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CDU: Auf den Kern reduziert

Die CDU erreichte nur 21,9 Prozent und damit das schwächste Wahlergebnis seit Kriegsende in Hamburg. Eine derbe Niederlage. Wie geht es für die Partei weiter?

Selbst langjährige Parteimitglieder kommen am Sonntagabend nicht um diese Erkenntnis herum: Die Hamburger CDU ist am Boden. Zu deutlich ist das Wahlergebnis. Und so verwundert es nicht, dass schon am frühen Abend der Machtkampf um die Zukunft der Partei begann. Amtsinhaber Christoph Ahlhaus preschte vor und signalisierte seine Bereitschaft, der CDU für einen Neuanfang zur Verfügung zu stehen. Ganz anders der Landeschef Frank Schira. Der kündigte zwar nicht seinen Rückzug an, sagte aber, dass nun niemand an seinem Stuhl kleben dürfe.

Und diese beiden sind zentrale Akteure, wenn man verstehen will, was mit dieser CDU in Hamburg passiert ist. Im schwarz-grünen Bündnis spielte Ahlhaus als Innensenator eine Schlüsselrolle. Er musste einerseits die klassische Klientel der CDU und deren Bedürfnis nach Gesetz und Ordnung befriedigen, andererseits hatte er die Aufgabe, dies stets im Konsens mit den Grünen zu tun. So funktionierte das System Schwarz-Grün. Das eigene System, die CDU, sollte wiederum Schira ruhig halten. Ex-Bürgermeister Ole von Beust konnte sich lange Zeit auf seine Leute verlassen, allerdings versäumte er es, seine Partei auf seinen Rücktritt vorzubereiten. Dieser wirkte dann wie eine Flucht, die Partei fühlte sich im Stich gelassen. Und sie handelte nicht mehr geschlossen. Vor allem Frank Schira, von großer Eitelkeit und großem Machtinteresse getrieben, ließ den neuen Bürgermeister Ahlhaus auflaufen. Viele wichtige Personalentscheidungen drückte Schira mit seiner Hausmacht gegen einen überforderten Ahlhaus durch. Manches Fraktionsmitglied der CDU vermutet, dass Schira ein Scheitern von Ahlhaus kalkuliert hat, um selbst bei der nächsten Wahl als Bürgermeister-Kandidat aufzutreten. Schira arbeitete so lange gegen Ahlhaus, bis es die Partei merkte und ihn bei der Wiederwahl zum Landesvorsitzenden mit schwachen 63 Prozent abstrafte. Gleichzeitig versuchte Ahlhaus als Bürgermeister den Markenkern der CDU wieder zu betonen – aus der Einsicht heraus, dass man mit dem verlorenen Bürgerentscheid zur Schulreform die eigene Klientel zu sehr vernachlässigt und düpiert hatte. Dabei sagt Ahlhaus selbst von sich: „Ich bin nicht der rechtslastige, staubtrockene Hardliner.“ Im Wahlkampf aber musste er sich sogar von seinem Vorgänger Ole von Beust belehren lassen, dass man nur mit dem Markenkern keine Wahl gewinnen könne. Von einer politischen Linie war in der CDU Hamburgs nichts mehr zu sehen.

In Zukunft wird deshalb wohl ein anderer Mann die Partei dominieren: Dietrich Wersich, der bisherige Senator für Gesundheit und Soziales. Wersich ist ein absoluter Vorzeige-Hanseat und gebürtiger Hamburger. Der Arzt, Allgemeinmediziner, und frühere Geschäftsführer des Altonaer Theaters, gehört mit seiner Familie und den vier Brüdern zum Hamburger Establishment. Wenn er die Parteiführung schon nach Beusts Rücktritt hätte übernehmen können, dann hätte er gewiss bessere Chancen gegen Scholz gehabt. Aber er gilt in der Partei als Einzelgänger, und Schira wollte ihn nicht. Wersich gilt als Favorit auf den Fraktionsvorsitz, der ihn automatisch zum ersten Gegenspieler von Scholz machen würde.

Allerdings muss er erstmal bis zur genauen Auszählung warten, weil er nicht weiß, ob er mit Listenplatz zehn einen Bürgerschaftssitz bekommt. Und das kann noch Tage dauern. Die Enttäuschung war ihm am Sonntagabend ins Gesicht geschrieben. Ja, man müsse auch hinterfragen, ob die kurzfristige Neuausrichtung auf einen konservativen Kurs „CDU pur“ und weg von einem modernen Großstadtprofil die richtige Entscheidung gewesen sei.

Die Zukunft von Ahlhaus hängt jetzt jedenfalls ganz von der Stimmung in der Partei ab. Während des Wahlkampfes hat Ahlhaus aus Sicht der Basis an Statur gewonnen, er gilt als ehrlicher Kämpfer, auch wenn er viele Fehler gemacht hat. Manche verweisen nun auf das Jahr 1993, als der Landeschef und langjährige Bundestagsabgeordnete Dirk Fischer als Spitzenkandidat in eine Wiederholungswahl musste und nur 25,1 Prozent holte. Nach der Wahl stellte Fischer die Vertrauensfrage und schaffte sein bestes Ergebnis als Landesvorsitzender. Ahlhaus könnte es jetzt ebenso machen, und mancher verweist auch darauf, dass Beust mit einem recht schlechten Ergebnis von 26,1 Prozent im Jahr 2001 die Regierung bildete, was heißen soll: Wahlergebnisse sind immer relativ. Ahlhaus ist allerdings nicht Landesvorsitzender, sondern quasi ohne Amt in der Partei. Aber er will, das hat er am Sonntag klar gemacht, um Einfluss kämpfen.

Ein erfahrener CDU-Mann, der bereits zwischen den Lagern vermittelt, hofft darauf, dass „wir ohne Konflikte möglichst schnell wieder auf die Beine kommen“. Wichtig sei es, wieder „gesprächsfähig zu werden“. Der CDU-Grande verlangt von seiner Partei, dass die „Kernkompetenzen Haushalt und Wirtschaft“ nach außen hörbar sind. „Wir müssen zu unseren Grundprinzipien stehen und verlässlich für unsere Stammwähler bleiben.“

Doch genau hier liegt das alte Problem für die CDU. Es war Ole von Beust, der die spröde, konservative Hamburger Partei als „parteiübergreifender“ hanseatischer Stadtvater geführt hat, übrigens erstmals im Wahlkampf 2004 von Christoph Ahlhaus als Wahlkampfmanager genau in dieser Weise inszeniert. Das war das Erfolgsrezept, es hat getragen über Jahre. Daran wird sich die CDU auch in Zukunft selbst messen müssen.

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