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Politik: Wahlen in Jugoslawien: Kurzer Spuk in Montenegro

Ein endloser Konvoi ist unterwegs durch die enge Schlucht der Moraca hinauf in den hohen Norden Montenegros. Die Passagiere schwenken Fahnen in den Farben Jugoslawiens.

Ein endloser Konvoi ist unterwegs durch die enge Schlucht der Moraca hinauf in den hohen Norden Montenegros. Die Passagiere schwenken Fahnen in den Farben Jugoslawiens. Auf den Kühlerhauben kleben Wahlplakate mit dem Bild von Slobodan Milosevic, dem Kandidaten, der sich um eine neue Amtsperiode als Jugoslawiens Präsident bewirbt. Hoch über dem Tal fliegen drei Hubschrauber der Jugoslawischen Bundesarmee. Bewohner der Dörfer entlang der Straße winken oder spreizen die drei Finger zum Gruß der serbischen Nationalisten. An den Kreuzungen wachen Soldaten der Militärpolizei, dem Regime in Belgrad loyal ergeben. Die Sondereinheiten von Montenegros westlich orientiertem Präsidenten Milo Djukanovic haben sich an diesem Tag von der Hauptstraße zurückgezogen.

Es ist ein besonderer Tag, denn erstmals seit 1996 wird Slobodan Milosevic Serbiens kleiner Schwesterrepublik Montenegro seine Aufwartung machen. In Berane, einer verarmten Stadt im kargen Norden, wird er sich auf einer Wahlkampfveranstaltung der Sozialistischen Volkspartei (SPS) an seine Anhänger richten. Nur eine Minderheit akzeptiert in Montenegro noch Belgrads Autorität und Slobodan Milosevic als Präsidenten des gemeinsamen Bundesstaates Jugoslawien. In der SPS sind die Belgrad-treuen Kräfte versammelt. Milosevic ist auch ihr Kandidat bei den Präsidentenwahlen am Sonntag. Die abtrünnige Regierung in Podgorica hält die Wahl jedoch für verfassungswidrig und hat zum Boykott aufgerufen. Hoch oben in Berane, nahe der Grenze zu Serbien, sind die Spannungen zwischen den beiden Fraktionen in Montenegro nicht zu übersehen. Mehrere Dutzend Mitglieder einer "Antiterroreinheit" von Milo Djukanovic sichern den Polizeiposten im Ort, während auf dem Militärflugfeld am Stadtrand die Wahlveranstaltung beginnt.

"Feiglinge und Vasallen"

"Die Nato, angeführt von Amerika, hat versucht uns zu zerstören, doch Slobodan Milosevic hat dies nicht zugelassen", kündigt ein Vorredner den hohen Gast an. Das Publikum ruft "Slobo, Slobo", den Kosenamen des Staatsoberhauptes. Milosevic, wie immer im blauen Anzug, tritt auf die Tribüne. Fremde Mächte, sagt er, hätten schon oft versucht, diesen Flecken Erde "unter ihre Kontrolle zu bringen". Heute müssten sich Serbien und Montenegro gemeinsam "gegen den neuen Kolonialismus", der diesmal von außerhalb Europas komme, wehren.

Der Präsident aus Belgrad hat auch ein paar böse Worte für seine Gegner. Es habe zu jeder Zeit "Feiglinge und Vasallen gegeben", die sich als weise Politiker darstellten: "Verräter haben sich selbst nie als Verräter gesehen". Für Geld lässt sich immer jemand finden, der mit dem Feind gemeinsame Sache macht, weiß Slobodan Milosevic. Und das Publikum weiß, wer gemeint ist. Einige rufen "Milo, der Türke", ein Schimpfwort unter den Gegnern von Djukanovic, der auch die Unterstützung der muslimischen und albanischen Minderheit genießt.

Der Spuk am Flugfeld von Berane ist von kurzer Dauer. Höchstens Zehntausend waren gekommen und einige mussten mit Bussen aus Serbien herangekarrt werden. Am Abend wird das serbische Staatsfernsehen die Bilder vom "historischen" Auftritt zeigen, und es wird heißen, 200 000 Montenegriner seien dabei gewesen. Es geht um die Botschaft an das Publikum und um die Machtdemonstration an die Adresse der westlich orientierten Führung in Podgorica. Nach etwas mehr als einer halben Stunde verschwindet Milosevic wieder hinter der Bühne und die Menge löst sich auf. "Wir sind gekommen, um Milosevic unsere Stimme zu geben", ist eine ältere Frau, in die jugoslawische Fahne gehüllt, mit dem Tag zufrieden. Serbien und Montenegro müssten, wie "zwei Schwestern", zusammenbleiben.

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