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Rheinland-Pfalz: Grüner Siegesstolz

Die Öko-Partei stellt sich in Rheinland-Pfalz auf eine Koalition mit der SPD ein – und will sich nicht mit den Ministerien Umwelt und Justiz abspeisen lassen.

In der beschaulichen Mainzer Mitternachtsgasse war für die größte Party des rheinland-pfälzischen Wahlabends alles bereitet. Im Haus der Jugend feierten die Anhänger und Mitglieder der Grünen einen wohl historischen Wahlsieg, der sie mit einem satten zweistelligen Ergebnis um die 15 Prozent nicht nur zurück in den Landtag, sondern auch in die Regierung bringen wird. Ein paar Meter weiter vom Szenetreff der Mainzer Jugend entfernt, ganz gediegen und präsidial, wartete Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) in der Staatskanzlei auf die Ergebnisse, die den Sozialdemokraten auf jeden Fall den Verlust der absoluten Mehrheit bringen sollte und einen Absturz auf unter 40 Prozent. Unklar war am frühen Abend zunächst, ob die SPD oder die CDU am Ende die Nase vorn haben würde.

Beck, 62, hatte am Sonntagmorgen erst das Grab seiner Mutter besucht, wie jedes Jahr am 27. März, ihrem Todestag, hatte in seinem Heimatort Steinfeld gewählt und seine Wahlkarte mit dem symbolischen Satz „Arbeit erledigt“ in die Urne geworfen. Dann fuhr er nach Mainz in sein Büro, das eine Mischung aus gediegener Möbelhausatmosphäre und kreativen Farbtupfern ist. Der Blick vom immer aufgeräumten Schreibtisch fällt entweder hinaus auf die Rhein-Main-Brücke oder nach vorn auf eine beleuchtete Schrankwand, deren Vorderseite das Hambacher Schloss ziert. Unten im Eingang der Staatskanzlei hängt ein modernes Acryl-Bild von K.O. Götz mit dem Titel „Tornado“.

Die SPD aber wurde trotz erheblicher Verluste nicht hinausgefegt aus ihrer seit 1991 währenden Regierungsverantwortung. Sehr wahrscheinlich aber hatte es die FDP erwischt – es sah nach Angaben vom frühen Abend danach aus, dass sie wie die Linke den Einzug in den Landtag verpasste. Die CDU unter der jungen Spitzenkandidatin Julia Klöckner, 38, wusste nicht so recht, ob sie feiern sollte. Trotz des möglichen Gewinns von ein paar Prozentpunkten gibt es für die CDU keine Perspektive auf den Machtwechsel. Diese Perspektive haben allein die Grünen. Und natürlich hat auch in Rheinland-Pfalz die Atompolitik eine entscheidende Rolle für die Ökopartei gespielt.

An dem Tag, als in Japan Erdbeben und Tsunami zur Reaktorkatastrophe führten, stand Kurt Beck im Örtchen Bendorf am Fuße des Taunus und führte die Atompolitik in den Wahlkampf ein. Schon damals sagte Beck wörtlich: „Niemand kann sagen, dass es so ein Ereignis bei uns nicht geben kann.“ Beck spielte darauf an, dass der Mittelrhein ebenfalls zu einer Erdbebenzone gehört, was dazu führte, dass die Landesregierung es in seiner Ägide schaffte, vor dem Bundesverfassungsgericht durchzusetzen, dass das einzige Atomkraftwerk im Land, Mülheim-Kärlich, stillgelegt werden musste. Klöckner warf Beck bis zum Schluss vor, er mache „Wahlkampf auf dem Rücken von Verletzten und Toten“.

In der Mitternachtsgasse 8 ließen sich die beiden Spitzenkandidaten der Grünen, Eveline Lemke und Daniel Köbler, direkt nach den ersten Prognosen feiern. „Wir wollen uns als Erstes bedanken bei unseren Leuten“, hatte zuvor Daniel Köbler dem Tagesspiegel gesagt. Alles über zehn Prozent, sagte Köbler, sei „überwältigend, wir können dann sehr stolz sein“. In einer rot-grünen Koalition wolle man vor allem „als Korrektiv in der Finanzpolitik stehen und als Garant für eine wirkliche Energiewende“. Mit den Grünen dürfte es für Beck unbequemer werden zu regieren, allerdings haben selbst hochrangige Sozialdemokraten schon öffentlich zugegeben, dass „uns die Alleinregierung nicht gutgetan hat“, was Beck so nie sagen würde. Er gilt als dünnhäutig, wenn es um Widerspruch gegen seine Politik geht. Köbler kennt das schon und sagt, Beck könne sich zwar neue Themen sehr diskursiv erschließen, allerdings sei er sehr starrköpfig, wenn er sich einmal entschieden habe.

