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Grünen-Abgeordnete protestieren 2007 bei einer Abstimmung. Trotzdem verabschiedete das Abgeordnetenhaus ein Gesetz, das Videoüberwachungen erleichterte.

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Leitfaden zur Wahl: Vertreter des Volkes

Die demokratisch gewählten Abgeordneten „sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“, heißt es im Grundgesetz, Artikel 38. Doch was heißt das genau?

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Von den Abgeordneten wird erwartet, dass sie die Interessen der gesamten Bevölkerung im Parlament vertreten. Ihr Mandat ist frei. Das bedeutet, dass sie nicht dafür gewählt sind, bestimmte Aufträge ihrer Partei oder einzelner Wähler- und Interessengruppen zu erfüllen. Die Unabhängigkeit der Abgeordneten wird auch dadurch geschützt, dass sie wegen einer Abstimmung oder Äußerung im Parlament und dessen Gremien nicht juristisch oder behördlich belangt werden dürfen (Indemnität).

Für verleumderische Beleidigungen gilt dies allerdings nicht. Strafrechtlich dürfen Abgeordnete nur mit Zustimmung des Parlaments zur Verantwortung gezogen werden (Immunität). Das Abgeordnetenhaus kann jederzeit verlangen, dass eine Haft oder sonstige Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Volksvertreters aufgehoben werden.

Unvereinbarkeit von Beruf und Mandat
Einigen Berufsgruppen ist es gesetzlich untersagt, im Abgeordnetenhaus vertreten zu sein. Das gilt für Beamte und Angestellte der Senats- und Parlamentsverwaltung, des Landesrechnungshofs, des Berliner Datenschutzbeauftragten und der Gerichtsverwaltungen, für Berufsrichter, Bezirksbürgermeister und Stadträte. Hauptberufliche Professorinnen und Professoren sind von der Unvereinbarkeitsregelung ausgenommen, Lehrerinnen und Lehrer dagegen nicht. Die Unvereinbarkeit von Beruf und Mandat gilt auch für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder von Körperschaften, Anstalten, öffentlich-rechtlichen Stiftungen oder Unternehmen, an denen das Land Berlin oder eine landeseigene Einrichtung maßgeblich beteiligt ist.

Diese Gesetzesnorm, die 1998 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde, soll das Prinzip der Gewaltenteilung schützen, um Interessenkollisionen und „Filz“ zu vermeiden. Rechtliche Grundlage dafür bilden das Landeswahlgesetz und das Landesabgeordnetengesetz.

Erlaubte und unerlaubte Nebentätigkeiten
Jedes Parlamentsmitglied muss seinen Beruf sowie bezahlte und ehrenamtliche Nebentätigkeiten öffentlich machen. Das schreiben die „Verhaltensregeln für Mitglieder des Abgeordnetenhauses“ vor. Mögliche Interessenverflechtungen und Abhängigkeiten sollen auf diese Weise transparent gemacht werden. Im Handbuch des Parlaments und auf der Internetseite des Berliner Abgeordnetenhauses müssen der gegenwärtig ausgeübte (oder der für das Mandat aufgegebene) Beruf, der Arbeitgeber oder der eigene Betrieb, die Branche und die Stellung im Unternehmen (zum Beispiel Vorstandsmitglied) dargestellt werden, außerdem alle Funktionen in Aufsichts- und Verwaltungsräten, Beiräten, Kuratorien und ähnlichen Organen, die Mitgliedschaft und Mitarbeit in Gewerkschaften, Berufs- und Wirtschaftsverbänden sowie sonstigen Interessenverbänden.

Offenlegungspflichtig sind auch Kapitalbeteiligungen, wenn der Anteil an Aktiengesellschaften fünf Prozent und an anderen Gesellschaften 25 Prozent übersteigt. Die Abgeordneten müssen auch angeben, ob ihre Nebentätigkeiten ehrenamtlich ausgeübt oder vergütet werden. „Entgeltliche Tätigkeiten der Beratung, Vertretung fremder Interessen, Erstattung von Gutachten, publizistische und Vortragstätigkeit“ müssen dem Parlamentspräsidenten angezeigt werden, wenn der Abgeordnete dafür mehr als 2 000 Euro jährlich bekommt.

Geldspenden und sonstige Zuwendungen für die politische Arbeit über 2 500 Euro pro Jahr müssen mit Namen und Anschrift des Spenders angezeigt werden. Liegt der Gesamtwert der Spenden über 5 000 Euro, wird dies veröffentlicht. Geschenke oder Honorare, die im Zusammenhang mit der parlamentarischen Arbeit stehen, müssen dem Parlamentspräsidenten „angezeigt und ausgehändigt“ werden. Verboten sind Zuwendungen, die der Abgeordnete „nur deshalb erhält, weil von ihm in Hinblick auf sein Mandat erwartet wird, dass er im Abgeordnetenhaus die Interessen des Zahlenden vertreten und nach Möglichkeit durchsetzen wird“.

