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Politik: Wahl mit Hindernis

Kenias Oppositionsführer Raila Odinga fehlte im Wählerverzeichnis

Um 12 Uhr 36 hat Raila Odinga es geschafft: Der schärfste Konkurrent des kenianischen Präsidenten Mwai Kibaki hat gewählt. Obwohl sein Name nicht auf der Wählerliste in seinem Wahlkreis in Kibera, dem größten Slum Ostafrikas, stand. Gut zweieinhalb Stunden hatte es gedauert, bis es Raila Odinga gelungen ist, seine Stimme abzugeben. Nicht nur sein Name fehlte im Wählerverzeichnis: Fast die Hälfte der 100 000 Wahlberechtigten war nicht verzeichnet. Dabei hatte die Wahl in der Grundschule Kibera ohnehin mit sechs Stunden Verspätung angefangen, weil es auch an Wahlzetteln fehlte.

Raila Odinga zwang nach seinem erfolglosen Versuch den Chef der Wahlkommission, Samuel Kivuitu, das Wahllokal selbst zu besuchen. Die Stimmung war gereizt. „Die Polizei rettete ihn vor einer wütenden Menschenmenge“, schreibt der „Eastafrican Standard“. Denn die Namen, die fehlten, begannen mit O, P, Q, R, A und W. Viele Anhänger Odingas gehören wie er der Volksgruppe der Luo an, und ihre Namen beginnen genau mit diesen Buchstaben. Odinga sagte: „Das ist ganz klar ein Versuch, die Wahlen zu beeinflussen.“ Die Wahlkommission beschließt, dass in der Grundschule mit Ausweis und Wahlkarte abgestimmt werden darf.

Nie waren die Erwartungen an eine Präsidentschaftswahl in Kenia so hoch. Der Wunsch, sich an einem demokratischen Regierungswechsel zu beteiligen, beseelt viele, die in langen Schlangen stundenlang vor den Wahllokalen stehen. Es ist vier Uhr morgens, als die ersten Menschen sich anstellen. Mit Straßenfeuern vertreiben sie die nächtliche Kälte, bis Wahlhelfer fünf Stunden später endlich die Türen öffnen.

Gaudensia Omondo hat den 27. Dezember herbeigesehnt. Sie ist stolz mitentscheiden zu dürfen. So stolz, dass sie den ganzen Tag anstehen würde, ohne Essen, ohne Wasser. Ihre Stimme wird sie nicht verschenken. Mittags, kurz vor zwölf, betritt sie den Raum mit den schwarzen Kisten, bunten Wahlscheinen, dem Sichtschutz aus brauner Pappe. Auf den Stimmzetteln stehen unterschiedliche Symbole, daneben die Gesichter der Kandidaten. Gaudensia Omondo hat ihre Stimmzettel schnell ausgefüllt. Zum Abschluss taucht sie ihren Finger in ein blaues Tintenglas. Farbtropfen hinterlassen Spuren auf dem Tisch, bevor sie mit einem Fingerabdruck ihre Wahl dokumentiert.

Für viele ist die Stimmabgabe nur der erste Schritt. Kaum einer denkt daran, das Gelände der Schule zu verlassen. Mit ihren eigenen Augen wollen sie die Wahlurnen sehen, wenn diese abgeholt werden. Sie wachen selbst darüber, dass die Wahl fair verläuft und Wahlfälscher keine Chance haben.

Ersten Wählerbefragungen am Abend zufolge lag Kibaki mit 47,4 Prozent der Stimmen leicht vor Herausforderer Odinga, der danach 42,6 Prozent der Stimmen erhielt. Die ersten Zahlen beruhten auf Wählerbefragungen in 270 der 28 000 Wahllokale. mit deh/dpa

Alexander Glodzinski[Nairobi]

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