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Konflikt in der Ukraine. Schrift auf den Betonblöcken steht: "Freie Ukraine". Die Waffenruhe wurde nicht verlängert.

© dpa

Update

Waffenruhe nicht verlängert: Vierertreffen zum Ukraine-Konflikt in Berlin

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat die Waffenruhe in der Ukraine nicht verlängert. Nun wollen sich die Außenminister von Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine am Mittwoch in Berlin treffen.

Seit Dienstagmorgen wird in der Ukraine wieder gekämpft. Nun werden sich am Mittwoch die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine in Berlin zu einem Vierertreffen zum Ukraine-Konflikt zusammenkommen. Dies verlautete am Dienstagabend aus französischen Diplomatenkreisen in Paris. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte am Montagabend eine zehntägige Waffenruhe aufgekündigt und erneut eine Großoffensive gegen die prorussischen Separatisten im Osten des Landes gestartet. Während im Westen die meisten Politiker mit einer Verlängerung der Waffenruhe gerechnet haben und die Wiederaufnahme der Anti-Terror-Aktion kritisieren, findet die Entscheidung von Präsident Petro Poroschenko in der Ukraine große Zustimmung.

Wie ist die aktuelle Situation im Donbass?

Kurz nachdem der ukrainische Präsident Poroschenko am Dienstagmorgen die Wiederaufnahme der „Anti-Terror-Operation“ und damit das Ende der zehntägigen Waffenruhe in einer TV-Ansprache verkündet hatte, starteten in zahlreichen ukrainischen Städten die Kämpfe zwischen pro-russischen Separatisten und der ukrainischen Armee. Aus der Großstadt Donezk werden die heftigsten Kämpfe seit Ausbruch der Unruhen Anfang April gemeldet. Militante stürmten das Gebäude des Innenministeriums, dabei kam ein Polizist ums Leben, andere wurden schwer verletzt.

In der Nähe von Slowjansk soll die ukrainische Armee ein Ausbildungs- und Trainingslager der Separatisten zu zerschlagen haben. Nach Medienberichten wurden 250 Rebellen getötet. Die Hälfte der Toten soll aus Tschetschenien stammen, die anderen seien aus Russland, heißt es. Wenn sich diese Zahlen bestätigen sollten, wäre das der bisher höchste Verlust der Separatisten.

Auch die Opfer unter der Zivilbevölkerung steigen drastisch an. Das Zentrum der Industriestadt Kramatorsk wurde am Dienstag stark beschossen, dabei sollen mindestens sechs Zivilisten ums Leben gekommen sein. Etliche Bewohner haben die Stadt schon vor Wochen verlassen.

Warum hat Poroschenko die Waffenruhe nicht verlängert?

Der erst knapp einen Monat amtierende Präsident Poroschenko sieht sich großem Druck ausgesetzt. Seine Anhänger, viele ukrainische Medien und Oligarchen fordern ein hartes Vorgehen gegen die Separatisten. Die Motive sind unterschiedlich. Während die Geschäftsleute den Verlust weiterer Teile der Ukraine und somit um ihren Besitz fürchten, fordert die Politik einen unumkehrbaren Weg Richtung Europa. Die Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens Ende vergangener Woche kann als Richtungsentscheidung gelten. Poroschenko selber hätte nach Einschätzung von Beobachtern wohl auf die Einwände der EU und Russlands gehört und die Waffenruhe noch einmal verlängert. In seiner TV-Ansprache sagte er, ein Krieg sei ohne Opfer nicht zu führen. Doch: „Bisher hat es keinen Krieg gegeben, der nicht mit Frieden endete, und so wird es auch dieses Mal kommen.“

Steinmeier hofft noch auf Vermittlung, Putin kritisiert den Westen

Was sind die Konsequenzen?

Poroschenko hat mit seiner Entscheidung eine große politische Mehrheit auf seiner Seite und hofft offenbar auf einen überschaubaren Zeitrahmen der neu gestarteten Anti-Terror-Aktion. Trotzdem stellt sich die Ukraine auf einen harten Kampf mit Russland ein. In der EU mehren sich die Stimmen, die schärfere Wirtschaftssanktionen gegen Russland fordern. Solche Strafmaßnahmen würden jedoch auch europäische Firmen treffen.

Verschlechtert sich nun auch das Verhältnis des Westens zur Ukraine?

Laut Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist zuvor eine internationale Vereinbarung zur Entschärfung der Ukraine-Krise nur knapp gescheitert. Den ganzen Montag über habe es Verhandlungen mit Russland, der Ukraine und Frankreich gegeben, sagte Steinmeier am Dienstag in Bonn. In den nächsten Tagen werde weiter versucht, doch noch eine Vereinbarung zu erreichen, sagte Steinmeier auf der Konferenz.

Andere, vor allem Länder aus Osteuropa, begrüßen den Schritt Poroschenkos, die Waffenruhe nicht zu verlängern. Vor allem in Polen und den Ländern im Baltikum ist die Befürchtung groß, ebenfalls von Russland bedrängt zu werden. Die USA könnten möglicherweise sogar militärische Unterstützung zur Verfügung stellen. Ein direktes Eingreifen des Westens ist derzeit jedoch nicht zu erwarten.

Wie reagiert Russland?

Kremlchef Wladimir Putin bedauerte am Dienstagnachmittag öffentlich, dass Moskau und Europa es nicht vermocht hätten, den Präsidenten der Ukraine davon zu überzeugen, dass „der Weg zum Frieden nicht über den Krieg führt“. Poroschenko lade sich mit der Fortsetzung der Offensive die volle Verantwortung für die Folgen auf. Der Westen habe die Entwicklungen in der Ukraine provoziert, kritisierte Putin weiter.

Kiew spricht von der Fortsetzung der „Anti-Terror-Operation“ gegen prorussische Milizen, Moskau dagegen von Protesten, mit denen die russischsprachige Bevölkerung in der Südostukraine ihr Recht auf nationale Selbstbestimmung durchsetzen will. Ein Prinzip, das aus russischer Sicht völkerrechtlich die gleiche Relevanz hat wie das Recht von Staaten auf territoriale Integrität.

Das Blutvergießen in der Ostukraine, heißt es in einer Erklärung des russischen Außenministeriums, müsse unverzüglich beendet werden. Verhandeln müssten die Zentralregierung in Kiew und die Separatisten. Der Konflikt sei ein innerukrainischer, in den Russland nicht als Partei involviert ist. Russische Experten fürchten jedoch, der Westen werde „weiter provozieren, um Russland zu einer militärischen Intervention in der Südostukraine zu verleiten“.

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