Der 29-jährige Grünen-Sozialpolitiker und Politikwissenschaftler Köbler sieht in Beck einen „Sozialpolitiker der alten Schule“. Das sei auch in Ordnung. „Aber zu einer modernen Sozialpolitik gehört auch Nachhaltigkeit. Es kann keine Dauersubvention um jeden Preis geben. Öffentliche Investitionen müssen sinnvoll und bezahlbar sein“, fügt Köbler hinzu. Becks Politikansatz sei nicht nachhaltig, sondern baue die Sozialpolitik auf einer Schuldenpolitik auf. Rheinland-Pfalz hat rund 33 Milliarden Euro Schulden. Man müsse auch mal sagen, dass ein Projekt nicht gehe, finden die Grünen. Auch das ist eine Anspielung auf das System Beck.

Die CDU hat Beck im Wahlkampf Vetternwirtschaft und unlauteres Finanzgebaren vorgeworfen – beispielsweise, weil die Landesregierung einen Hotelschlossbau unterstützte, ausgerechnet im Geburtsort von Beck. Die Grünen aber sagen, die Verfilzung finde nicht innerhalb der SPD statt, sondern sei Teil von Abmachungen auch mit der CDU und der FDP. Tatsächlich ist der Bürgermeister des Örtchens Bad Bergzabern, um den es bei der Schlossaffäre ging, Christdemokrat.

Beck hat immer darauf geachtet, auch die politische Konkurrenz einzubinden. Aus Eigeninteresse, weil es Loyalitäten schaffe, aber auch aus Überzeugung, sagt ein hochrangiger Sozialdemokrat in Mainz. In weiten Teilen wird das Land, das bei Bundestagswahlen fast immer mehrheitlich CDU wählt, von christdemokratischen Bürgermeistern geführt. Aber auch die FDP, die lange Jahre von 1991 bis 2006 mit der SPD regierte, wurde gepflegt. So hätte 2006 ein liberaler Staatsminister nach der verlorenen Wahl im Amt bleiben können, was die FDP dann selbst nicht wollte. Trotzdem gibt es noch einige hohe Beamte mit FDP-Mitgliedsausweis. Allerdings hat Beck auch für eine Grünen-Politikerin gesorgt, nachdem die Partei 2006 aus dem Landtag flog, bekam die von Beck sehr geschätzte Frau einen Job in einer landeseigenen Entwicklungsgesellschaft.

Sollte es nun zu einem rot-grünen Bündnis kommen, so werden die Grünen sich nicht mit den Ministerien Umwelt und Justiz abspeisen lassen. Vor allem Bildung und Schule ist den Grünen wichtig. Die SPD hat hier schon Entgegenkommen signalisiert, denn im Moment ist Schule gemeinsam mit Kultur und Wissenschaft in einem Riesenministerium untergebracht. Neue Ressortzuschnitte seien denkbar, heißt es bei der SPD. Das Superministerium hatte bisher Doris Ahnen inne, sie gilt als mögliche Nachfolgerin von Beck.

Beck will auf jeden Fall die vollen fünf Jahre im Amt bleiben. Ihm selbst würde es wohl gefallen, wenn ihn seine Bundespartei irgendwann als Bundespräsidenten nominieren würde, allerdings nur dann, wenn er kein Zählkandidat wäre. Ansonsten, sagen enge Begleiter Becks, brauche der Ministerpräsident, der am Ende der Legislatur über 20 Jahre regiert haben wird, „auf jeden Fall ein Chill-out-Programm“. Sonst werde er den Übergang ins Rentnerdasein nicht problemlos bewältigen können. Daran aber dachte Beck am Sonntagabend ganz bestimmt nicht, als er seine ersten Interviews gab.

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