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Blumen für den Sieger: Jens Böhrnsen (SPD) mit seiner Lebensgefährtin Birgit Rüst.

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Update

Wahl in Bremen: SPD und Grüne legen zu, CDU verliert, FDP ist raus

Sozialdemokraten und Grüne sehen die Ergebnisse als Signal für die Wahl in Berlin. Ernüchterung herrscht bei CDU und FDP. Für die Linken wird die Bremen-Wahl zur Hängepartie.

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Die Sozialdemokraten können im Vergleich zur Wahl im Jahr 2007 zulegen und liegen nach einer ersten Hochrechnung des Landeswahlleiters bei 38,8 Prozent. Den größten Zuwachs verzeichnen die Grünen. Kamen sie vor vier Jahren noch als drittstärkste Kraft auf 16,5 Prozent, landen sie diesmal als zweitstärkste Partei bei 22,0 Prozent. Die CDU büßt Prozentpunkte ein und kommt nur noch auf 20,1 Prozent der Stimmen. Damit schneiden die Christdemokraten erstmals bei einer Wahl schlechter als die Grünen ab. Die SPD kann damit ihre Regierungszeit in dem Zwei-Städte-Staat (Bremen und Bremerhaven) weiter verlängern. Seit 1947 stellen sie den Regierungschef im kleinsten deutschen Bundesland.

Die Linken kamen im Jahr 2007 noch auf 8,4 Prozent, diesmal langt es laut Hochrechnung nur für 6,4 Prozent der Stimmen. Endgültige Gewissheit wird wohl erst das amtliche Endergebnis liefern. Das wird aber erst am Mittwoch vorliegen. Schuld ist das neue Wahlsystem, bei dem die Wähler bis zu fünf Stimmen auf Kandidaten und Parteien verteilen können. Die Liberalen können darauf nicht mehr hoffen. Sie verpassen den Sprung ins Parlament in Bremen deutlich: Sie kommen laut der ersten Hochrechnung des Landeswahlleiters auf 2,5 Prozent. Die rechtsextreme NPD wird ebenfalls nicht in die Bürgerschaft einziehen. Die rechtspopulistische "Bürger in Wut" (BIW) schafft zwar nicht den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde im gesamten Bundesland Bremen, aber weil sie es in Bremerhaven schaffen, werden sie mit einem Sitz in der Bürgerschaft vertreten sein. Die Landeswahlleiter-Hochrechnung vom Sonntagabend basiert auf 27 Prozent der Stimmen aus 70 repräsentativen Wahlbezirken.

Böhrnsen will nach dem Wahlergebnis vom Sonntag schnell in die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen einsteigen. Nach dem amtlichen Endergebnis der Bürgerschaftswahl, das am Mittwoch erwartet wird, soll es in den darauf folgenden Tagen bereits zu ersten Gesprächen und Verhandlungen kommen, sagte Böhrnsen am Sonntag in Bremen. Anfang Juli könne dann bereits ein neuer Senat gewählt werden, zeigte er sich optimistisch. Auf eine stärkere Rolle der Grünen in der Koalition wollte Böhrnsen sich am Sonntagabend noch nicht festlegen. "Es ist aber selbstverständlich in einer parlamentarischen Demokratie, dass sich die Mehrheitsverhältnisse auch in der Regierung widerspiegeln", sagte Böhrnsen. Darüber werde er mit den Grünen sprechen. "Aber das wird nicht heute Abend stattfinden und auch nicht als erstes in den Koalitionsverhandlungen", betonte er. Zunächst gehe es um Inhalte, dann um die Zuschnitte der Ressorts und dann erst um Personen. Die Arbeit der rot-grünen Koalition werde „keine bloße Fortsetzung“ sein, betonte Böhrnsen. Vielmehr gehe es darum, "eine begonnene Politik mit neuen Ideen" zu konzipieren.

Ernüchterung bei Berliner FDP und CDU, SPD und Grüne sehen sich bestätigt

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hat die Verluste seiner Partei in Bremen als "schmerzhafte Niederlage" bezeichnet. "Es ist eine herbe Enttäuschung auf Platz drei zu landen in einer Stadt wie Bremen", sagte Gröhe am Sonntag in der ARD. Eine große Herausforderung sei es nun, "an unserer Großstadt-Kompetenz weiter zu arbeiten". Darüber werde es Diskussionen in den Parteigremien geben. Gröhe bedauerte zugleich, dass sich SPD und Grüne in Bremen vorzeitig auf eine Fortsetzung ihrer Koalition Grün festgelegt hätten. Dadurch habe eine reale Wechselperspektive gefehlt. Dies sei nicht nur in der Wahlbeteiligung, sondern auch im Ergebnis der CDU spürbar gewesen. Der Generalsekretär führte das Ergebnis der CDU zudem auf Ereignisse wie die Umbrüche in Nordafrika, die Atomkatastrophe von Fukushima und die brenzligen Situationen in überschuldeten Euro-Staaten zurück. Diese seien große Herausforderungen für die von der Union geführte Bundesregierung. Den Menschen müsse erklärt werden, was die Antworten auf solche Fragen seien. Der Berliner CDU-Landes- und Fraktionschef Frank Henkel gibt sich überrascht: "Es ist schon erstaunlich, dass bei der Bürgerschaftswahl in Bremen mit SPD und Grünen jene Parteien vorne liegen, die für die wirtschaftliche und finanzpolitische Misere in der Hansestadt verantwortlich sind. Die Berliner CDU wird bei der Abgeordnetenhauswahl im September zeigen, dass die Union auch in Großstädten besser abschneiden kann als bei den diesjährigen Landtagswahlen in Hamburg und Bremen. Wir wollen dafür sorgen, dass sich der Regierende Bürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Klaus Wowereit nicht so einfach durchmogeln kann."

