zum Hauptinhalt
Unter Kontrolle der Parlamentarier: Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister, auf der Senatsbank im Abgeordnetenhaus.

© dpa

Leitfaden zur Wahl: Das kann das Abgeordnetenhaus entscheiden

Am 18. September, um 18 Uhr, ist es geschafft: Die Berliner haben ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Und dann? Was die Parlamentarier in den nächsten fünf Jahren entscheiden dürfen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wahl des Berliner Senats
Der erste Arbeitsschritt des neu gewählten Abgeordnetenhauses ist seine Konstituierung (Neubegründung). Es wählt unter Leitung des ältesten Abgeordneten (des Alterspräsidenten) das Parlamentspräsidium und anschließend weitere wichtige Gremien. In der zweiten Plenarsitzung wird in der Regel der Regierende Bürgermeister gewählt. Dafür benötigt er die Stimmen „der Mehrheit der Mitglieder des Abgeordnetenhauses“ (Artikel 56 VvB), also die absolute Mehrheit. Die Wahl erfolgt geheim und ohne parlamentarische Aussprache. Kommt die Wahl im ersten oder zweiten Wahlgang nicht zustande, reicht im dritten Wahlgang die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (relative Mehrheit).

Der neu gewählte Regierende Bürgermeister ernennt die Senatorinnen und Senatoren. Er verfügt im Senat (Landesregierung) über die Richtlinienkompetenz. Das heißt, er kann Senatsmitglieder ernennen und entlassen und bestimmt deren Geschäftsbereiche (Ressorts). Der Regierende Bürgermeister gibt die Richtlinien der Regierungspolitik vor, die er dem Abgeordnetenhaus zur Beratung und Zustimmung vorlegen muss. Das Abgeordnetenhaus kann dem Regierenden Bürgermeister das Misstrauen aussprechen. Wenn das geschieht, muss der gesamte Senat zurücktreten.

Meistens gehen zwei oder mehr Fraktionen, die im Landesparlament gemeinsam eine Mehrheit bilden, eine Regierungskoalition ein. Alleinregierungen einer Partei hat es in Berlin seit 1975 nicht mehr gegeben. Seit dem 16. Juni 2001 ist Klaus Wowereit (SPD) Regierender Bürgermeister. Wenige Monate regierte er zusammen mit Bündnis 90/Die Grünen. Seit der Abgeordnetenhauswahl am 21. Oktober 2001 bilden SPD und Die Linke (früher: PDS, Linkspartei.PDS) die Landesregierung.

Weitere Wahlaufgaben
Das Abgeordnetenhaus wählt unter anderem die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes, die Präsidenten der oberen Landesgerichte, den Präsidenten des Rechnungshofes und den Berliner Datenschutzbeauftragten.

Gesetzgebung und Budgetrecht
Zu den wichtigsten Aufgaben des Abgeordnetenhauses gehören die Landesgesetzgebung und die Verabschiedung des Landeshaushalts (Budgetrecht). Gesetzentwürfe können vom Senat, den Abgeordnetenhausfraktionen oder von mindestens zehn Mitgliedern des Abgeordnetenhauses in das Parlament eingebracht werden. Sie werden anschließend von den Fachausschüssen des Parlaments beraten und vom Plenum beschlossen, sofern sich eine Mehrheit dafür findet. Jedes vom Abgeordnetenhaus beschlossene Gesetz muss spätestens zwei Wochen nach seiner Ausfertigung durch den Parlamentspräsidenten vom Regierenden Bürgermeister im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Berlin verkündet werden. Es tritt spätestens 14 Tage nach Verkündung in Kraft, es sei denn, das Gesetz gibt einen anderen Termin vor.

Die Verfassung von Berlin kann vom Abgeordnetenhaus mit Zweidrittelmehrheit (Artikel 100 VvB) und im Wege der Volksgesetzgebung mit Hilfe eines Volksentscheids geändert werden. Eine zentrale Aufgabe des Parlaments ist die Beratung und Verabschiedung des Haushalts, dessen Entwurf vom Senat in der Regel vor der Sommerpause des vorhergehenden Jahres vorgelegt wird. Jeweils im Herbst werden der Landeshaushalt und begleitende Gesetze mit Anlagen (zum Beispiel Haushaltsstruktur- oder Haushaltssanierungsgesetze, mittelfristige Finanz- und Investitionsplanung) vom Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses beraten und traditionsgemäß in der letzten Plenarsitzung im Dezember beschlossen, damit der Etat rechtzeitig zum Jahresbeginn in Kraft treten kann.

