oder ist es das Erbe, das solche Lebensläufe ermöglicht?

Die Spurensuche führt zum Vater. Hans von Braunbehrens, 1901 in eine Juristenfamilie hineingeboren. Er arbeitete als Radiologe an der Universität Freiburg, später war er Professor in München. Ein umtriebiger Mann, der sein Geld in Industrieunternehmen steckte, mit 70 trat er noch auf Aktionärsversammlungen auf. Aber es finden sich über ihn auch Dokumente im Universitätsarchiv Freiburg, die Entnazifizierungsakte. Aus ihr geht hervor: Hans von Braunbehrens, der Mediziner, war Oberscharführer bei der SS. Ein höherer Rang. Eingetreten ist er 1933, „aus idealistischer Einstellung heraus“, wie es in der Akte heißt.

Die Braunbehrens’, wird einem klar, sind eine sehr deutsche Familie.

Sehr deutsch kommt einem auch dieses Durcheinander von moralischen Standpunkten vor. Burkhart Braunbehrens ist dagegen, Leopard-Panzer an Saudi-Arabien zu liefern. Aber er ist auch dagegen, wie hierzulande über Waffen geredet wird. „Das ist Wohlstandspazifismus und der Tatsache geschuldet“, sagt er, „dass wir seit 60 Jahren in Frieden leben dürfen. Ein Land wie Deutschland kann sich nicht bei von der Uno beschlossenen Friedensmissionen einfach raushalten, sondern muss sich zivil und militärisch beteiligen. Dafür braucht es Rüstungstechnologie.“

Gerade sei er in Mannheim bei einem Denkmal für Deserteure des Zweiten Weltkriegs gewesen, erzählt Braunbehrens, darauf stand: „Jeder Krieg ist ein verlorener Krieg.“ Der Spruch sei falsch, sagt Braunbehrens. „Man muss glauben, dass es eine Welt ohne Waffen geben kann. Aber man darf nicht glauben, dass man sich raushalten kann.“

Mit Ende 60 wollte es Braunbehrens noch mal wissen. Er ließ sich ins Kontrollgremium der Firma wählen, weil „man so ein Ding nicht erben kann, ohne Verantwortung zu tragen“. Endlich mitreden wollte er, das richtige Leben im falschen versuchen. Zu dritt saßen sie dort, zwei Manager und er, der Künstler. Er besuchte Konferenzen, traf Politiker und Soldaten. Er habe Studien zur Zukunft der Rüstungsindustrie gewälzt und darauf hingewiesen, „dass die Gesellschafter grundsätzliche moralische Probleme haben“. Geändert habe das nichts.

Braunbehrens redet jetzt im Café schnell und viel. Manchmal wirkt er, als wolle er seine Absolution herbeireden. Ein Erbe, das man nicht verkaufen könne, sei „eine moralische Erpressung“, sagt Braunbehrens. Und es herschenken „an die, die das Geschäft betreiben wollen“, sei kein verantwortlicher Umgang damit. Braunbehrens sagt, die Familie dringe in der Waffenfirma ebenso wenig durch wie die Öffentlichkeit. Von den Geschäften mit Saudi-Arabien habe er, wie alle Gesellschafter, aus der Zeitung erfahren. Als er die Firma dafür kritisierte und nicht damit aufhörte, warf man ihn aus dem Gesellschaftsrat. Jetzt will er zumindest in der Öffentlichkeit mitreden.

Ob die Familie wirklich so gar nichts mitbekommt? Jan van Aken, der Abgeordnete, hält das für unwahrscheinlich, es gebe Geschäftsberichte. „Ich glaube, die Familie fragt nicht nach, deswegen weiß sie nichts.“ Die Braunbehrens’ wären nicht die erste Familie, die das, was sie ausmacht, nicht wahrhaben will.

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