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WAHL Weise 27. SEPTEMBER: Volksparteien ohne Volk

Robert Birnbaum über eine in SPD und CDU gebräuchliche Form der Jubelperser

In den Zeiten tief im vorigen Jahrhundert, als der „Jubelperser“ neu im deutschen Sprachschatz auftauchte, war er noch etwas Besonderes. Jubelperser – dies zur Erläuterung für die Jüngeren unter unseren Lesern – waren eigens zum Besuch des Schahs Reza Pahlewi in Berlin 1967 abgestellte „Demonstranten“, die sich freilich nicht damit begnügten, dem Gast aus Teheran lautstark zu huldigen, sondern anschließend mit Dachlatten auf Gegendemonstranten losgingen. Später stellte sich heraus, dass die Prügelperser zumeist in Diensten des Geheimdiensts ihrer Heimat standen. So viel zum historischen Teil.

Der Jubelperser heute ist gar nichts Besonderes mehr. Bei jeder Wahlkampfveranstaltung mit dem Kanzlerkandidaten macht sich in irgendeiner Ecke in der Menge ein Trüppchen mit dem rhythmischen Ruf „Wir wollen Frank!“ bemerkbar. Jeder Auftritt der Frau Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden führt durch ein Spalier orangegewandeter Menschen, die frenetisch die Arme gen Himmel schwenken wie weiland die Jünger Bhagwans. Wie auf Kommando fliegen auch an bestimmten Redestellen Papptafeln in die Höhe, auf denen vorne „Angie“ steht und hinten „Wir“.

Dachlatten sind nicht mehr im Gebrauch. Aber wenn man’s recht bedenkt – bedenklich ist die Sache trotzdem. Wegen der sonstigen Parallelen nämlich. Als der Schah sein Volk noch hinter sich hatte, hat er Claqueure nicht gebraucht; erst später war der Herrscher auf den bestellten Beifall angewiesen. Als die Volksparteien noch ihr Volk hinter sich wussten, kannten auch sie keinen organisierten Applaus. Woraus man also messerscharf zu schließen hat ...

NOCH

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