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Das Fernsehstudio des ZDF im Abgeordnetenhaus, von oben betrachtet.

© privat

Wahlabend in Berlin: Zwischen Saté-Spießen und Spitzenkandidaten

Sie ist zum ersten Mal dabei - und gleich mittendrin. Aufregend, quirlig, nah dran: Eine Tagesspiegel-Praktikantin erzählt, wie sie den Wahlabend im Berliner Abgeordnetenhaus erlebt hat.

Mist! Ich bin ganz klar underdressed! Sneaker, Jeans, T-Shirt, Umhängetasche – mein Outfit lässt  mich nicht gerade mit der Masse von Anzugträgern und erfahrenen Journalisten verschmelzen. Nachdem ich einige Minuten vor dem Abgeordnetenhaus gestanden, die Kulisse bestaunt und Polizisten und Rauchern Gesellschaft geleistet habe, starte ich wenig hoffnungsvoll den Versuch, in dieses Gebäude und damit in die brodelnde Wahlabend-Szene zu gelangen.

Und ich habe Glück. Zwei junge Damen, die alle eingeladenen Gäste der CDU-Wahlparty registrieren - die Akkreditierungen wurden schon lange vorher am jetzt leeren Nachbartisch vergeben - notieren einfach meinen Namen und geben mir eine Einlasskarte. Ich trete durch die schweren Türen des Hauses und zeige mein Ticket vor, muss aber kurz erklären, warum ich eines habe. „Das geht eigentlich nicht, aber egal“ , murmelt eine der Sicherheitsbeauftragten. Meine Sachen werden durchleuchtet und schon stehe ich in der Eingangshalle dieses Palastes.

Kabel, helle Lampen, Aufsteller, Leinwände, Schilder, Security und vor allem Journalisten mitsamt ihrer Ausrüstung prägen die Landschaft der ersten Etage. Hier befinden sich auch die Studios der Sender, die im Laufe des Abends politische Gesprächsrunden übertragen. Ich bahne mir den Weg durch das Gewirr und blicke in manche Räume hinein. Seltsam: In einem Raum läuft die Übertragung eines Interviews, das im Nebenraum geführt wird. In der zweiten Etage haben CDU, SPD, die Grünen und die Linke jeweils einen Raum, in dem diskutiert, gefeiert, interviewt und gegessen wird. Der CDU-Raum ist gleichzeitig Location der Wahlparty.

Was essen wohl die Grünen? Nichts, so scheint es.

Neben mehreren Leinwänden mit Partei-Motiven steht ein üppiges Büffet. Die CDUler mögen es wohl gerne klassisch, es gibt Bouletten mit Kartoffelsalat, Currywurst in edlen Porzellan-Loren, Quiche und Rote Grütze. Auch hier warten Journalisten auf mögliche Interview-Partner, im Raum herrscht reges Treiben. Auch bei den Linken ist das Essen interessant: Hier kann man Saté-Spieße mit Erdnussdip, Frühlingsrollen und Lachs-Wraps genießen.

Ich gehe weiter, das Büffet-Thema hat mich gepackt. Was essen wohl die Grünen? Nichts, so scheint es. Sicherlich gab es auch hier früher am Abend mal ein Büffet, doch als ich ankomme, finde ich vor allem Wein, Apfelsaft, Wasser und drei Laugenstangen vor. Was die Grünen mit Kulinarik nicht bieten können, machen sie allerdings mit Farbgefühl wieder wett. Hier ist alles grün – Aufsteller, Leinwände, Tischdecken und Hussen. Weiter geht‘s zur SPD. Das Büffet ist noch reich bestückt: Es gibt salzig-grüne Muffins, Käsestangen und russischen Zupfkuchen.

Um mich herum streifen viele Menschen durchs Gebäude, von jung bis alt, bunt gemischt.

Wieder zurück im Presse-Stockwerk: Journalisten „geiern“ vor den Türen der Studios, bewaffnet mit Kameras und Mikros. Dann rauscht hager und ernst Michael Müller in einem kurzen Moment der Anspannung vorbei, umgeben von vielen Männern im Anzug. Wenig später, etwas gelassener, Frank Henkel. Die aufgescheuchten Journalisten beruhigen sich bald wieder.

Was mich beeindruckt, ist die Aura von Routine, Zielstrebigkeit und Abgebrühtheit, die alle hier umgibt. Es sind eben keine Popstars und Paparazzi versammelt, sondern Berufspolitiker, die schon mehr Interviews gegeben haben, als sie zählen können, und Journalisten, die diese zahllosen Interviews geführt haben.

Aufregend, quirlig, durchorganisiert, nah dran, transparent: Mit diesen Eindrücken gehe ich, angesteckt von der Aufregung des Wahlabends, in die Nacht hinaus, zurück in die Redaktion. Dort ist vom Büffet gar nichts mehr übrig.

Cecilia Heil

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