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Wahl in Polen: Klarer Sieg, große Probleme für Donald Tusk

Erstmals seit der Wende wird eine polnische Regierung für eine zweite Amtszeit bestätigt. Der Liberale Donald Tusk steht vor einer Reihe großer Herausforderungen.

Nach Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen hat in Polen die regierende Bürgerplattform (PO) des Liberalen Donald Tusk mit 39,2 Prozent (2007: 41,5 Prozent) der Stimmen die Parlamentswahlen vom Sonntag klar gewonnen. Mit 206 Abgeordneten stellt sie die mit Abstand stärkste Fraktion im neuen Sejm, dem polnischen Parlament.

Die bisherige Juniorregierungspartnerin, die Bauernpartei PSL, kam auf überraschend gute 8,4 Prozent (2007: 9 Prozent) und stellt damit 28 Abgeordnete. Vor der Wahl erschien es als unsicher, ob die in den Dörfern verankerte PSL die Fünfprozenthürde erneut überschreiten kann. Parteichef Waldemar Pawlak leistete als Wirtschaftsminister zwar gute Arbeit, machte allerdings sehr wenig von sich reden. PO und PSL kommen zusammen mit der sich traditionell dem Regierungslager anschließenden Deutschen Minderheit, die diesmal einen Sitz eroberte, auf 235 (von 460) Abgeordnete – lediglich vier mehr als nötig.

Doch für Tusk geht damit sein innigster politischer Wunsch in Erfüllung, denn er kann die nächsten vier Jahre in der gleichen Konstellation weiterregieren. Die in Polen üblichen, teuren und langwierigen Neubesetzungen in Ämtern und Staatsfirmen bleiben damit aus. Tusk traf sich bereits mit Pawlak zu ersten Gesprächen über eine neue Koalition. „In den kommenden vier Jahren werden wir doppelt so hart und doppelt so schnell arbeiten“, hatte der Premier noch in der Wahlnacht versprochen.

Wie bereits vor vier Jahren hatten viele Polen die PO mangels besserer Alternativen gewählt. Zumal sich Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski in den letzten Tagen vor der Wahl mit anti-deutschen Ausfällen und Stasi-Vorwürfen gegenüber Angela Merkel nicht nur Freunde gemacht hatte. Zuvor hatte sich der Nationalist Kaczynski – wie bereits bei den Präsidentschaftswahlen 2010 – sehr konziliant gezeigt und damit in den Umfragen sein Rating massiv verbessert. Am Sonntag reichte es seiner nationalkonservativen Oppositionspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) dennoch nur zu 29,9 Prozent (2007: 32 Prozent) – oder 158 Sitzen. Die Medien seien an dem schlechten Wahlresultat schuld, klagte die PiS in ersten Stellungnahmen am Montagmorgen. „Sie kreieren eine Scheinwirklichkeit, anstatt die Realität zu beschreiben“, sagte die PiS-Abgeordnete Jadwiga Wisniewska. „Früher oder später siegen wir, denn wir haben recht“, versprach ein bleicher Kaczynski seinen Getreuen am späten Sonntagabend. Laut vielen Kaczynski-Anhängern hat Tusk die Wahlen nur dank deutscher und russischer Hilfe gewonnen. „Die PiS hat die populistischen, nationalistischen und radikalen Elemente bedient und dabei den Zenit ihrer Möglichkeiten überschritten“, analysierte die „Gazeta Wyborcza“.

Als große Überraschung wird an der Weichsel das phänomenale Abschneiden der anti-klerikalen Protestpartei „Palikot-Bewegung“ des gleichnamigen einstigen Tusk-Vertreters kommentiert. Die schwer fassbare Partei kam auf zehn Prozent und wird mit 40 Abgeordneten die drittstärkste Fraktion. Palikots Parlamentarier, die meisten völlige Novizen in der polnischen Politik, leisteten noch in der Wahlnacht einen Eid auf Laizismus, Liberalismus und Solidarität mit Minderheiten und sozial Schwachen. Als großer Verlierer steht dagegen die moderat linke SLD da. Die Postkommunisten scheinen mit der Rückkehr alter Kader ihre Stammwähler vergrätzt zu haben. Mit 8,3 Prozent (2007: 13 Prozent) ist ihre Fraktion fast um die Hälfte auf 27 Abgeordnete zusammengeschrumpft. Falls Palikots Bewegung im neuen Sejm nicht links der Mitte politisiert, ist damit Polens Linke – trotz Wirtschaftskrise und Preiserhöhungen auch in dem bisher rezessionsbeständigen Polen – völlig marginalisiert.

Auf Tusk wartet in den nächsten vier Jahren allerdings eine schwierige Zeit. Das polnische Budgetdefizit muss dringend gesenkt werden. Im Zuge der Euro-Krise wird zudem nun auch für Polen eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums erwartet. Kein gutes Umfeld für die lange aufgeschobene Rentenreform – Polen muss das Rentenalter beider Geschlechter anpassen und erhöhen, zumal das Land eine der niedrigsten Geburtenraten der EU aufweist. Auch die Infrastruktur muss nicht nur im Hinblick auf die Fußball-Europameisterschaft 2012 dringend und nachhaltig ausgebaut werden. Als praktisch sicher gilt bereits jetzt eine Personalrochade im Infrastruktur- und Transportministerium, das sich in den letzten vier Jahren mit schönen Plänen und chinesischen Billigautobahnen über Wasser zu halten versuchte.

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