Vergütungen aus einem Dienst- oder Werkvertrag dürfen nur angenommen werden, wenn diese Tätigkeit in keinem Zusammenhang mit der Mandatsausübung steht. „Hinweise auf die Mitgliedschaft im Abgeordnetenhaus sind in beruflichen und geschäftlichen Angelegenheiten zu unterlassen.“ Wenn sich ein Parlamentsausschuss mit Angelegenheiten befasst, an denen ein Abgeordneter oder jemand, für den er gegen Geld arbeitet oder von dem er Zuwendungen erhielt, ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse hat, muss er den Ausschuss darüber informieren. Liegt ein Interessenkonflikt vor, muss sich der Abgeordnete im Ausschuss vertreten lassen.

Lesen Sie auf Seite 2, wieviel Geld die Abgeordneten für ihre Tätigkeit erhalten.

Entschädigung (Diäten) und Kostenpauschale
Das Grundgesetz sichert allen Volksvertretern in Deutschland eine „angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung“ zu. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in einem Urteil von 1975 so begründet, „dass jedermann ohne Rücksicht auf soziale Unterschiede, insbesondere auf seine Abstammung, seine Herkunft, seine Ausbildung oder sein Vermögen die gleiche Chance haben muss, Mitglied des Parlaments zu werden“. Auch in Berlin steht jedem Abgeordneten eine gleich hohe finanzielle Entschädigung (Diäten) für seine Arbeit zu. Nur der Parlamentspräsident und die Vizepräsidenten erhalten als „Spitze eines obersten Verfassungsorgans“ höhere Einkünfte.

Das Abgeordnetenhaus entschied bisher selbst über die Höhe der Diäten, auf Empfehlung einer unabhängigen Sachverständigen-Kommission. Die Berliner Abgeordneten erhalten seit 1. Januar 2011 monatlich eine Entschädigung von 3309 Euro und zusätzlich eine steuerfreie Kostenpauschale von 969 Euro für Schreibarbeiten, Porto, Telefon und Fahrtkosten. Für die Beschäftigung von Mitarbeitern „zur Unterstützung bei der Erledigung seiner parlamentarischen Arbeit“ werden jedem Abgeordneten außerdem die Kosten bis zu einem Höchstbetrag von 580 Euro monatlich (zuzüglich der Lohnnebenkosten) erstattet.

Dem Parlamentspräsidenten steht der doppelte Betrag, seinen Stellvertretern der eineinhalbfache Betrag zu. Abgeordneten, die Einkommen aus dem öffentlichen Dienst beziehen, wird die Entschädigung je nach Höhe des Gehalts bis zu 50 Prozent gekürzt. Es sei denn, sie arbeiten halbtags. Alle Parlamentarier sind unfallversichert, ohne dafür Beiträge leisten zu müssen. Außerdem wird ihnen ein Zuschuss zur Krankenversicherung gewährt.

Ab der künftigen (17.) Wahlperiode gilt ein anderes Verfahren, auf das sich alle Fraktionen im Abgeordnetenhaus geeinigt haben: Die Entschädigungen werden zu Beginn jedes Jahres an die Einkommensentwicklung in Berlin (Bruttoeinkommen der Vollzeitbeschäftigten) angepasst. Die jährliche Anhebung der Kostenpauschale richtet sich nach dem Verbraucherpreisindex (Teuerungsrate). Für die Berechnung der prozentualen Erhöhungen ist das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg zuständig, das darüber öffentlich berichtet. Mit dieser Regelung soll die Bezahlung der Volksvertreter auf eine möglichst objektive und überprüfbare Grundlage gestellt werden, um dem Vorwurf zu begegnen, das Parlament sei ein „Selbstbedienungsladen“.

Altersversorgung und Übergangsgelder

Je nach Dauer der Parlamentszugehörigkeit (mindestens neun Jahre) steht ausscheidenden Abgeordneten frühestens ab dem 57. Lebensjahr und spätestens mit Vollendung des 63. Lebensjahres eine Altersversorgung zu. Sie beträgt mindestens 35 Prozent der Entschädigung, höchstens aber 65 Prozent. Sobald ein Abgeordneter das Parlament verlässt, aus welchem Grund auch immer, steht ihm für jedes Jahr der Parlamentsmitgliedschaft ein Übergangsgeld in Höhe der monatlichen Entschädigung zu, höchstens aber für insgesamt 18 Monate. Einkünfte aus privatwirtschaftlicher Tätigkeit werden bis zu 25 Prozent auf das Übergangsgeld angerechnet.

Für die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin hat Tagesspiegel-Redakteur Ulrich Zawatka-Gerlach einen Leitfaden zur Wahl geschrieben. Hier gibt es die komplette Broschüre zum Herunterladen. Und hier können Sie sich über einzelne Themen informieren.

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