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Wahlen: Afghanistan - Alles wartet

Im Norden Afghanistans sind rund 3900 deutsche Soldaten der Nato- Truppe Isaf stationiert, die zuletzt häufiger angegriffen wurden. Nun wird über einen Abzugstermin diskutiert. Was ist wahrscheinlich?

Von Robert Birnbaum

Wie lange noch – die Frage ist schon Rudolf Scharping gestellt worden, als er 2002 als SPD-Verteidigungsminister das erste Kontingent der Bundeswehr in Kabul besuchte. Die diplomatische Antwort: An Rückzug sei erst zu denken, wenn die Ziele der Stabilisierungsmission in Afghanistan erreicht seien. Sieben Jahre später ist die deutsche Politik nicht viel weiter. Zwar veranschlagte Scharpings Nachfolger Franz Josef Jung (CDU) am Donnerstag in der ARD eine „Bandbreite von fünf bis zehn Jahren“. Und Außenminister Frank Walter Steinmeier (SPD) vermerkt in der „Leipziger Volkszeitung“: „Ich rechne nicht damit, dass wir noch zehn Jahre oder länger in Afghanistan präsent sein werden.“

Doch die großkoalitionäre Einigkeit auf eine Obergrenze von zehn Jahren wirkt präziser, als sie gemeint ist. Denn Jung und Steinmeier verweisen gleichzeitig darauf, dass das alles davon abhänge, wie rasch die gesetzten Ziele zu verwirklichen seien. Nichts Neues seit Scharping also? Doch. Die Ziele sind heute andere, die Umstände der Isaf-Mission auch.

Erstens: die Ziele. Scharping konnte beim Antrittsbesuch noch mit einer Bundeswehrpatrouille in Kabul Streife fahren und über „nation building“ sprechen. Seine Nachfolger fliegen selbst kurze Strecken nur noch per Hubschrauber mit Scharfschützen an offenen Luken. Im einst als Soldaten-Ferienlager verspotteten Kundus sind Anschläge heute an der Tagesordnung. Der zivile Aufbau verläuft zäh und mit Rückschlägen. Die optimistische Vorstellung eines demokratischen Afghanistan ist der ernüchterten Vorgabe „selbst tragende Sicherheit“ gewichen – die Afghanen sollen allein verhindern können, dass die Taliban wieder an die Macht kommen. Der Nato-Gipfel in Bukarest hat dieses Ziel 2008 konkretisiert: Zunächst 80 000 Mann soll die afghanische Armee bis 2010 stark sein. Damit wurde zum ersten Mal eine Art Exitstrategie sichtbar, die Bedingungen für eine Ende der Mission definiert. Am Donnerstag erklärte Nato- Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen dann, Militär und Polizei müssten von zusammen derzeit 200 000 auf 400 000 Mann verdoppelt werden. Einen Zeitpunkt dafür nannte er nicht.

Geändert hat sich aber auch die Lage im Bündnis – durch den Wahlsieg von Barack Obama. Waren es bisher eher Europäer, die halblaut über ein Ende der Operation Afghanistan nachdachten, macht jetzt der neue US-Präsident Dampf. Abzug aus dem Irak, massive Truppenaufstockung und neue Strategie für Afghanistan – Obama hat die Verteidigung am Hindukusch zu seinem Krieg gemacht. Er hat kein Interesse an einem Einsatz ohne Ende. In spätestens zwei Jahren, vermuten deutsche Fachpolitiker, wolle Obama deutliche Fortschritte sehen – in Afghanistan ebenso wie bei dem Versuch, den Taliban ihre Rückzugsmöglichkeiten in Pakistan zu verbauen.

Vor diesem Hintergrund gewinnt die Zehn-Jahres-Prognose eine gewisse Plausibilität. Risikofrei ist sie allemal. Weder Jung noch Steinmeier müssen sie einlösen. Denn dass einer von den beiden in zehn Jahren noch in seinem heutigen Amt ist, kann man getrost ausschließen.

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