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Koalitionsoptionen: Die schwierige Wahl in NRW

SPD und Grüne suchen einen Regierungspartner in Nordrhein-Westfalen. Die FDP verwirrt zunächst mit einer Absage an die Ampelkoalititon, doch das muss nicht das letzte Wort sein.

Es ist der Anfang eines schwierigen Prozesses. Das ist allen Beteiligten klar. SPD und Grüne haben sich am Mittwoch zum ersten Mal nach der Wahl getroffen, um Sondierungsgespräche aufzunehmen – und wollen nun versuchen, mit Unterstützung der FDP oder der Linkspartei eine neue Landesregierung zu bilden. Denn das Problem ist, dass sie allein nicht regieren können. Sie brauchen Partner.

SPD-Landeschefin Hannelore Kraft wollte als Erstes mit der FDP über eine Ampel reden. Es wäre so etwas wie die schmerzloseste Koalitionsoption für die Sozialdemokraten. Denn sie hätten keine innerparteilichen Grabenkämpfe fürchten müssen, wie sie sowohl bei einem rot-rot-grünen Bündnis als auch bei einer großen Koalition zu erwarten wären. Die Liberalen signalisierten zunächst Gesprächsbereitschaft. Allerdings unter der Bedingung, dass SPD und Grüne vor der Aufnahme etwaiger Gespräche Verhandlungen mit den Linken ausschließen. Da das nicht passierte, kündigte FDP-Fraktionschef Gerhard Papke am Donnerstag den Gang in die Opposition an – und konnte sich der Unterstützung des FDP-Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle sicher sein. Der hatte dem „Bonner General-Anzeiger“ gesagt, „es gibt eine linke Mehrheit, und es wird jetzt eine linke Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und Linkspartei in meinem Heimatland NRW geben“. Er gehe davon aus, dass in Düsseldorf der Probelauf für die Bildung einer rot-rot-grünen Bundesregierung in Berlin stattfinde. Für „Alibiveranstaltungen“ stehe die FDP nicht zur Verfügung. FDP-Landeschef Andreas Pinkwart allerdings haben diese Festlegungen gar nicht erfreut. Pinkwart will die Tür für Gespräche offen halten und ließ FDP-Führungskreise mitteilen, dass nicht die Fraktion, sondern die Partei Gespräche über Koalitionen führe. Selbst in Berlin gibt es nicht wenige, die es für falsch halten, dass sich die Liberalen ausschließlich auf die CDU verlassen und deshalb intern für eine Öffnung plädieren. „Das kommt in NRW aber möglicherweise zu früh“, sagte einer aus der liberalen Führungstruppe, „zumal die uns im Wahlkampf so heftig beschimpft haben“. Bisher scheint nicht klar, welche Linie bei der FDP obsiegt.

Die NRW-Grünen hätten ohnehin lieber gleich das Gespräch mit der Linkspartei gesucht. Denn in einer solchen Konstellation könnten sie sich als eine Art bürgerliches Korrektiv verstehen. Allerdings geht auch hier ein Riss durch die Partei. Grünen-Bundesparteichef Cem Özdemir stellte die von den NRW-Parteifreunden formulierte Präferenz für ein Linksbündnis infrage. „Wir haben keine Vorfestlegung innerhalb von zwei sehr schwierigen Optionen“, sagte Özdemir „Spiegel Online“. Die FDP mache „den Staat für alles Übel dieser Welt verantwortlich“, die Linke sehe „die Lösung aller Probleme im Staat. Beides ist nicht einfach für den notwendigen Politikwechsel in NRW“. Die potenziellen Koalitionäre müssten sich jetzt bewegen: „Wir haben eigentlich zwei nicht regierungsfähige Parteien“, sagte Özdemir – noch bevor die FDP ihre Absage an eine Ampel erneuerte.

Bei einer großen Koalition wäre eine israelische Lösung denkbar

„Wir haben am Sonntagabend zu früh gejubelt, jetzt herrscht etwas Rätselraten“, stellt Johannes Pflug, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Duisburg, ernüchtert fest. Pflug war fast 20 Jahre Landtagsabgeordneter der SPD in Nordrhein-Westfalen. Er sagt, dass mit jedem geredet werden muss – auch mit der Linkspartei. Nur sieht er erhebliche Gefahren für die SPD. „Bei der Linken in NRW gibt es tatsächlich viele verrückte Themen, wie Abschaffung von Gefängnissen, Verstaatlichung von Energiebetrieben oder das Recht auf Rausch, darüber braucht man gar nicht erst reden, aber Irregeleitete kann man einfangen, schlimmer sind die Dogmatiker bei den NRW-Linken, die ehemaligen DKP-Leute, mit denen ist es schwierig“, sagt Pflug. Das Vernünftigste sei eine Ampel oder auch eine große Koalition, sagt Pflug, allerdings müsse die FDP dafür auf erhebliche Teile ihres Wahlprogramms verzichten – und eine große Koalition ginge „nicht mit Rüttgers und seinen Leuten“. Mit anderen jedoch schon: Mit Armin Lasche, Andreas Krautscheid, derzeit Generalsekretär der NRW-CDU oder auch Helmut Linssen könne man reden.

Klar sei aber auch, dass man keinen CDU-Ministerpräsidenten für die gesamte Legislatur wählen werde. „Bei einer großen Koalition wäre eine israelische Lösung denkbar, wonach das Amt des Ministerpräsidenten nach der Hälfte der Legislaturperiode wechselt.“ Außerdem dürfe sich die SPD in einer großen Koalition „nicht selbst opfern“, wie es im Bund der Fall gewesen sei. Ob so oder so oder anders: Viel Zeit, findet Pflug, bleibt nicht. „Es müsste eine Lösung bis zur Wahl des Ministerpräsidenten am 23. Juni und spätestens bis zum Beginn der Sommerpause geben, weil die Bundesregierung ihre Vorgaben machen wird und wir im Bundesrat dann gut aufgestellt sein müssen“, sagt Pflug.

Den meisten Genossen ist klar, dass es eine Gratwanderung wird. Zumindest ist klar, dass eine große Koalition unter Jürgen Rüttgers das Schlimmste wäre, was der Partei passieren könnte. Ein Linksbündnis wiederum wäre zum Erfolg verdammt, sonst ist diese Machtoption für den Bund 2013 so gut wie verbrannt. Es geht bei einigen aber auch die Sorge um, dass zu viel Zeit vergeht, Optionen zerredet werden. Dann stünde man am Ende ohne große Handlungsoptionen da und müsste sich von der Union die Spielregeln diktieren lassen. Dass Kraft zuerst mit der FDP reden will, begrüßen die meisten Genossen. Was sie aber danach vorhat, darüber rätseln einige. mit jz.

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