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Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD).

© dapd

Wahl in Bremen: Kompliziertes Wahlsystem

In Bremen wird bald gewählt. Weil die Bürger jetzt fünf Kreuze machen dürfen, hat die Verwaltung eine Aufklärungsaktion gestartet

Noch dreieinhalb Wochen bis zur Bürgerschaftswahl am 22. Mai – doch Bremen wirkt so beschaulich wie eh und je. Einige Plakate an den Hauptstraßen, hier und da ein kleines Wortscharmützel unter Politikern. Aber dass in dieser Woche die heiße Phase des Wahlkampfes beginnt, ist kaum zu spüren. „Wer Action will, dem empfehle ich einen Theater- oder Kinobesuch“, meinte die Grünen-Spitzenkandidatin, Finanzsenatorin Karoline Linnert, zum Vorwurf der „Bild“-Zeitung, dass „die Bremer Parteien schlafen“. Oder solle sie sich etwa wie die Jungfrau von Orleans in einer Rüstung auf die CDU-Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann stürzen? Nein, so etwas ist unbremisch.

Hinter den Kulissen wird aber engagiert gearbeitet. Zum Beispiel in der Bürgerschaftsverwaltung und beim Landeswahlleiter. Denn an der Weser wird erstmals nach einem für Bremen neuen System gewählt, und das ist wesentlich komplizierter zu verwalten als das alte: Die 500 000 Wahlberechtigten haben fünf Stimmen zu vergeben und nicht mehr nur eine. Und sie dürfen dabei „kumulieren“ und „panaschieren“ - ähnlich wie in Hamburg oder wie schon seit Jahren bei Kommunalwahlen in mehreren Ländern.

Was in Bayern oder Baden-Württemberg aber längst Routine ist, scheinen die Bremer Behörden dem Wahlvolk nicht so recht zuzutrauen: fünf Kreuze beliebig auf ganze Parteilisten und/oder auf einzelne Kandidaten innerhalb der Listen zu verteilen – ein bisschen wie beim Roulette, wo man auf Schwarz oder Rot oder auch auf einzelne Zahlen setzen kann, in jeder denkbaren Kombination.

Bürgerschaft und Innenbehörde haben schon vor Wochen eine Aufklärungskampagne „Gib mir fünf!“ gestartet. In Schnupperwahllokalen und auf einer eigens eingerichteten Internetseite können die Bürger schon mal das Ankreuzen üben. Sogar ein Video wurde produziert, das alle denkbaren Kreuzchenkombinationen abhandelt und daher wohl mehr zur Verwirrung als zur Aufklärung beiträgt. In diesen Tagen bekommen die Wahlberechtigten außerdem ein Musterstimmheft ins Haus geschickt, damit sie schon mal die Politikernamen studieren können.

Das neue System hat auch Folgen für die Kandidaten: Bisher brauchten sie nur für ihre Partei Wahlkampf zu machen – jetzt sollten sie tunlichst auch für sich selbst werben. Das kann ins Geld gehen und bevorzugt somit die Wohlhabenderen. Die im Dauer-Abo regierende SPD erwartet von ihren Bewerbern, dass sie jeweils bis zu 250 Euro an die Partei spenden, wenn sie ein persönliches Werbefaltblatt gedruckt haben möchten. Bei den mitregierenden Grünen müssen Kandidaten, die ein eigenes Faltblatt oder Plakat wünschen, komplett selbst dafür löhnen. Die CDU-Opposition stellt ihren Bewerbern zwar eigene Flyer und Visitenkarten zur Verfügung, wollte im Gegenzug aber ursprünglich 800 Euro Wahlkampfspende einfordern, jedenfalls von den 20 Bestplatzierten. Das löste einigen Unmut aus, das Thema wurde vertagt.

Dass die seit 2007 regierende rot- grüne Koalition unter Bürgermeister Jens Böhrnsen im Amt bestätigt wird, steht so gut wie fest. Dennoch bleibt einiges spannend: Etwa ob die Grünen der CDU den zweiten Platz abluchsen können. Wie sich mehrere neue Wählergemeinschaften schlagen. Ob die NPD erstmals seit 1968 wieder in einen westdeutschen Landtag einzieht. Und wie sich die knapp 10 000 Jugendlichen verhalten, die zum ersten Mal ein deutsches Landesparlament mitwählen dürfen, denn in Bremen gilt neuerdings Wahlrecht ab 16.

Auf die Jungwähler stürzten sich als Erstes die Rechtsextremisten: mit einer Musik-CD, die vor Schulen verteilt, aber gleich von der Polizei einkassiert wurde. Die CDU hofft vor allem auf die Anziehungskraft einer 21-Jährigen auf Listenplatz 5. Die Grünen planen unter anderem eine gemeinsame Wahlkampfaktion ihrer Jugend- und Altenverbände: Rollerskates plus Rollatoren. Von den Sozialdemokraten werden die Jungwähler weniger umworben. Der mit 22 Jahren jüngste SPD-Bewerber kandidiert weit abgeschlagen auf Platz 58. Aber wer schon seit 1945 den Bürgermeister stellt, kann wohl etwas gelassener in den Wahlkampf ziehen.

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