Auch bei der FDP herrscht Ernüchterung. Eine Woche nach dem Bundesparteitag der Liberalen, der einen Neustart der Partei mit der Wahl der neuen Parteispitze symbolisieren sollte, scheitert die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde. FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat aber die Bedeutung der Bürgerschaftswahl in Bremen für den personellen Neuanfang der Liberalen relativiert. Das Ergebnis lasse zwar kein Urteil über den Neuanfang der FDP zu, zeige aber, dass die Liberalen noch einen weiten Weg vor sich hätten, sagte Lindner am Sonntagabend in der ARD. Christoph Meyer, Landes- und Fraktionschef der Berliner FDP sagte: "Das ist ein bitteres Ergebnis für uns. Aber es war klar, dass die Wahl in Bremen nur eine Woche nach dem Neustart der Bundes-FDP schwierig wird. Wir müssen jetzt daran arbeiten, für die Wähler wieder nachhaltig glaubwürdig zu werden. Rückschlüsse auf die Abgeordnetenhauswahl im September lassen sich aus diesem Wahlsonntag nicht ziehen."

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sieht im Wahlerfolg ihrer Partei in Bremen ein gutes Zeichen. Die Stärke in Städten sei ein Markenzeichen der SPD, sagte Nahles am Sonntagabend in Berlin. "Das werden wir in diesem Jahr auch noch in Berlin beweisen." In der Bundeshauptstadt will die Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast den regierenden SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit aus dem Amt drängen. Derzeit profitierten die Grünen vor allem von den Diskussionen über Energiethemen, sagte Nahles. Wenn in den kommenden Monaten andere Themen wieder wichtiger würden, werde die SPD davon profitieren.

Auch in der Berliner SPD gibt man sich nach der Wahl in Bremen zuversichtlich. SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller sagte: "Das Wahlergebnis ist eine tolle Bestätigung für diese Regierungskonstellation. Mit einer starken SPD und einem populären Bürgermeister an der Spitze. Der Bremer SPD ist nach langer Regierungszeit wieder ein überzeugender Sieg gelungen. Nach Hamburg ist das der zweite große Erfolg für die SPD in einer Großstadt. Das Ergebnis zeigt, dass die SPD mit ihren Themen Wirtschaft, Arbeitsplätze und sozialer Zusammenhang, mit denen wir auch in Berlin in den Wahlkampf gehen, richtig liegt."

Der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Jürgen Trittin, hat das Abschneiden seiner Partei bei der Bremer Bürgerschaftswahl als "prima" bezeichnet. Das Wahlergebnis sei auch der Lohn für das "Risiko, gerade in einem finanzschwachen Land wie Bremen das Finanzressort zu übernehmen", sagte Trittin am Sonntagabend im ZDF. Er bezeichnete das Bremer Ergebnis als "Steilvorlage" für die Grünen-Spitzenkandidatin bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl, Renate Künast, und für die Bundestagswahl. Zu möglichen Festlegung eines Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2013 wollte Trittin sich nicht äußern. Zunächst stünden noch Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Schleswig-Holstein und Niedersachsen an. "Danach stellen wir uns auf für die Bundestagswahl."

Die Grünen-Fraktionschefin in Berlin Ramona Pop sagte: "Ich freue mich über das wahnsinnig gute Ergebnis der Bremer Parteifreunde, die dies aus der Regierung heraus zustande gebracht haben. Nun hoffen wir, dass der Rückenwind aus den vergangenen Landtagswahlen uns bis zum Erfolg bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin trägt. Dass die Grünen, deren Landesverbände in Baden-Württemberg und Bremen kaum unterschiedlich sein könnten, gleichermaßen siegreich waren, zeigt, dass wir in der politischen Mitte angekommen sind."

Geringe Wahlbeteiligung

Das Interesse der Wähler an der Landtagswahl in Bremen war deutlich geringer als vor vier Jahren. Die Wahlbeteiligung lag bei 53,6 Prozent. Bis zum späten Nachmittag kletterte die Wahlbeteiligung auf 38,1 Prozent. 2007 waren zu diesem Zeitpunkt bereits 43,0 Prozent der Wähler an die Urnen gegangen, teilte der Landeswahlleiter am Sonntag mit. Allerdings hoffen die Organisatoren, dass die bisher geringe Beteiligung durch eine Zunahme der Briefwähler ausgeglichen werden könnte. Hier war das Interesse diesmal deutlich höher als in den Vorjahren. Fast ein Viertel der gut 500.000 Stimmberechtigten hatte Briefwahlunterlagen angefordert.

Erstmals überhaupt bei einer Landtagswahl durften in Bremen auch die 16- und 17-Jährigen wählen. Böhrnsen appellierte bei seiner Stimmabgabe an die Jugendliche, sich intensiv an der Wahl zu beteiligen, um ein bundesweites Vorbild zu sein. "Sie sind Pioniere", betonte Böhrnsen. (Mit dapd/ dpa)

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