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Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU)

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Baden-Württemberg: Stimmung um ein Stimmbandproblem

Die baden-württembergische CDU will einen Keil ins Lager der Grünen treiben – nicht nur mit lauteren Methoden.

Von Matthias Meisner

Berlin - Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) versucht, die Notbremse zu ziehen – um nicht als Initiator eines Schmutzwahlkampfes entlarvt zu werden. Anlass gibt ein Parteifreund, sein Sozial-Staatssekretär Dieter Hillebrand. Der hatte bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung in Reutlingen offen den Grünen-Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann attackiert und ihm vorgehalten, gesundheitlich nicht fit genug zu sein für das Amt des Regierungschefs. Mappus versichert jetzt, mit der Sache nichts zu tun zu haben. „Ich habe meiner Partei klipp und klar gesagt, von Angriffen, die in die Privatsphäre gehen, die Finger zu lassen“, sagt er der „Welt am Sonntag“: „Ich habe einen guten Draht zu Winfried Kretschmann, aus meiner Beobachtung ist er kerngesund.“

Doch erledigt scheint das Thema auch nach dem Zwischenruf des 44-jährigen Mappus vier Wochen vor der Landtagswahl nicht zu sein. Zwar war öffentlich keiner so klar geworden wie Staatssekretär Hillebrand, der von Kretschmann behauptet hatte, dieser könne kaum fünf Sätze am Stück sagen, ohne zwischendurch etwas zu trinken. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer und auch Grünen-Bundeschef Cem Özdemir stünden schon „in den Startlöchern“, um Kretschmann im Falle des Falles die Kandidatur streitig zu machen, erklärt Hillebrand. Schon Tage zuvor hat Mappus selbst das Gerücht mit befördert: Schon vom Alter her werde der 62-Jährige „keine 20-jährige Amtszeit“ vor sich haben, sagte Mappus. Daher müsse man die Frage stellen: „Wer kommt für entsprechende Positionen infrage?“ Es wäre ein „völliger Paradigmenwechsel“, wenn ausgerechnet Baden-Württemberg „nach 58 Jahren Herrn Özdemir oder Herrn Kretschmann oder wen auch immer als grünen Ministerpräsidenten hätte“.

Grünen-Spitzenkandidat Winfried Kretschmann
Grünen-Spitzenkandidat Winfried Kretschmann

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„Eine CDU-Schmutzkampagne, unterste Schublade“, heißt es empört aus der Umgebung von Kretschmann – erklärbar allenfalls durch die Angst von Schwarz- Gelb, die Wahl zu verlieren, weil dann „die Republik wackelt“. Grünen-Landeschef Chris Kühn sagt, es handele sich um „haltlose Verleumdungen“. Parteifreunde ergänzen, Kretschmann, Chef der Landtagsfraktion, sei „wie ein Baum, den ficht nichts an“. Tatsächlich habe er seit Jahren ein Stimmbandproblem, das medizinisch behandelt werde, seine Leistungsfähigkeit aber nicht einschränke: „Er kann auch lange Reden gut durchstehen.“

Wer hinter der Kampagne steckt? „Das ist unter der Gürtellinie und trägt deutlich die Handschrift von Dirk Metz“, erläutert der Vorsitzende der Landesgruppe Baden-Württemberg in der SPD-Bundestagsfraktion, Christian Lange, dem Tagesspiegel. Metz arbeitet seit einigen Monaten für Mappus als Medienberater. Zuvor hat er jahrelang dem inzwischen zurückgetretenen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) gedient, dessen Kampagnen gegen „kriminelle Ausländer“ mitorganisiert. Der Grünen-Bundesvorsitzende Özdemir sagte dieser Zeitung: „Mappus macht in Baden-Württemberg Wahlkampf wie Roland Koch in Hessen.“ Auch nach der Mappus-Erklärung vom Wochenende zweifle er, dass sich am Wahlkampfstil der CDU etwas ändere – die setze „in ihrer Verzweiflung bislang auf Diffamierungen, falsche Behauptungen und Angriffe unter die Gürtellinie“.

Die SPD liegt in der jüngsten Umfrage zur Wahl mit 23 Prozent wieder einen Punkt vor den Grünen – zwei Wochen zuvor stand es noch 23 zu 20 für die Öko-Partei. SPD und Grüne wollen die Mappus-Regierung gemeinsam ablösen. Motiv der CDU für einen Wahlkampf mit unlauteren Methoden könnte auch sein, die Verunsicherung im grünen Lager nach dem Ende des Höhenflugs zu verstärken. Noch im Herbst hatten die Südwest-Grünen in Umfragen bis zu 32 Prozent erreicht. Nach der Hamburg-Wahl gibt es Ernüchterung, bei der Wahl am 20. März in Sachsen-Anhalt gilt ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde nicht als ausgeschlossen. Formell ist Kretschmann nur als Spitzenkandidat gekürt worden, nie als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten.

Der grüne Tübinger OB Palmer hat inzwischen in Richtung Mappus zurückgeschossen – und beschreibt ihn in der „Tageszeitung“ als wertfrei handelnden Opportunisten und „Landeshalbstarken“, den ein „Anspruch auf Alleinherrschaft“ antreibe. Dazu sagen Kretschmanns Leute: „Wir können nicht jeden Satz eines Oberbürgermeisters kommentieren, selbst wenn es ein Grüner ist.“ (mit hmt)

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