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Gilt als der sichere Sieger: Boiko Borissow.

© dpa

Wahlen in Bulgarien: Wenig Hoffnung auf Veränderungen

Bulgarien wählt am Sonntag. Klar ist: Die Regierungsbildung in Sofia wird sehr schwer - und das Regieren sowieso.

Der Wahlkampf war lau – und endete abrupt: Eine mächtige Explosion in einer Sprengstoff verarbeitenden Fabrik im nordwestbulgarischen Gorni Lom hat am Mittwoch 15 Menschenleben gekostet. Sie hat dem Wahlkampf zur vorgezogenen Abstimmung über die 43. Bulgarische Volksversammlung am Sonntag ein dramatisches Ende bereitet. Der Freitag, an dem die meisten Parteien ihre Abschlussveranstaltungen mit Konzerten abhalten wollten, wurde zum Tag der Trauer erklärt.

Absolute Mehrheit unwahrscheinlich

Im Februar 2013 hat der Rücktritt des rechtsgerichteten Ministerpräsidenten Boiko Borissow nach gewaltsamen Ausschreitungen bei sozialen Protesten gegen angeblich überhöhte Stromrechnungen Bulgarien in eine Phase politischer Instabilität gestürzt. Nach monatelangen regierungsfeindlichen Demonstrationen mussten Anfang August 2014 auch die Sozialisten ihre Macht aufgeben. Ob die Parlamentswahlen am Sonntag nun die ersehnte politische Stabilität bringen werden, scheint zweifelhaft. Zwar werden Boiko Borissow und seiner Partei „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“ (GERB) ein überlegener Wahlsieg vor der „Bulgarischen Sozialistischen Partei“ (BSP) und der Partei der bulgarischen Türken „Bewegung für Rechte und Freiheiten" (DPS) vorhergesagt. Die absolute Mehrheit dürfte Borissow aber verfehlen – und ob er Koalitionspartner finden wird, ist ungewiss.

Borissow sucht Koalitionspartner

Der wie GERB zur Europäischen Volkspartei (EVP) gehörende Reformerblock (RB) wäre Borissows bevorzugter Koalitionspartner. Das Verhältnis beider Parteien ist aber nicht ungetrübt. RB-Führer Radan Kanev schließt zwar ein Bündnis mit GERB nicht aus, hat aber Bedingungen gestellt und Borissow aufgefordert, im Falle einer Koalition mit dem RB auf das Amt des Ministerpräsidenten zugunsten einer Person zu verzichten, über die Konsens herrscht: „Ich glaube, Boiko Borissow ist ein verantwortungsvoller Politiker und nicht jemand, der sein persönliches Ego über die Interessen seiner Partei, der rechtsgerichteten Menschen in Bulgarien und der Gesellschaft stellt.“ Dass der Egomane Borissow verzichtet, gilt als quasi ausgeschlossen.

Land unter Strom

Nach eineinhalb Jahren politischer Hochspannung im Lande hat Bulgarien einen lauen Wahlkampf erlebt wie noch nie in zweieinhalb Jahrzehnten seit dem Sturz der Kommunisten. Routinemäßig, fast gelangweilt spulten die Politiker ihre öffentlichen Wahlkampfveranstaltungen und TV-Auftritte ab, ließen kaum engagierten Eifer erkennen. Kontroverse Themen für erhitzte Wahlkampfdebatten hätte es mehr als genug gegeben; über Jahre hinweg versäumte Reformen im Gesundheitswesen, etwa bei der Bildung und dem Rentensystem. Das ärmste Land der EU wird durch die anhaltende Wirtschaftskrise zusätzlich gebeutelt.

Modell Deutschland

Die künftige Regierung steht vor gewaltigen Herausforderungen. Während sich Borissows GERB als Teil der Europäischen Volkspartei (EVP) eher am „Modell Deutschland“ orientiert, plädiert die BSP für eine „ausgewogene Politik“ zwischen Ost und West zur Verteidigung der „nationalen Interessen“. In dem kleinen Balkanstaat mit seinen 7,4 Millionen Einwohnern hegen zudem viele Menschen Sympathien für den „großen Bruder“ Russland. Einer Studie des Instituts Mediana zufolge lehnen 40 Prozent der Bulgaren die vom Westen verhängten Sanktionen gegen Moskau wegen dessen Ukraine-Politik ab. 13 Prozent befürworten sie.

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