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Kommentar: So viel Ehre hat das Ahlener Programm nicht verdient

Das arme Ahlener Programm von 1947 muss immer herhalten, wenn der CDU vorgeworfen wird, sie habe nach dem Zweiten Weltkrieg die Interessen der Arbeiter verraten. Es ist zu einem Kronzeugen der Linken gegen die CDU geworden.

Dabei war es noch nicht einmal ein richtiges Programm, sondern nur eine "programmatische Erklärung des Zonenausschusses der CDU in der britischen Zone", kein Grundsatzbeschluss hinter dem damals die ganze Partei gestanden hätte, sondern eine Momentaufnahme. Zwar spiegelte der Text die Interessen viele Anhänger eines christlochen Sozialismus wieder, die sich damals der CDU angeschlossen hatten, breit diskutiert und von der ganzen Partei verabschiedet wurde es nie.

Zudem sind nur die Eingangsworte radikal, in denen heißt "das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden". Liest man weiter, finden sich aber auch andere ganz andere Passagen. Sie lassen vermuten, dass hier schon die Reformierung und Modernisierung des Kapitalismus als Sozialen Marktwirtschaft vorgedacht wurde.

Zwar heißt es in dem 11-seitigen Text, "dass die Zeit der unumschränkten Herrschaft des privaten Kapitalismus vorbei" sei, aber die programmatische Erklärung warnt auch davor, "dass der private Kapitalismus durch den Staatskapitalismus ersetzt wird". Es fordert ein "Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer" und nicht die Vergesellschaftung oder Verstaatlichung von Betrieben, es spricht von der "Entflechtung von Bergbau, eisenschaffender und chemischer Großindustrie", nicht von Zerschlagung der Unternehmen. Von "neu entstehenden Einheiten" ist die Rede, von "Selbstverwaltungskörperschaften" sowie davon, dass "Planung und Lenkung" auf das "unbedingt notwendige Maß beschränkt werden" müssten.

Von Sozialismus keine Spur

Das Ahlener Programm war eine taktische Meisterleistung von Konrad Adenauer, mit dem er die Anhänger eines christlichen Sozialismus und die Konservativen in die neue Partei integrierte. Mag sein, dass der CDU ihren Beschlüssen von 1947 später unangenehm waren. Aber nicht deshalb wollten viele Arbeiter im Ruhrgebiet in den sechziger Jahren nichts mehr von der CDU wissen. Die katholischen Arbeitermilieus mit ihren eigenen Vereinen, Symbolen und Traditionen lösten sich nicht deshalb auf, weil die CDU sie verraten hatte, sondern weil der Kapitalismus zu erfolgreich war. Er bot plötzlich eine bessere Arbeitsbedingungen, eine Verbesserung des Lebensstandards und Aufstiegschancen bereit hielt. Die Arbeiter waren nicht mehr ausgegrenzt, mussten sich nicht länger in ihren Milieus einigeln, sondern sie waren in die Gesellschaft integriert.

Nicht wegen des Ahlener Programm wurde die CDU zur führenden Partei der Bundesrepublik und nicht wegen des Ahlener Programms regierte die CDU in den 1950er Jahren Nordrhein-Westfalen, sondern trotzdem.

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