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Wahlplakate in Brandenburg.

© dpa

Wahlen in Sachsen, Thüringen, Brandenburg: Der eine Osten ist nicht mehr

Ein Vierteljahrhundert nach der Wende haben die ostdeutschen Länder ihre eigenen politischen Kulturen entwickelt. Die personellen Entscheidungen nach 1990 spielen dabei keine geringe Rolle. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Albert Funk

Noch eine Woche bis zur Sachsen-Wahl, in drei Wochen wählen die Thüringer und die Brandenburger. Der größere Teil des Ostens also gibt die Stimme ab. Natürlich werden die Urnengänge als erster Stimmungstest für Schwarz-Rot im Bund herhalten müssen. Zumal bis zum Frühjahr 2016 keine Wahlen mehr in Flächenländern stattfinden, nur Bremen und Hamburg sind dran im kommenden Jahr. Doch als Bundesstimmungstest taugen die Ergebnisse in Dresden, Erfurt und Potsdam nur bedingt. Schwarz-Rot in Thüringen könnte zwar kippen, aber dafür könnte es zu Schwarz-Rot in Sachsen kommen. Was macht man dann daraus? Das eigentlich Interessante an diesem Dreierpack ist, dass es – 25 Jahre nach der Verwandlung der DDR in die fünf neuen Länder – echte Landeswahlen sein werden, mit eigenem Gepräge und eigenen Konstellationen. Es werden auch, ein Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall, keine „Ost“-Wahlen mehr sein. Sachsen, Thüringen und Brandenburg haben einen je eigenen Landescharakter entwickelt und politische Kulturen, die erkennbare Unterschiede aufweisen.

Personen sind entscheidend

Das hat ökonomische Gründe, auch soziale, selbst geografische. Aber das reicht zur Erklärung nicht aus. Es geht immer auch um Personen in der Politik. Dass Christine Lieberknecht Schwierigkeiten hat, im Amt zu bleiben, während Stanislaw Tillich möglicherweise nur schauen muss, mit wem er lieber koaliert, hängt auch damit zusammen, dass in Erfurt die CDU seit langem in selbstzerstörerische Querelen verstrickt ist und in Dresden eben nicht (oder in weit geringerem Maße).
Solche Unterschiede haben auch mit den (Wieder-)Anfängen dieser Länder zu tun, mit Entscheidungen in den ersten Jahren. Der junge SPD-Spitzenkandidat Martin Dulig in Sachsen etwa, der das Ende der DDR als Teenager erlebte, nennt als Defizit seiner Partei (sie hat 2009 nur gut zehn Prozent der Stimmen bekommen, am Sonntag könnten es 14 oder 15 Prozent werden), dass es nie gelungen sei, die Bedeutung der SPD für Sachsen zu definieren. Also eine Landesidentität der Partei aufzubauen. Als Grund dafür sieht er auch Entscheidungen von 1990, als Anke Fuchs nach einem glücklosen Wahlkampf das Weite suchte. Kurt Biedenkopf baute dann die „Sachsen-Union“ nach dem Vorbild der CSU als die sächsische Landespartei auf. Ein ähnliches Kunststück, wenn auch nicht so nachhaltig, gelang Manfred Stolpe in Brandenburg.

Biedenkopfs Dominanz, Stolpes Präsenz

Sowohl Tillich als auch Dietmar Woidke, die beide weniger Charisma als diese Vorgänger haben, zehren bis heute von der Dominanz und Präsenz der ersten Amtsinhaber. In Thüringen dagegen konnte Bernhard Vogel als Retter nur vorübergehend korrigieren, dass die CDU dort den Einstieg ins demokratische Zeitalter gründlich vergeigt hatte. Mit Folgen bis heute. Auch die SPD hat in Thüringen wenig Glück mit ihrem Personal gehabt, ebenfalls mit Wirkung bis heute. Das (und die persönliche Integrität Bodo Ramelows) öffnet der Linken nun die Tür zur Staatskanzlei. Und wenn sie es geschickt anfasst, dann kann sie zur Thüringer Landespartei werden, zur bestimmenden Kraft, so wie die SPD in Brandenburg und die CDU in Sachsen.

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