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Und so sieht unser Karikaturist Stuttmann den Zustand der Berliner Parteien.

© Karikatur: Stuttmann

Auf die Liste, fertig, los!: So starten Berlins Parteien ins Bundestagswahljahr

Am Wochenende haben Berlins Grüne entschieden: Renate Künast bekommt wieder eine Chance als Spitzenkandidatin. Und was macht die Konkurrenz? Ein Überblick über schon Nominierte und noch Hoffende.

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Mindestens 24 Mandate stehen den Berliner Parteien bei der Bundestagswahl am 22. September zu. Eine aktuelle Meinungsumfrage ergibt 31 Prozent für die CDU, 22 für die SPD, 21 für die Grünen. Die Linke hätte 13 Prozent zu erwarten, die Piraten 5 und die FDP 3 Prozent. Bis zum Herbst kann noch viel passieren. Aber wer kann sich aktuell die größten Hoffnungen auf ein Bundestagsmandat machen? Wir wagen eine erste Prognose.

CDU

Streit, das wissen sie in der CDU, mögen die Leute amüsant finden, aber nicht politisch attraktiv. Also kommunizieren die endlich und voller Freude in Berlin wieder mitregierenden CDUler, dass in Sachen Wahlkampf alles klar sei. Fast alles jedenfalls. Monika Grütters, Kultur- und Medienpolitikerin, Vize-Parteichefin, in der Berliner Kultur angesehen und ständig unterwegs, führt die Landesliste an – ein kleiner Lohn für ihr Engagement im nicht gerade CDU-affinen Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf. Es folgen Kai Wegner, Karl-Georg Wellmann, Frank Steffel und Jan-Marco Luczak, bundestagserfahren allesamt und mit guten Chancen auf Direktmandate. Doch es ist nur fast alles klar, ein paar Querelen gab es nämlich: Stefanie Vogelsang hat nach einem kleinen politischen Krieg in Neukölln keine parteiinterne Basis mehr. Ex-Senator Michael Braun hat die Südwest-CDU mit seinem Versuch aufgemischt, Wellmann zu verdrängen. Doch ist es unwahrscheinlich, dass aus derlei Scharmützeln noch größere Kräche werden, denn die Landesliste steht seit Ende November. So wird die CDU wohl mit der stets hochgehaltenen, in den vergangenen Jahren auch perfekt praktizierten Geschlossenheit in den Wahlkampf gehen. 22,8 Prozent der Stimmen und sechs Mandate holte sie 2009 und war damit stärkste Partei in Berlin. Ein gutes Fünftel der Wähler und Platz eins in der Publikumsgunst: Das sagt einiges über die politische Landschaft Berlins. Bundespolitische Kräfteverhältnisse mit einer 40-Prozent-Union sind auf Berlin nicht ansatzweise übertragbar.

Die SPD will ihr desaströses Ergebnis vom letzten Mal verbessern

Mit 20,2 Prozent, einem desaströsen Ergebnis, konnte die Berliner SPD 2009 nur fünf Sitze im Bundestag erringen. Sie kann froh sein, wenn es nun sechs oder sieben Mandate werden. Die Landesliste wird erst am 25. Mai beschlossen. Klar ist bisher nur, dass die Bundestagsabgeordnete Eva Högl die Liste anführen soll, gefolgt von ihrem Kollegen Swen Schulz. Für alle weiteren Plätze ist mit Kampfabstimmungen zu rechnen. Bei den Frauen könnten die Sozialpolitikerin Ülker Radziwill und die Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert auf aussichtsreichen Plätzen landen. Sollte sich bei der Nominierung für den Wahlkreis Pankow am Sonntag die bundespolitisch erfahrene Leonie Gebers durchsetzen, wäre auch sie mit im Spiel. Bei den Männern hofft Fritz Felgentreu auf Listenplatz 4. Wenn sich aber in der Pankower SPD der Bezirkspolitiker Klaus Mindrup durchsetzt, gehört auch er zu den aussichtsreichen Kandidaten. Wer auf der Landesliste ab Platz 7 stehen wird, ist völlig offen. Bis zum Mai wird noch viel miteinander geredet, die innerparteilichen Mehrheiten stehen längst nicht fest.

