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Bratwurst, Bockwurst - ist doch Wurst! Es ändere sich doch sowieso nichts, argumentieren viele Nichtwähler. Das Argument sollte man ernst nehmen.

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Wahlbeteiligung in Thüringen und Brandenburg: Alles Wurst? Eben nicht!

Die Gruppe der Nichtwähler wird immer größer. Gefährlich ist das an sich noch nicht, wohl aber die Tatsache, wie die etablierten Parteien darauf reagieren. Ein Kommentar.

Früher war der Nichtwähler Teil einer obskuren Randgruppe, heute ist er im Mainstream angekommen - in Brandenburg mit 52 Prozent sogar zum ersten Mal in der absoluten Mehrheit. Ist er eine Macht geworden, dieser Nichtwähler, eine Gefahr für die Demokratie?

Wenn man sich die Gründe fürs Nichtwählen anschaut, soweit sie bekannt sind, dann kommt hier eine Mischung zustande, die nicht wirklich zündet. Viel gefährlicher wäre es,  wenn die bisherigen Verweigerer beim nächsten Mal in großen Massen zu einer radikal antidemokratischen Partei überlaufen würden, zur NPD oder ähnlichem. Die AfD ist manches, das aber nicht.

Wahltermin den Ferien ist schuld? Unsinn!

Gefährlicher als der Nichtwähler ist für die Demokratie die Leichtfertigkeit, mit der die etablierten Parteien darauf reagieren, dass Regierungen wie die künftige in Brandenburg nicht einmal mehr ein Viertel aller Wahlberechtigten repräsentieren. So verrannte sich nach der Sachsenwahl die SPD in der anklagenden Behauptung, die CDU sei Schuld an der Misere, weil sie den Wahltermin in die Ferienzeit gezwungen habe. Was das für ein Unsinn war, hat sich jetzt in Thüringen und Brandenburg gezeigt.

Weder Wahlpflicht noch Belohnung machen Demokratie demokratischer

Auch die Vorschläge, die jetzt zu hören sind, kreisen mit weitem Abstand um den zentralen Grund für die Wahlenthaltung herum. Mag sein, dass es einen Mitnahmeeffekt gibt, wenn Wahllokale auch in Shoppingcentern eingerichtet würden; aber so verkommt Politik in der Wahrnehmung eher zum Schnäppchen vom Discounter. Fehlt nur noch der Vorschlag, Faule und Abgehängte mit Freibier und Bockwurst ins Wahllokal zu locken. Weder eine Wahlpflicht mit Enthaltungsstrafen wie in Belgien, noch Wahlbelohnungen, die ja auch denkbar wären, machen die Demokratie demokratischer. Auch die Hoffnung intellektueller Salonverweigerer, ihr demonstratives, angekündigtes Fehlen am Wahltag würde als Zeichen verstanden,  offenbart sich als Irrtum. Sie kennen ihre Politiker schlecht. Das relative Ergebnis schlägt immer das absolute.

Das Argument, es tue sich sowieso nichts, sollte man ernst nehmen.

Bratwurst, Bockwurst - ist doch Wurst! Es ändere sich doch sowieso nichts, argumentieren viele Nichtwähler. Das Argument sollte man ernst nehmen.
Bratwurst, Bockwurst - ist doch Wurst! Es ändere sich doch sowieso nichts, argumentieren viele Nichtwähler. Das Argument sollte man ernst nehmen.

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Ein zentrales Argument über die verschiedenen Nichtwählergruppen hinweg lautet:

Es gibt zwar viele Parteien, sogar immer mehr, aber es ist egal, wer regiert, es ändert sich ja nichts, jedenfalls nicht für mich. Anstatt das als Ausfluchtsgenörgel abzutun, sollten die Parteien das lieber mal ernst nehmen. Denn das Gefühl, das dort zum Ausdruck kommt, ist auch eine Folge der Demoskopisierung von Politik, der sich die Regierenden unterwerfen. In Staatskanzleien und im Kanzleramt werden ständig auf Steuerzahlerkosten Meinungsumfragen zu Sachthemen beauftragt. Die Ergebnisse werden meistens geheim gehalten, und klammheimlich richtet sich auch die Politik danach aus.

Maßstab für politisches Handeln ist nur noch die Meinungsmehrheit

Wahlprogramme, Parteiprogramme, Koalitionsverträge – das alles verliert an Wert gegenüber Stimmungslagen und Momentaufnahmen, die morgen schon wieder vom nächsten Eindruck, der nächsten Aufgeregtheit verweht werden können. Als Maßstab für politisches Handeln gilt nur noch die Meinungsmehrheit, zur Absicherung einer möglichst langen, eigenen Phase der Macht. Angela Merkel ist darin eine Meisterin, von der andere zu lernen versuchen.

So werden Unterschiede verwischt, allenfalls noch sichtbar auf irrelevanten Ablenkungswegen wie jenem zur Maut. Verkauft wird das als Politik der Vernunft, tatsächlich aber gehen die Konturen dort verloren, wo es wichtig wird, und da, wo sie sichtbar sind, erscheinen sie nur noch als Karikatur. So entsteht bei vielen, bei immer mehr Menschen der Eindruck, es sei ja doch alles gleich, zumindest egal. Das ist wirklich gefährlich für die Demokratie, denn Demokratie lebt vor allem von einem: vom Wechsel.

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