zum Hauptinhalt

Wahlen in Italien: "Glaubt ihr, ihr werdet mich los?"

Im Kampf um die Macht spielt der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi seine letzte Karte aus: Er spricht von Wahlbetrug und will nachzählen lassen. Doch erste Koalitionspartner signalisieren bereits, diese Strategie nicht mittragen zu wollen.

Rom - Am späten Mittwochabend, es ging schon auf Mitternacht zu, Silvio Berlusconi hatte gerade mit Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi gesprochen, da brach es aus dem italienischen Ministerpräsidenten hervor. Explosionsartig schleuderte er den Journalisten die Worte entgegen, sprach von Wahlbetrug, von Überprüfung der Stimmen. Selten hatten die Presseleute einen solchen Ausbruch eines Spitzenpolitikers erlebt. Zuletzt kam dann das eigentliche Anliegen des Premiers: «Habt Ihr etwa geglaubt, Ihr werdet mich los?»

Berlusconi spielt seine letzte Karte aus, fühlt sich offenbar persönlich schwer getroffen, will das letzte demokratische Mittel einsetzen, um die Macht zu erhalten. Schon signalisieren erste Koalitionspartner, diese Strategie nicht mittragen zu wollen. Es heißt, der Christdemokrat und Präsident der Abgeordnetenkammer Pierferdinando Casini habe intern deutlich gemacht, man könne die Anerkennung der Niederlage nicht ewig hinausschieben - erste Risse im Berlusconi-Lager werden sichtbar.

«Gefährliche Spiele», nennt die Zeitung «Corriere della Sera» (Mailand) die Taktik des Regierungschefs, andere Kommentatoren sprechen von einer «Vergiftung des Klimas». Die Furcht steigt, hier könne durch taktische Raffinessen die italienische Demokratie beschädigt werden. «Was hier passiert, ist schlimm. Unser Land hat schließlich keine politische Geschichte auf dem Buckel, die auf Stimmenklau beruht», empört sich das römische Blatt «La Repubblica».

Angeblich versuchte Berlusconi sogar, Staatspräsident Ciampi für seine Ziele einzuspannen. Insider berichten, er habe Ciampi dazu bringen wollen, einer sehr viel umfangreicheren Überprüfung der Stimmzettel zuzustimmen. Dies hätte eine wochen- oder gar monatelange Verzögerung bedeutet. Ciampi sei irritiert und verschnupft gewesen - und habe Berlusconi einen Korb gegeben.

Kompliziert, vertrackt und zugleich höchst akribisch ist das italienische Gesetz in puncto Wahlüberprüfung. Für den Laien etwas unverständlich: Nach den Buchstaben des Gesetzes dürfen gültige und ungültige Stimmzettel, einmal vom Leiter des jeweiligen Wahllokals abgezeichnet, gar nicht mehr überprüft werden. Lediglich die in den Wahllokalen «angezweifelten» Stimmen können nochmals genau unter die Lupe genommen werden. Dabei handelt es sich um Stimmen, bei denen die Zähler vor Ort zunächst nicht sicher waren, ob sie ungültig sind oder doch einem der beiden Lager zugerechnet werden müssen.

82 000 solcher strittiger Stimmzettel gab es beim Urnengang am vergangenen Wochenende. Ihre Überprüfung soll bis Ostern abgeschlossen sein, heißt es. Nur einer scheint bei dem Getöse ganz ruhig zu bleiben, das ist der bisher inoffizielle Wahlsieger Romano Prodi. Man habe keine Angst vor einer Überprüfung: «Wir haben gewonnen und Berlusconi muss nach Hause gehen.» Von Peer Meinert, dpa (tso/dpa)

Zur Startseite