Und wer tritt nicht (nur) auf der Landesliste an, sondern bewirbt sich um ein Direktmandat? Hier sehen Sie unsere Grafik mit allen Kandidaten:

Die Linkspartei wird es schwer haben

Ein Selbstläufer wird die Bundestagswahl für die Linke nicht – ganz anders als vor vier Jahren, als sich die Partei im Hoch befand. Bundesweit holte sie damals 11,9 Prozent, in Berlin sogar 20,2 und dazu vier Direktmandate. Zudem zog Halina Wawzyniak über die Landesliste in den Bundestag ein. Am kommenden Sonnabend wird die neue Liste zusammengestellt. Geht es nach dem Willen des Landesvorstandes, lautet das Motto: keine Experimente. Vorn also wieder Gregor Gysi, danach Petra Pau, Gesine Lötzsch und auf Platz vier Stefan Liebich. Platz fünf soll erneut Wawzyniak bekommen. Anders als 2009 interessiert sich Landeschef Klaus Lederer diesmal nicht für einen vorderen Listenplatz, er begnügt sich mit der Direktkandidatur in Mitte.

Die Grünen geben Künast eine neue Chance

Es sieht derzeit gut aus für die Grünen, in Umfragen liegen sie bei rund 21 Prozent. Dennoch warnt Landeschef Daniel Wesener vor überzogenen Erwartungen: Das Ziel ist es, mindestens fünf Mandate zu holen. Im Jahr 2009 waren es vier Mandate und 17,4 Prozent. Am Sonnabend entschied erst die Mitgliederversammlung und später die Landesdelegiertenversammlung, mit Renate Künast an der Spitze bei der Bundestagswahl anzutreten. Der verpatzte Wahlkampf bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 und die gescheiterten Regierungsträume sind vergessen. Einen kleinen Dämpfer bekam die 55-Jährige aber doch: 73,9 Prozent erhielt sie von den Mitgliedern, kein glänzendes Ergebnis. Immerhin: Die Delegierten bestätigten Künast mit 91,5 Prozent. Als zentrales Wahlkampfthema nannte sie die Energiewende. Kämpfen musste Özcan Mutlu. Erst im dritten Wahlgang konnte sich der langjährige Bildungsexperte im Abgeordnetenhaus den zweiten Listenplatz sichern. Lisa Paus hingegen, die seit 2009 als Steuerexpertin im Bundestag sitzt, war bei ihrer Nominierung für Platz drei ganz souverän und holte das beste Ergebnis.

Den immer noch aussichtsreichen vierten Listenplatz belegt der Bauexperte Andreas Otto. Auf den Plätzen fünf und sechs landete Parteinachwuchs: Paula Riester aus Friedrichshain-Kreuzberg und Stefan Ziller aus Marzahn-Hellersdorf. Gar nicht erst um einen Listenplatz beworben hat sich Hans-Christian Ströbele, der sein Direktmandat verteidigen will.

Die FDP und ihr Entlangschrammen an der Existenzgrenze

Eigentlich ist es kein Wunder, dass in der FDP viele Selbstständige und Unternehmer zu finden sind: Das Entlangschrammen an der Existenzgrenze gehört zu der liberalen Partei wie deren Bereitschaft zum Polit-Partnertausch – da müssen Risikobereitschaft und Experimentierfreude kräftig ausgeprägt sein. Die Berliner FDP hat es zwischen Bundestagswahl 2009 und Abgeordnetenhauswahl 2011 geschafft, von 11,5 auf 1,8 Prozent der Stimmen zu stürzen. Derzeit messen die Demoskopen nur schwache Lebenszeichen, was die Berliner Rest-Liberalen um Frontmann Martin Lindner aber nicht daran hindert, auf mindestens zwei frische Sitze im Bundestag zu spekulieren – 2009 waren es drei Mandate. Auf Listenplatz zwei hofft Lars Lindemann, im Bundestag als Gesundheitspolitiker profiliert. Intern ist er als Mann mit Sinn für soziale Themen und damit als Widerpart zum Wirtschaftsliberalen Lindner positioniert.
Und wer tritt nicht (nur) auf der Landesliste an, sondern bewirbt sich um ein Direktmandat? Hier sehen Sie unsere Grafik mit allen Kandidaten:

Ist die Landesliste der Piraten eigentlich noch relevant?

Bundesweit zerlegt sich die Piratenpartei gerade erfolgreich und mit voller Kraft selbst. Es ist also fraglich, wie relevant die Landesliste, die am kommenden Sonnabend gewählt wird, überhaupt noch ist. Kandidaten aber, die sich selbst ein Mandat zutrauen, gibt es reichlich, bisher sind es fast 50. Chancen ausrechnen kann sich etwa die Islamwissenschaftsstudentin Miriam Seyffarth, aber auch die talkshowerprobte Unternehmensberaterin Laura Dornheim oder der Politikwissenschaftler Jan Hemme. Wie immer bei den Piraten gilt im Vorfeld: Der Willen der Basis ist unergründlich.

Und wie ist die strategische Lage in den zwölf Wahlkreisen? Hier erfahren Sie es. Und hier lesen Sie eine Würdigung des werdenden Abgeordneten: Unser Autor Werner van Bebber über die Zeitvernichtungsmaschine Politik.

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