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Minderheitsregierung im Blick. SPD-Landeschefin Hannelore Kraft (l.) und Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann am Donnerstag im Düsseldorfer Landtag. Foto: Oliver Berg/dpa

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NRW: Beschleunigte Minderheit

Erst mochten sie nicht und nun muss alles schnell gehen: SPD und Grüne wollen in NRW doch regieren.

Berlin/Düsseldorf - Offen sagen will das natürlich niemand, aber ein bisschen herrscht auch Erleichterung im rot-grünen Lager in Nordrhein-Westfalen. Denn der Unmut über die Entscheidung von SPD-Landeschefin Hannelore Kraft, aus der Opposition zu agieren statt schnell eine Minderheitsregierung zu bilden, war unüberhörbar. Nicht nur die Grünen haben sich beschwert, auch die eigene Partei, vor allem die Bundespartei, war nicht sonderlich angetan von dieser Idee. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hat Anfang der Woche die Entscheidungshoheit der Landesverbände zwar betont, aber offen für eine rot-grüne Minderheitsregierung geworben. Von Druck aus Berlin will in Düsseldorf keiner etwas wissen, aber unglücklich sind sie in Nordrhein- Westfalen nicht, dass nun eine Entscheidung zugunsten einer rot-grünen Minderheitsregierung gefallen ist.

„Wir hätten schon gern noch etwas Zeit gehabt, um nichts zu überstürzen, aber wir mussten jetzt handeln“, sagt beispielsweise Britta Altenkamp. Sie ist stellvertretende Landesvorsitzende der SPD und hat an den diversen Sondierungsgesprächen teilgenommen. „Eine rot-grüne Minderheitsregierung haben wir nie ausgeschlossen, es war nur eine Frage des Zeitpunktes“, sagt sie.

Dass die SPD sich zum Handeln gezwungen sieht, liegt an Andreas Pinkwart, Chef der FDP in Nordrhein-Westfalen. Der hat in einem Zeitungsinterview faktisch die geschäftsführende schwarz- gelbe Landesregierung aufgekündigt. „Der Koalitionsvertrag der letzten Legislaturperiode ist abgearbeitet”, sagte Pinkwart der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Die FDP wolle nun im Landtag auf eigene Rechnung für „Mehrheitsentscheidungen im Interesse des Landes“ werben. „Damit wäre Nordrhein-Westfalen faktisch ohne Landesregierung, und das kann man dem Land nicht zumuten, weshalb wir uns jetzt entschieden haben und die Zügel in die Hand nehmen“, sagte Ralf Jäger, stellvertretender SPD- Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag.

Ab Mittwoch werden SPD und Grüne nun in Koalitionsverhandlungen eintreten. Viel Zeit haben sie nicht. Denn bereits am 10. Juli soll ein außerordentlicher SPD-Landesparteitag darüber befinden. Schon drei Tage später kommt der Landtag zusammen. Dabei soll zunächst ein neues Präsidium gewählt werden. Einen Tag später, also am 14. Juli, will sich Hannelore Kraft zur Ministerpräsidentin wählen lassen. SPD und CDU verfügen im Düsseldorfer Landtag über je 67 der 181 Sitze. Die Grünen haben 23 Mandate, die FDP 13 und die Linkspartei stellt elf Abgeordnete. Dadurch hat Rot- Grün mit 90 Mandaten zwar eine Mehrheit gegenüber Schwarz-Gelb (80). Zur absoluten Mehrheit fehlt SPD und Grünen aber eine Stimme. Die benötigen sie, um einen Haushalt zu verabschieden. Für andere Vorhaben reicht meist die eigene rot-grüne Mehrheit, unter Umständen auch bei der Wahl der Ministerpräsidentin. Denn in den ersten drei Wahlgängen ist zwar eine absolute Mehrheit erforderlich, also mindestens 91 Stimmen, im vierten genügt aber die einfache Mehrheit. Dass die elf Linken-Abgeordneten Kraft einen Strich durch die Rechnung machen, ist nicht zu erwarten. Linksparteichef Klaus Ernst sagte: „Wir werden uns bei einer Wahl so verhalten, dass es möglich wird, dass der Rüttgers abgewählt wird.“

Die FDP hat zwar mit ihrem De-facto- Ausstieg aus der schwarz-gelben Landesregierung den entscheidenden Impuls für die SPD geliefert, mit Stimmen von den Liberalen kann sie aber nicht rechnen. Pinkwart sagte, dass die FDP-Fraktion mit allen Stimmen den geschäftsführenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) wählen werde. Er warf SPD und Grünen vor, auf Drängen ihrer Bundesparteispitzen ganz bewusst in eine instabile Regierung zu gehen. „Der heutige Schritt kann nur als Akt der Verzweiflung verstanden werden“, sagte er. „Das zeigt auch die Absurdität der Begründung für ihren Schwenk.“ Rüttgers wiederum warf Kraft „schlimmste Wählertäuschung“ vor, weil sie sich jetzt von der Linkspartei abhängig mache. Diesem Eindruck versucht die SPD entgegenzutreten. „Wir werden jetzt in dieser sicher schwierigen Situation immer von Fall zu Fall Mehrheiten suchen und auf gar keinen Fall eine reine von den Linken tolerierte Minderheitsregierung führen“, sagte Fraktionsvize Jäger.

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