Es ist aber auch möglich, und dieses Verfahren ist fast zur Regel geworden, dass nur alle zwei Jahre ein Doppelhaushalt vorgelegt, beraten und beschlossen wird. Das erspart der Regierung und dem Parlament Zeit und Arbeitskraft. Es kann aber auch passieren, dass zum Beispiel Steuerausfälle oder unvorhersehbare Mehrausgaben die zweijährige Planung über den Haufen werfen. In diesem Fall muss der Senat notfalls einen Nachtragshaushalt vorlegen.

Lesen Sie auf Seite 2, wie das Abgeordnetenhaus die Regierung kontrolliert.

Parlamentarische Kontrolle
Es gehört zur ständigen Arbeit des Abgeordnetenhauses, die Regierung zu kontrollieren und eigene politische Initiativen zu entfalten. Hier liegt ein Hauptbetätigungsfeld der Oppositionsfraktionen. Die Opposition ist naturgemäß mehr als die Regierungsfraktionen daran interessiert, Fehler in der Regierungsarbeit zu finden und den Senat politisch herauszufordern. Um schwere Missstände aufzuklären, können Untersuchungsausschüsse eingerichtet werden. Enquete-Kommissionen (parlamentarische Gremien, die aus Abgeordneten und sachverständigen Personen bestehen) dienen der „Vorbereitung grundsätzlicher Entscheidungen“ des Parlaments.

Die Abgeordneten dürfen Einsicht in Akten und andere Unterlagen der Landesverwaltung nehmen. Dies darf nur abgelehnt werden, wenn „überwiegende öffentliche Interessen einschließlich des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung oder überwiegende private Interessen an der Geheimhaltung dies zwingend erfordern“. Damit sind zum Beispiel die Protokolle der Senatssitzungen, Unterlagen über polizeiliche oder staatsanwaltliche Ermittlungen und über laufende Zivilprozesse gemeint. Auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bleiben geschützt. Das Einsichtsrecht in Akten der Verfassungsschutzbehörde bleibt den Mitgliedern der für die Kontrolle dieser Behörde zuständigen Parlamentsgremien vorbehalten.

Die Abgeordneten haben zudem das Recht, von den Vertretern des Landes Berlin in Aufsichtsräten und anderen Kontrollgremien mehrheitlich landeseigener Unternehmen Auskünfte zu verlangen und Berichte anzufordern. In den Fachausschüssen des Abgeordnetenhauses können die Senatoren oder deren Stellvertreter (Staatssekretäre) befragt und auf Antrag Experten angehört werden. In der mündlichen Fragestunde des Abgeordnetenhaus-Plenums beantworten die Senatsmitglieder Fragen der Parlamentarier. „Große Anfragen“ der Fraktionen werden ebenfalls im Plenum oder im zuständigen Fachausschuss vom Senat beantwortet.

Das Abgeordnetenhaus hat auch das Recht, zu Plenarsitzungen die Anwesenheit von Senatsmitgliedern zu fordern (Zitierrecht). Außerhalb der Parlamentsgremien kann jeder Abgeordnete „Kleine Anfragen“ an die Senatsverwaltungen stellen, die in angemessener Frist schriftlich beantwortet und im Landespressedienst veröffentlicht werden müssen. Der Senat ist verpflichtet, das Parlament über „Vorhaben von grundsätzlicher Bedeutung“ frühzeitig und vollständig zu informieren, zum Beispiel über den Inhalt von Staatsverträgen, Bundesratsinitiativen und Richtlinien der Europäischen Union.

Für die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin hat Tagesspiegel-Redakteur Ulrich Zawatka-Gerlach einen Leitfaden zur Wahl geschrieben. Hier gibt es die komplette Broschüre zum Herunterladen. Und hier können Sie sich über einzelne Themen informieren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false